Bauern sind nicht für alle Missstände verantwortlich
„Die Gesellschaft mobbt die Bauern und gibt ihnen keine Chance.“ Diesen Vorwurf erhob Hubert Kucher, Bauernverbandsvorsitzender im Ostalbkreis, bei der Bauernkundgebung auf der Ipfmesse in Bopfingen. Agrarminister Peter Hauk nahm die Bauern gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz und erhielt dafür lautstarke Unterstützung, insbesondere von den Junglandwirten.
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Der CDU-Landtagsabgeordnete Winfried Mack versprach in seinem Grußwort den Landwirten, auf europäischer Ebene für den Ersatz jener Mittel zu kämpfen, die durch den Brexit wegfallen. Im Namen seines Kollegen aus dem Bundestag, Roderich Kiesewetter, sagte er hierfür die massive Unterstützung der Bundesregierung zu, deren Koalitionsvertrag entsprechende Klauseln enthält. Ein wichtiges Anliegen seiner Fraktion sei die ärztliche Versorgung, die auf dem Land genauso wie in den Städten sein soll. „Deshalb haben wir uns für ein Landarzt-Stipendium eingesetzt und überlegen uns die Einführung einer Landarztquote“, kündigte Mack an.
Viel zu aufwendige Kontrollen
Sorge bereitet Landrat Klaus Pavel die drohende Gefahr der Afrikanischen Schweinepest aus Osteuropa, die auch die Betriebe im Ostalbkreis gefährdet. Er hofft, dass es gelingt, die Schwarzwildbestände als Risikoquelle zu reduzieren. Pavel bedankte sich bei Agrarminister Hauk, der die rechtlichen Voraussetzungen für die Intensivierung der Schwarzwildjagd geschaffen hat. Kritik übte Pavel an der überbordenden Bürokratie. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Aufwand für Kontrollen viel zu aufwendig und belastend ist. „Deutlich weniger wäre hier mehr“, lautet Pavels Fazit.
Diesen Ball nahm Kreisbauernverbandsvorsitzender Hubert Kucher auf. „Es geht an die Substanz der Familien, wenn sie sehen, was auf die Betriebe zukommt, was sie alles erfüllen müssen und wie sie kontrolliert werden“, klagt Kucher. Im Gegensatz zu Familienbetrieben würden große Betriebe dafür einen Juristen einstellen. Die künftige zentrale Aufgabe der Landwirtschaft sieht Kucher in der Bereitstellung der Grundversorgung und von Energie unter gesellschaftlichen Ansprüchen. „Die Ansprüche sind hoch“, merkte er an. Deshalb sollte bedacht werden, dass die Forderungen der Gesellschaft nur von Landwirten erfüllt werden können, die ihre Hoftore noch nicht geschlossen haben.
Obwohl viele Verbraucher die Arbeit der Bauern schätzen, hat Kucher den Eindruck, dass jeder Profi in Sachen Landwirtschaft ist. Zudem hätten manche Organisationen den Skandal als Geschäftsmodell übernommen. „Immer auf denselben herumzuhacken, mit dem Erreichten nicht zufrieden sein und nach immer neuen Angriffsflächen zu suchen, das ist Mobbing“, beklagte sich der Bauernchef.
Bauern baden den Klimawandel aus
Mit Düngung und Pflanzenschutz gehen die Landwirte verantwortungsvoll um, versicherte Kucher. Baden-Württemberg verfüge zum Beispiel über das beste Wasser im gesamten Bundesgebiet. Umso mehr verwundert es ihn, dass „wir hier dieselben Maßnahmen umsetzen müssen wie jene Bundesländer, deren Wasser hoch belastet ist“. „Nicht unsere Kühe verursachen den Klimawandel, sondern die Mobilität unserer Gesellschaft“, stellte Kucher unter dem Applaus der Kundgebungsbesucher klar. „Wir Bauern dürfen den Klimawandel durch Hagel, Dürre und Spätfröste ausbaden.“
Die Forderungen nach Tierwohl in den Ställen und auf den Weiden und gleichzeitig nach Schutz für den Wolf gehen nicht zusammen. Im Namen aller Weidehalter forderte Kucher Minister Hauk auf, den Wolf zum Abschuss freizugeben, sobald er den Wald verlässt. Das Gleiche gelte für den Biber, der im Ostalbkreis und darüber hinaus Schäden anrichtet und eine Gefahr darstellt.
Einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingspolitik und europäischem Haushalt stellte Landwirtschaftsminister Peter Hauk in seiner Rede her. Nachdem die Briten als Nettozahler die Union verlassen werden, sei klar, dass es „enger wird“. Auch die anderen Länder müssten bereit sein, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen. Diese Bereitschaft sieht Hauk kaum, „wenn wir überall aber nur die nationalen Egoismen pflegen und alles national regeln wollen.“
Die Ferkelkastration drängt derzeit in Deutschland die Landwirtschaft in den Fokus des Interesses. Schmerzausschaltung fordert das Bundesgesetz aus dem Jahr 2013. Weil dies nicht funktionier, setzt sich Hauk dafür ein, das Gesetz zu ändern. Dafür will er auch seine grünen Koalitionspartner gewinnen. „Denn die Ferkelerzeuger werden sonst ihre Betriebe aufgeben. Es bleibt keinem Ferkel ein Schmerz erspart, wenn die Ferkel über weite Transportwege ins Land kommen“, warnt Hauk. „Es müsse doch jedem Tierschützer klar sein, dass nichts besser sondern eher schlimmer wird, falls sich nichts ändert“, empörte sich Hauk.
Eindeutig positionierte er sich zur Ausbreitung des Wolfs: Es ist klar, dass ein Raubtier und Weidegebiete nicht zueinander passen. „Wir müssen diejenigen beschützen, welche die Artenvielfalt erhalten.“ Auch hier hofft Hauk auf ein Einlenken des grünen Koalitionspartners. Denn Wildtiere, wozu der Minister auch den Biber zählt, müssen in einer Kulturlandschaft einem Management unterliegen, zu dem Jagen und Fallenstellen gehören.
Bauern sind nicht an allem schuld
Der Minister pflichtete Kucher beim Grundwasserschutz bei. Hier habe man sich von Puristen zu einer „unseligen Düngeverordnung“ verleiten lassen. Im Unterschied zu Niedersachsen mit 60 Prozent gebe es in Baden-Württemberg gerade mal auf neun Prozent der Fläche Probleme mit dem Grundwasser. Für alle gelte aber dasselbe Regime. Hier darf man sich nicht ständig vorführen lassen, wetterte Hauk. Nirgendwo würden im Gebiet der Landeswasserversorgung im Grundwasser die bedenklichen Nitratwerte überschritten. Dies sei so, weil die Landwirte mit Verantwortung ihr Land bewirtschaften.
Nach den Ursachen suchen
Nicht auf Fake News, sondern auf Fakten reagiert Baden-Württembergs Agrarminister beim Insektensterben. Zuerst sind hier die Ursachen zu finden. Hauk ist felsenfest davon überzeugt, dass diese nicht allein bei der Landwirtschaft zu suchen sind. Denn diese hat in den vergangenen 30 Jahren das Umfeld für Insekten zumindest im Land verbessert und nicht verschlechtert. Deshalb begrüßt Hauk die Initiative des Ostalbkreises zusammen mit dem Bauernverband und der Kreissparkassen-Stiftung, das Blühstreifenprogramm zu intensivieren. Niemand spricht davon, dass der größte Verursacher der Insektenverlust die Lichtverschmutzung ist. „Die haben wir garantiert nicht über dem Ipf“, stellte Hauk lakonisch fest.
Im Zusammenhang mit der prosperierenden Baukonjunktur und immer mehr Ausgleichsflächen, die zur Verfügung gestellt werden sollen, hält Hauk die Überarbeitung der Ökokonto-Verordnung für dringend erforderlich. Als Ausgleich im Naturschutz müssten damit vermehrt auch andere als mit dem Faktor zwei und drei bewertete Flächenmaßnahmen zum Zug kommen. Um den Flächendruck von der Landwirtschaft zu nehmen, ermunterte der Minister die Kommunen, in Gewerbe- und Wohngebieten mehrstöckiges Bauen zu ermöglichen. In diesem Sinne sollen alte Bausatzungen überarbeitet werden.



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