Neuerungen beim Bau- und Umweltrecht
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Neue Milchviehställe, größere Schweine- und Sauenställe: Bauen in Baden-Württemberg wird für viele Tierhalter zu einem Spießrutenlauf. „Wir bekommen immer mehr Umwelt rein ins Baurecht. Doch über das Baurecht darf keine Agrarstrukturpolitik gemacht werden“, meinte Michael Schulz, Umwelt- und Kommunalreferent beim Landesbauernverband (LBV). Wasserrecht, Baurecht, Tierschutz, Veterinärrecht.... Jeder hat seine Interessen im Fokus und je nach Gemeinde und Standort gibt es große Unterschiede bei der Umsetzung der Bauvorhaben. Auf Bundesebene fordert man im Bundesministerium für Umwelt und Bauen (BMUB) strengere Auflagen für Anlagen der Tierhaltung. Neben Änderungen in der Technischen Anleitung (TA-Luft) sind Anpassungen beim Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) in der Planung.
Baurechtänderungen seit 2013
Karsten Kühlbach, Teamleiter Tierhaltung, Standortentwicklung und Immissionsschutz beim KTBL in Darmstadt, erinnerte an Änderungen im Baurecht für Stallbauprojekte seit 2013. Viele Gemeinden, vor allem in intensiven Veredlungsregionen in Norddeutschland, sahen sich in ihrer Flächenplanung behindert. Daraufhin wurde die baurechtliche Außenbereichsprivilegierung für gewerbliche Stallbauprojekte gekippt und das danach geänderte Baurecht gilt nun für ganz Deutschland. Seitdem jedenfalls sind gewerbliche Tierhaltungsanlagen nur noch gemäß Paragraf 35 Abs. 1, Nr. 4 BauGB im Außenbereich zulässig.
Bestehende Spielräume nutzen
Am klassischen landwirtschaftlichen Bauen mit Privilegierung im Außenbereich wurde nicht gerüttelt. Es wird auch zu über 90 Prozent in Baden-Württemberg bei neuen Stallbauanfragen angewandt (solange die je nach Tierart festgelegten Obergrenzen nicht überschritten werden). Verschärft hat sich allerdings die Beurteilung der Kriterien. Geprüft wird jeder Einzelfall. Und da gibt es durchaus Interpretationsspielräume für die Genehmigungsbehörden, wenn es um die Frage geht, ob die Tierhaltung als gewerblich oder eher als landwirtschaftlich eingestuft werden soll. Kühlbach rät dazu, diese Spielräume für sich zu nutzen, gerade bei der Nachrüstung der Ställe und bei Umbaumaßnahmen. Wer zu den bestehenden Ställen, weitere Ställe dazu baut, bekommt in in der Regel keine Probleme. In punkto Umweltrecht (UVP-Recht) aber durchaus. Die Fachleute sprechen hier von einer kumulierenden Wirkung.
Begriff Landwirtschaft neu ausgelegt
Der Begriff der „Landwirtschaft“ werde von der Politik genauer beleuchtet, so Kühlbach. Bislang zum Beispiel verlangt der Gesetzgeber keinen Nachweis für die tatsächliche Verwendung des erzeugten Futters im Betrieb. „Über den abstrakten Futterflächenbegriff gibt es zunehmend Uneinigkeit“, so Kühlbach. Und: „Wenn ich Mastschweine halte, kann ich dafür nicht meine Weinberge als Fläche heranziehen“, so Kühlbach. Um Flächen für die Baumaßnahmen anrechnen zu können, spielt die Laufzeit der Pachtverträge eine wichtige Rolle, ebenso die Entfernung der Felder vom Betrieb. Zur Beurteilung, so die Rechtsprechung, muss man sich den Betrieb insgesamt anschauen.
Klare Abgrenzung weiter wichtig
Wer mehrere Betriebe bewirtschaftet, bei dem wurde in der Vergangenheit die strikte Trennung einzelner Betriebe zur Abgrenzung zwischen bau- und immissionsschutzrechtlichen Verfahren meist gut akzeptiert. Künftig jedoch könnte es hier Verschärfungen geben. „Der Gesetzgeber hat dies im Auge“, warnte Kühlbach.
Bebauungsplan und Gemeinderat
Was passiert, wenn ein Landwirt bauen möchte, ohne baurechtliche Privilegierung? Dann, so Kühlbach, muss ein Bebauungsplan erstellt werden. Der Landwirt braucht eine Mehrheit im Gemeinderat – die Bürger können mitentscheiden. Für 2017 steht eine Novellierung des Baugesetzes und der UVP an. Es gibt eine EU-Änderungsrichtline, die man umsetzen muss. Nicht betroffen davon sind die Schwellenwerte und die Vorprüfungspflicht. „Die sind gesetzt“, so Kühlbach. Die Gesundheitsrisiken jedoch könnten neu unter die Lupe genommen werden. Kühlbach kann sich gut vorstellen, dass man die Gruppe der besonders empfindlichen Menschen als Maßstab für die Beurteilung der Gesundheitsempfehlung heranziehen könnte. Dann würden die zulässigen Höchstgrenzen zum Beispiel für Bioaerosole deutlich herabgesetzt. Im Gespräch ist auch, dass Behörden künftig noch ausführlicher als bisher begründen müssen, warum sie keine Umweltverträglichkeitsprüfung machen. Das bedeutet, dass der Landwirt in der Vorprüfungsphase für eine maximale Informationsbeschaffung bereitstehen muss. „Der Investor muss liefern und das kostet“, so Kühlbach.
Im Sommer 2015 hat man laut Kühlbach mit dem Novellierungsverfahren der TA-Luft begonnen, ein Verfahren, das Mitte 2017 abgeschlossen sein soll. Die TA-Luft ist die maßgebliche Vorschrift, in der bundeseinheitliche Anforderungen zur Luftreinhaltung und den Betrieb von Anlagen gestellt werden. Betroffen sind auch baurechtlich zu genehmigende Anlagen. Anlass zur Neufassung der Tierhaltung sind insbesondere dass Nichteinhalten der NEC-Richtlinie zur Ammoniakminderung und die Umsetzung „bester verfügbarer Technik“ (BVT) nach EU-Richtlinien.
Sind die Freiluftställe umweltfreundlich?
Mit Blick auf die TA-Luft werden aktuell gerade auch Haltungsverfahren in Augenschein genommen, die tiergerechter sind, wie zum Beispiel die Freilandhaltung bei Schweinen. Diese Haltungen aber dürften höhere Emissionen verursachen. Wie sind diese freigelüfteten Systeme zu bewerten? Kann man sie an bestimmten Standorten überhaupt genehmigen? Und wie viele Emissionen gehen tatsächlich raus in die Umwelt? Beim KTBL werden solche Haltungssysteme derzeit getestet und Daten erhoben, so Kühlbach.
Auf der einen Seite tiergerechtere Ställe, auf der anderen Seite Probleme mit der Umluft? „Hier hat es der Gesetzgeber nicht geschafft, Widersprüche zwischen den Fachrechten zu regeln“, findet Michael Schulz. Im Nachhinein muss „nachgeschustert“ werden. Damit das weniger passiert, fordert Schulz von Beginn an eine fachübergreifende Koordination für neue Bauvorhaben, bei der die Interessen der Landwirtschaft bestmöglich gewahrt bleiben.
KTBL-Forderungen
- Sicherstellung des Privilegierungszwecks „Landwirtschaft“ für den Fall, dass langfristige Pachtverträge nicht nachgewiesen werden können.
- Transparente und standardisierte Berechnung der für eine Privilegierung notwendigen „überwiegend eigenen Futtergrundlage“.
- Der Begriff der erheblichen baulichen Änderung ist mit Blick auf die Anforderungen des Umwelt- und Tierschutzes im Wege eines bundeseinheitlichen Erlasses zu konkretisieren.
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