Offene Baustellen zuhauf
Mindestlohn, Engpässe beim Pflanzenschutz, digitale Aufzeichnungspflicht der Mittelanwendung, verzerrende Darstellung des Obstbaus in den Medien, angespannte Marktlage – die Liste der offenen Baustellen im Obstbau ist lang. Verbesserungen für die Obstbaupraxis zu erreichen, ist Ziel des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO) in Baden-Württemberg, der in Stuttgart seine Mitgliederversammlung abhielt.
von Brigitte Werner-Gnann Quelle LVEO erschienen am 04.11.2025Gute Kontakte zu Politikern und Medien sind wichtiger denn je, unterstrich Hubert Bernhard in seiner ersten Versammlung als LVEO-Präsident. Dabei verwies er auf Treffen mit Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie auf Begegnungen mit Vertretern von Bundesbehörden und Ministerien, um Gehör für die Schwierigkeiten der Branche zu finden. Netzwerken sei heute oberstes Gebot. Dabei habe es sich als hilfreich erwiesen, die Probleme vor Ort in den Obstanlagen zu diskutieren.
Angespannter Obstmarkt
Aber auch Entwicklungen am Obstmarkt beschäftigen den berufsständischen Verband. Nach einer guten Vermarktungskampagne im Vorjahr wachse der Druck am Markt und das, obwohl die europäische Ernte nicht wesentlich höher sei. Insbesondere die Importe aus Italien machten derzeit neben innerdeutschen Problemen zu schaffen. „Die Mengen müssen besser kanalisiert werden, was noch ein hartes Stück Arbeit wird“, meinte Bernhard.
Einen Teilerfolg durch den intensiven Einsatz des Berufsstandes, ausgehend von Baden-Württemberg, vermeldete Bernhard beim Pflanzenschutzmittel Captan. Nachdem das Mittel wegen Datenlücken zur Bienenschutzprüfung plötzlich als bienengefährlich eingestuft wurde, konnte durch Gespräche auf Bundesebene eine Verbesserung erreicht werden. Die Auflagen zur Ausbringtechnik allerdings blieben bestehen. Hier will sich der LVEO für weitere Erleichterungen einsetzen.
Ausnahmeregelung weiter angestrebt
Unzählige Gespräche habe es in der Debatte um den Mindestlohn gegeben, bei der dieses Mal wenigstens der Schulterschluss aller betroffenen Verbände gelungen sei. Selbst bis zum Bundeskanzler sei das Thema vorgedrungen. Trotz der Verabschiedung der Erhöhung durch das Bundeskabinett versuche der LVEO mit der Bundesfachgruppe Obstbauweiter eine Ausnahmeregelung für Saisonarbeitskräfte zu erreichen. Unsäglich sind für den LVEO-Präsidenten die jährlich wiederkehrenden Presseberichte, die Obstbauern wegen eines unfairen Umgangs mit den Erntehelfern an den Pranger stellen. Auch hier gelte es mit Überzeugungsarbeit dagegen anzugehen.
Als jüngstes Beispiel einer verzerrenden und falschen Darstellung des Obstbaus nannte Bernhard den Tatort „Letzte Ernte“. Nach reiflicher Überlegung habe sich die Bundesfachgruppe zu einer Stellungnahme entschieden. „Wir können was bewegen, auch wenn es verdammt schwer ist“, meinte er mit dem Verweis auf eine Reaktion aus dem NDR-Rundfunkrat.
Ansätze für die Unterstützung der Betriebe
Neben einer Ausnahmeregelung beim Mindestlohn listete Bernhard Maßnahmen zur Unterstützung des Obstbaus auf. Dazu zählte er mehr Rechtssicherheit bei der sozialversicherungsfreien Beschäftigung durch Streichung der fehlenden Berufsmäßigkeit sowie eine unbürokratische Drittstaatenregelung für die Anwerbung von Erntehelfern. Mit einer flächenbezogenen Prämie in der neuen GAP in Höhe von 1500 Euro/ha könnten Biodiversitätsleistungen honoriert werden. Ferner könnte eine Förderung der Umstellung auf widerstandsfähige Apfelsorten den Pflanzenschutzaufwand reduzieren und über eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage ließen sich Ernteausfälle in Jahren mit Extremwetter ausgleichen.
Um den tatsächlichen Pflanzenschutzmitteleinsatz zu erfassen, werden über ein Netz von Erhebungsbetrieben anonymisierte Daten erfasst (PAPA-Erhebung). Wie LVEO-Geschäftsführerin Kathrin Walter informierte, werden für Baden-Württemberg dringend weitere Kernobstbetriebe gesucht. Ähnliches gilt für das Projekt Neptun bei Erdbeeren.
Höhere Kosten, mehr Mittel für die Bundesfachgruppe und steigende Gebühren für die Einzelfallgenehmigung von Pflanzenschutzmittel nannte Walter als Grund für eine notwendige Beitragserhöhung. Nach ausführlicher Diskussion beschloss die Versammlung bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme den Grundbeitrag auf 50 Euro und den Flächenbeitrag auf elf Euro pro Hektar zu erhöhen.
Mehrgefahrenversicherung erweitert
Auf breite Akzeptanz ist bislang das Förderprogramm zur Mehrgefahrenversicherung gestoßen, das im nächsten Jahr um Hagel und Hopfen erweitert wird, wie Steffen Mark vom MLR Stuttgart berichtete. Vorgabe für die künftig EU-kofinanzierte Förderung ist nun, dass pro Kultur mindestens zwei förderfähige Risiken versichert werden. Eine Kontrolle erfolgt nur noch stichprobenhaft bei rund fünf Prozent der Betriebe. Zur Agri-PV berichtete Mark, dass die bislang gültigen DIN-Vornormen weiterentwickelt werden sollen. Durch die Novelle der Landesbauordnung sei zwar die Agri-PV-Installation einer Anlage ohne Baugenehmigung möglich, doch die Prüfung der Privilegierung sei nicht so einfach. Zudem fehle damit der manchmal geforderte Baubescheid. Über den Vortrag von Manuel Geiser zum Pflanzenschutz berichten wir in einer der nächsten Ausgaben.

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