Nicht üppig aber qualitativ gut
Im Rahmen seiner Herbstpressekonferenz wagte der Weinbauverband Württemberg am 5. September eine erste Prognose zum Weinherbst 2024. Mit dabei war auch wieder Weinbauminister Peter Hauk, der sich im Weingut Erich Hirth in Obersulm-Willsbach einen persönlichen Eindruck vom Reifefortschritt der Reben verschaffte.
von Regina Klein erschienen am 09.09.2024Von einem relativ frühen Lesestart wurde die Branche auch in diesem Jahr mehr oder weniger überrascht. Und so kam es, dass die alljährliche Herbstpressekonferenz des Weinbauverbandes Württemberg den gastgebenden Betrieb, das Weingut Erich Hirth in Obersulm-Willsbach, zu einer kleinen Erntepause zwang, um die Journalistinnen und Journalisten in ihrem Weingut zu begrüßen.
Seit dem Tod von Hermann Hohl im Frühjahr 2024 teilen sich die beiden Vizepräsidenten Bernhard Idler und Peter Albrecht die operativen Aufgaben des Präsidiums im Weinbauverband. So waren es auch die beiden, die einen Ausblick auf den Jahrgang 2024 sowie Einblicke in den aktuellen Weinbau gaben.
Ein anspruchsvolles Jahr
Idler sprach von einem anspruchsvollen Vegetationsjahr, das hauptsächlich durch die Auswirkungen des Spätfrostes im Frühjahr geprägt war. Mit ausreichend Niederschlägen und einer guten Witterung startete das Weinbaujahr zunächst vielversprechend, allerdings auch mit einem frühen Austrieb bereits Anfang April. Damit war für das Frostereignis Mitte April genügend Angriffsfläche in den Weinbergen vorhanden.
Entsprechend massiv fielen die Schäden, je nach Region, recht unterschiedlich und oftmals auch nur kleinräumig aus. Besonders betroffen waren unter anderem das Taubertal, Löwenstein, das Enztal (Roßwag) sowie der Stromberg (Freudenstein). Lokal kamen zum Teil noch schwere Hagelschäden hinzu, sodass mit einer um circa 25 % verminderten Ernte im Vergleich zum Vorjahr gerechnet wird. In Zahlen geht Bernhard Idler von rund 62 Millionen Litern Wein des Jahrgangs 2024 aus.
Der ausgehende August bis in den September hinein zeigte ideales Reifewetter. Die Mostgewichte haben sich bislang ordentlich entwickelt. Frühe Sorten starteten am 9. September in die Hauptlese. Solaris für neuen Wein wurde bereits am 19. August mit über 100 °Oe in Württemberg gelesen. Wo es Ertrag gibt, ist meist auch mit einer guten Qualität zu rechen. Die meisten Anlagen zeigen sich trotz der schwierigen Verhältnisse in diesem Jahr in einem relativ gesunden Zustand.
Mehr Piwis für Württemberg
Dass diese schwierigen Verhältnisse dem voranschreitenden Klimawandel geschuldet sind, darauf machte Peter Albrecht aufmerksam. Winzer müssten sich unweigerlich mit entsprechenden Anpassungsstrategien beschäftigen. Dazu zählt unter anderem auch der Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (Piwis). „Jeder Betrieb macht derzeit seine ersten Versuche und sammelt Erfahrungen mit diesen Sorten“, zeigte er die Offenheit der Winzer gegenüber den neuen Rebsorten.
In seinen Augen gibt es mittlerweile gerade im Weißweinbereich viele qualitativ gute Rebsorten, die mit klassischen Rebsorten mithalten können. Die Rotweine hinkten jedoch noch etwas hinterher, gab er zu bedenken. Diese würden meist zu früh reif, was aber den damaligen Zuchtzielen entspricht. Immerhin gehen viele Jahre ins Land, bis eine Sorte ihre Marktreife erreicht. In diesem Fall war der Klimawandel schneller und so verlangt die Branche mittlerweile mehr spätreifende Rotweinsorten, die sich in das Lesefenster von Spätburgunder und Lemberger einreihen.
Vorteile der Piwis sieht Albrecht unter anderem in einem etwas entspannteren Pflanzenschutz. Gerade in Jahren wie diesen, wo aufgrund von Niederschlägen Anlangen häufig nicht oder nur schwer befahrbar waren, können Pflanzenschutzarbeiten um ein paar Tage aufgeschoben werden. Politisch ist eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowieso weiterhin gewünscht. Auch in den arbeitsaufwendigen Steillagen sieht der Vizepräsident des Weinbauverbandes eine große Chance für den Piwi-Anbau.
Problematisch sei jedoch weiterhin die Vermarktung rebsortenreiner Weine, da in Deutschland noch immer häufig nach bekannten Namen gekauft werde. In Frankreich hingegen werden weniger Weine nach Rebsorten vermarktet. Daher ist der An- und Ausbau von Piwi-Sorten dort bereits weiter fortgeschritten. So kommt es, dass in Deutschland gezüchtete neue Sorten reißenden Absatz finden, meist jedoch ins Nachbarland Frankreich.
Dr. Hermann Morast, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg, verwies ergänzend auf die kürzlich durchgeführte Piwi-Sonderverkostung im Rahmen der Landesweinprämierung (LWP), die eine erfolgreiche Premiere feierte. Bei rund jeder 20. angestellten Flasche der LWP handelte es sich um einen Piwi-Wein.
Den Nahtourismus fördern
Weinbauminister Peter Hauk war traditionell ebenfalls wieder Gast auf der Pressekonferenz. In den Weinbergen der Familie Hirth überzeugte er sich zunächst von der Qualität des Lesegutes, bevor er anschließend im Weingut einige weinbaupolitische Themen anschnitt.
Vorrangig war es ihm dabei ein Anliegen auf den Klimawandel und dessen Folgen sowie mögliche Lösungen hinzuweisen. Das Problem sei, dass unser Verhalten vor 20 Jahren heute klimawirksam werde und entsprechend unser Verhalten heute, erst in 20 Jahren. Das bedeute, dass es, selbst wenn wir heute größte Anstrengungen unternehmen würden, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, erst einmal weiter schlechter werde, bevor sich eventuelle Verbesserungen einstellten, so der Minister.
Entsprechend müssten Vorkehrungen für die Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden. Dazu zählten beispielsweise Regenrückhaltebecken. Auch machte Hauk darauf aufmerksam, dass die Landwirtschaft nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung des Klimawandels sei.
Beim Blick auf das aktuelle Marktgeschehen wies er auf den weiter rückläufigen Weinkonsum in Deutschland hin. Hier gelte es neue Absatznischen zu finden und zu bespielen. Für einen Teil der Branche könnte die Produktion von entalkoholisierten Getränken eine Möglichkeit der Diversifizierung darstellen. Auch der Export unserer heimischen Weine können noch weiter forciert werden, so sein Appell an die Branche.
Sorgen macht sich der Minister zudem um die zunehmende Stilllegung von Rebflächen im Land. Im Zuge von Projekten soll nun geprüft werden, ob sich dieser Strukturwandel proaktiv steuern lässt, sodass Gemeinden zumindest Einfluss darauf nehmen können, welche Flächen in eine Brache übergehen. Ziel sei es, wirtschaftlich tragfähige Rebflächen durch zunehmende, unkontrollierte Brachen nicht zu gefährden. Auch der Erhalt eines einheitlichen Kulturlandschaftsbildes sei wichtig.
Dieses Kulturlandschaftsbild ist auch Teil der Tourismusdestination Baden-Württemberg. Wobei Hauk einschränkte, dass das Unterland vermutlich nie eine ähnliche Anziehungskraft erreichen würde, wie beispielsweise der Schwarzwald. Hier gehe es eher um den Tourismus für die eigene Bevölkerung vor Ort. Auch hier soll im Rahmen von Modellregionen ein entsprechendes Konzept erarbeitet werden, wie der Weinbau als Naherholung und Nahtourismus genutzt werden könne. Besonders die jüngere Generation möchte der Minister wieder mehr für den heimischen Wein begeistern. „Allerdings möchte ich niemanden zum Alkohol drängen. Auch die jungen Leute müssen lernen, dass man aufhören muss, wenns am schönsten ist“, griff Hauk zum Abschluss möglicher Kritik an seiner Aussage vor.
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