Mehr Mut für Veränderungen
Die Zukunft gestalten und mit Veränderungen aktiv umgehen: das wollen der Kreisbauernverband Tettnang und der Maschinenring (MR) Tettnang gleichermaßen, wie auf den Mitgliederversammlungen der beiden Vereine am Dienstag diese Woche in Laimnau deutlich wurde. Sowohl beim Kreisbauernverband als auch beim MR will man die Herausforderungen annehmen.
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„Auf Veränderungen zu warten, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten“, meinte der KBV-Vorsitzende Dieter Mainberger nach der Begrüßung der zahlreichen Mitglieder und Gäste. In Anlehnung an diesen weisen Satz von Albert Einstein werde deutlich, wie hoch der Anpassungsdruck auf die Betriebe ist, angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen unter der Pandemie, Inflation, Ukrainekrieg und dem Klimawandel. Auch auf den Agrarmärkten läuft es nicht rund. Die Gefahr, dass die Betriebe Zahlungsschwierigkeiten bekommen steigt. Dennoch sollte man jetzt erst recht den Mut nicht verlieren. „Es gab schon immer Zeiten, die schwieriger waren“, meinte Mainberger, der selbst schon viele Jahre im Agrarbusiness tätig ist.
Positiv nach vorne schauen
Als Mutmacher waren im Grunde alle Vorträge auf der Versammlung zu verstehen. Allen voran der Unterhaltungsvortrag von Mick Nitschke stand unter der Überschrift: „Pessimisten küsst man nicht“. Auch in dem von Ortsobfrau Birgit Locher, Oberteuringen, vorgestellten Projekt „Zukunftsbauer“ des Deutschen Bauernverbandes wird positiv nach vorne geschaut. Kreisbäuerin Antonie Gierer berichtete von den vielfältigen Aktivitäten in der Verbandsarbeit. Der Landesvorsitzende der Maschinenringe, Christian Wittlinger, freute sich über die gemeinsame Mitgliederversammlung von KBV und MR. In seinem Grußwort hob er einerseits die Aktivitäten des Rings am See hervor, andererseits betonte der den Schulterschluss mit dem Bauernverband, beispielsweise mit den gemeinsamen Kandidaten für die Sozialwahlen oder bei den gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung der Verrechnungssätze.
Image verbessern
„Wir müssen an unserem Image arbeiten, um für unsere Hofnachfolger attraktiv zu sein“, so Mainberger. Aber auch den Verbrauchern müssten die Landwirtschaft besser nähergebracht werden. „Da müssen wir selbst aktiv werden“, forderte Mainberger. Hier bietet sich zum Beispiel das Projekt „Schule auf dem Bauernhof“ an, welches Teresa Knill von der Geschäftsstelle KBV Allgäu-Oberschwaben vorstellte. Mainberger betonte, dass der Bauernverband über seine Referenten die Mitglieder und auch die Politik und die Verwaltung bei den wichtigen Themen wie Steuer, Agrarrecht, Soziales, dem Pflanzenschutz informiert und berät.
Ausbau der Erneuerbaren wird nicht einfach
Im Bodenseegebiet gehe es gerade um die Fortschreibung des Regionalplans Energie. Dabei würde versucht, den Landwirten die erneuerbare Energie schmackhaft zu machen. Doch sobald die Landwirte investieren wollen, fangen die Probleme an. Genehmigungen, Gutachten, Schutzgebiete, fehlende Infrastruktur und vieles mehr. Der Bauernverband ist hier beratend aktiv. „Ein Zuerwerb durch Stromerzeugung würde vielen Betrieben helfen“, sagt Mainberger. Dabei stünde die Agri-PV für die Sonderkulturbetriebe am See derzeit besonders im Fokus. „Die Wertschöpfung muss beim Landwirt bleiben“, meinte Mainberger.
Debatte um Pflanzenschutzmittel
Reizthema Nummer eins im Jahr 2022 war das von der EU geplante Pflanzenschutzmittelverbot in den sensiblen Gebieten, was in der Obstregion eine „Vollkatastrophe“ bedeutet hätte. Entsprechend der Brisanz des Themas haben die Bauern alles darangesetzt, dies abzuwenden, indem sie auf den verschiedensten Ebenen ihre Position deutlich gemacht haben. Voraussichtlich nicht ohne Erfolg. „Wie es derzeit aussieht, wird das Verbot nicht so kommen, wie ursprünglich angedacht“, so Mainberger.
BOTT wird dieses Jahr ausgesetzt
Der MR-Vorsitzende Hubert Bernhard berichtete über die Modernisierungsmaßnahmen im Haus der Landwirtschaft, und über die erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Bodenseebauern. Im Zuge der Baumaßnahmen auf der Geschäftsstelle wurden auch die EDV-Systeme auf den neuesten Stand gebracht. Rechnungen zum Beispiel werden nun elektronisch verschickt. Über das Portal „Bodenseebauern“ würden mittlerweile viele Menschen erreicht. Der SWR-Beitrag zur Betriebshilfe, der vor Ort gedreht wurde, war offenkundig bundesweit ein Erfolg. Hubert Bernhard und auch der MR-Geschäftsführer Hubert Hengge betonten, dass die Öffentlichkeitsarbeit kein Selbstzweck, sondern in erster Linie Selbsthilfe ist und damit auch gut in das Geschäftsmodell des Rings als Selbsthilfeorganisation passt. Der für dieses Jahr vorgesehene Bodenseetechniktag (BOTT) wird ausgesetzt und auf das Jahr 2025 verschoben, berichtete Bernhard. Ihm zufolge liegt die Anzahl der gemeldeten Aussteller weit hinter den Erwartungen zurück und angesichts der schwierigen Marktlage falle die Innovationskraft in neue Obstbautechnik nach Einschätzung der Firmen derzeit wohl eher bescheiden aus.
Zuversicht für Agri-PV ist groß
Bei Agri-PV ist Bernhard optimistisch. Bei der Anlage auf seinem Betrieb handelt es sich um eine Pilotanlage, gefördert vom MLR und begleitet vom Fraunhofer-Institut. „Aktuell kann ich von den bisher gewonnen Erkenntnissen nur positiv berichten“, freute sich Bernhard. Gleichwohl würden jedoch noch keine langfristigen Erfahrungswerte vorliegen. Die Agri-PV-Anlagen hätten noch keinen privilegierten Status. Beim Genehmigungsverfahren werde immer noch ein Bebauungsplan vorausgesetzt, was den Ausbau deutlich erschwere und ausbremse. Um das Potenzial für Agri-PV besser einschätzen zu können, hat der MR im Rahmen einer Bachelorarbeit von Leander Hengge eine Marktanalyse (Umfrage) dazu gestartet. Dass die Wertschöpfung bei der Fotovoltaik unbedingt in der Landwirtschaft bleiben muss, hob auch Hubert Bernhard deutlich hervor: „Ziel ist, dass der Landwirt selbst profitieren kann und nicht der Investor.“ Dachanlagen habe man in der Vergangenheit schon sehr viele erfolgreich installieren können, bei der Umsetzung stehe der Ring den Betrieben mit Rat und Tat zur Seite. „Wir unterstützen unsere Mitglieder beim Einstieg in ein neues Geschäftsfeld“, so Bernhard.
Blick auf die Arbeit im Maschinenring
Den Kassenbericht stellte Geschäftsführer Hubert Hengge vor, wobei die Ergebnisse wegen einer noch laufenden Prüfung nur vorläufig vorliegen. Umsatz und Gewinn sind 2022 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. Wegen Preiserhöhungen beim Diesel mussten die Verrechnungssätze angepasst werden. Laut Hengge ist die Energiekrise noch nicht vorbei, auch wenn des derzeit beim Diesel- und Heizöleinkauf wieder normal läuft. Das Preisniveau sei zwar wieder gefallen, aber längst nicht mehr auf dem früheren Niveau. Im nächsten Winter könnte es durchaus wieder eng werden.
Gute Auslastung bei den Geräten
Bewährt habe sich das MR-Entlaubungsgerät, das 360 Stunden im Einsatz war. Beim neuen Fadengerät waren es 50 Einsatzstunden. Hier gebe es noch Potenzial nach oben. Seit vielen Jahren schon im MR-Einsatz ist ein vertikaler Prüfstand, mit dem die Funktion eines Raumsprühgerätes ausgewertet wird (150 bis 200 Prüfungen). Nachdem der Pflanzenschutz immer schwieriger wird, werde so eine Prüfung umso wichtiger, denn nicht alle Geräte seien optimal eingestellt. Bei der Betriebshilfe gab es mit 5087 Einsatzstunden einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr, derzeit sind es zwei, ab Juli hoffentlich drei Mitarbeiter, die in diesem Bereich arbeiten.
Neue Mitarbeiter dringend gesucht
Bei der Nachwuchssuche ist man bundesweit dran, was jedoch alles andere als einfach sei. Wobei der MR-Tettnang sich in dieser Sache dank des Engagements der Bodenseebauern schon einiges bewegt hat. „Das Positive ist das, was die Bodenseebauern ausmacht“, lobte Hengge. Bei der MR-Haushaltshilfe mit rund 3600 Einsatzstunden sind vier Personen beschäftigt. Ein großer Bereich sind die Saisonarbeitskräfte. Hier kamen neue Mandanten hinzu und es wurden auch Lohnbuchhaltungsseminare für die Mitglieder abgehalten, damit sich diese um auf dem Laufenden halten können. „Das Vermitteln von Saison-AK mussten wir leider einstellen“, so Hengge. Hier waren die Schwierigkeiten zu groß, um dies weiter wirtschaftlich anbieten zu können.
Abschlüsse von Stromverträgen wieder möglich
Beim Stromkauf und -verkauf über die Landenergie konnten im vergangenen Jahr angesichts des schwierigen Marktes keine Verträge mehr neu abgeschlossen werden. Aktuell gibt es ein Kontingent über 10 GwH, um wieder Verträge anbieten zu können, allerdings zu bei einem Preisniveau rund 50 Prozent höher als vor der Krise. Für Altanlagen, die aus der EEG-Förderung fallen, macht der MR über die Landenergie Angebote, damit die Betriebe ihren Strom weiter verkaufen können, versprach Hengge.
Erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit
Stolz ist der Maschinenring-Geschäftsführer auf das Internetportal „Bodenseebauern“ https://www.bodensee-bauern.de/. „Wir tun etwas, wir jammern nicht nur“, so Hengge. Auf dem Portal stellen sich Familien mit ihren Betrieben vor und verbreiten ein positives Bild über Landwirtschaft. Mit dabei auch die Tettnanger Landjugend. Neuerdings sind Auftritte im Ravensburger Spieleland geplant. Der gesamte Verrechnungswert des MR Tettnang beläuft sich im Jahr 2022 auf fast 17,9 Millionen Euro – von der Maschinenvermittlung, über die Betriebs- und Haushaltshilfe, der Bauhilfe, Arbeitnehmerüberlassung, Winterdienst und Grünpflege bis zu den Vermittlungsgeschäften und Stromvermarktung.
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