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Genießerhof in Dietingen

Schlemmen im Stall

Petra Schittenhelm aus Dietingen nahm 2009 am Förderprogramm „Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Raum“ (IMF) teil. Entstanden ist der Genießerhof. Wir haben zu einem kurzen Besuch vorbeigeschaut.

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Jörg und Petra Schittenhelm in ihrem Hofladen
Jörg und Petra Schittenhelm in ihrem HofladenSteinhauer
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Eine Katze huscht über den geschotterten Parkplatz zum nächstgelegenen Holzstapel, sucht Unterschlupf. Das Wetter ist nicht sehr einladend, dichte Wolken überdecken die wenigen Wintersonnenstrahlen. Ich gehe durch die Eingangstür, vorbei an frühlingshaften Blumen- und Gartenarrangements ins Innere des Gebäudes. Die wohlige Wärme des Holzofens erfasst mich. „Herzlich willkommen in unserem Genießerhof“, begrüßen mich die Chefin Petra Schittenhelm und ihr Mann Jörg.
Gemeinsam mit ihrer Schwester, Floristmeisterin Brigitte Höfler, hat Petra Schittenhelm aus Dietingen (Kreis Rottweil) 2007 angefangen, den Genießerhof in der alten Hofstelle im Ort zu planen. Der landwirtschaftliche Betrieb war bereits an den Ortsrand ausgesiedelt, das Gebäude wurde nicht mehr genutzt. Dann haben wir uns eben etwas anderes überlegt, was wir mit dem Althof anfangen können“, beschreibt die Landwirtschaftsmeisterin die Ausgangssituation. Auch spielte in ihren Entschluss mit rein, dass die Schittenhelms mit der Landwirtschaft, so wie sie Mitte der Nullerjahre existierte, nicht in der Zukunft weitermachen wollten.

Den Gästen zeigen, wie Landwirtschaft geht

Der konventionelle Schweinezucht- und -mastbetrieb mit Ackerbau war zwar stetig weiter gewachsen, aber das ständige „immer größer und immer mehr“ entsprach nicht mehr Schittenhelms Vorstellungen von landwirtschaftlicher Erzeugung. Die Wirtschaftsweise pendelte sich irgendwo zwischen konventionell und ökologisch ein. Rinderzucht- und -mast kam hinzu. Seit Juli 2015 ist der Hof in der zweijährigen Umstellungsphase zur Naturland-Zertifizierung. Für ihren Sohn Frank ist die Öko-Zertifizierung eine gute Grundlage, den Hof später einmal zu übernehmen und weiterführen zu können. Er tritt in die Fußstapfen seiner Mutter und ist momentan dabei, seinen Landwirtschaftsmeister zu machen.
Im Genießerhof geht die Tür auf, Kunden treten ein. Jörg Schittenhelm steht auf und kümmert sich um sie. Sie schütteln sich die Hände, sie lachen und nehmen an einem der Tische Platz. „Die meisten unserer Besucher sind Stammkunden, die schon seit vielen Jahren kommen. Manche aus der näheren Umgebung, viele aus ganz Baden-Württemberg“, erklärt er, als er sich wieder zu uns an den Tisch am Ende des Gastraums setzt. Der direkte Kundenkontakt ist Familie Schittenhelm sehr wichtig. „Wir wollen den Verbrauchern zeigen, wo landwirtschaftliche Produkte herkommen und wie sie entstehen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt bei unserer Arbeit. Wir möchten sie aufklären, wie Landwirtschaft heutzutage funktioniert, was unsere Tiere fressen und wie sie gehalten werden. Deswegen bieten wir für Gruppen auch Hofführungen auf unserem Betrieb an.“ Powerfrau Petra Schittenhelm wird energischer und man merkt ihr an, dass das Thema ihr ein wirkliches Anliegen bei ihrer täglichen Arbeit in beiden Betrieben ist.
Der Landwirtschaftsbetrieb Schittenhelm war in Umbruchstimmung, auch Brigitte Höfler wollte sich beruflich neu orientieren. Die Schwester informierte sich bei der amtlichen Beratung in Stuttgart und wurde so auf das Förderprogramm IMF aufmerksam. Die Schwestern erstellten Konzepte, rechneten die Baukosten rauf und runter und stimmten sich mit ihren Familien ab. Für Petra Schittenhelm war schnell klar, dass sie für ihr Vorhaben keinen landwirtschaftlichen Berater möchte: „Sie haben für mich oft einen zu engen Blickwinkel, ich wollte immer jemanden aus der freien Wirtschaft.“ So wandten sich die beiden Jungunternehmerinnen an die selbstständige Unternehmensberaterin Susanne Kaufmann aus Efringen-Kirchen. Sie gründeten eine GbR und modelten den Schweine- und Kuhstall in ihren Gastraum um. Am 8. Mai 2009 eröffnete der Genießerhof mit ihrem Konzept: Petra Schittenhelm arbeitet in Vollzeit, Brigitte Höfler kommt am Wochenende, nach Bedarf helfen zwei 450-Euro-Kräfte. Zum Essen sollte es ausschließlich Vesper und Kaffee und Kuchen  geben, Sitzplätze und Küche waren für 35 Gäste ausgelegt. Zielgruppe: Ausflügler, die mit Busgesellschaften anreisen.

„Am Anfang wurden wir von unserem Umfeld sehr belächelt.“  

Die Dietinger waren anfangs nicht sehr überzeugt von Schittenhelms zweitem Standbein: „Es war eine recht herbe Zeit für uns. Dass wir es mit dem Genießerhof schaffen, wurde uns nicht von jedem zugetraut. Es war eben etwas Neues, Ungewöhnliches hier im Ort“, erinnert sich die 46-Jährige an die Anfangszeit zurück.  
Die ursprüngliche Idee war zwar gut, wurde so aber nicht lange Zeit umgesetzt. Den Gastraum erweiterten sie nach und nach auf 65 Plätze, warme Gerichte werden angeboten, seit letztem Jahr ist auch eine größere Küche da. Festangestellte kamen hinzu. Die Bus-Ausflügler wurden zugunsten der Stammgäste weniger. Der Genießerhof entwickelte sich weiter, nur hatte jede der Partnerinnen ihre eigenen Vorstellungen, wie die Zukunft aussehen könnte. „Wir haben uns unterschiedlich schnell entwickelt, unsere Ziele waren langfristig betrachtet nicht mehr die gleichen“, schildert Petra Schittenhelm die Situation 2013. Das Unternehmerinnen-Duo entschloss sich, in Zukunft getrennte Wege zu gehen. Das Problem: Bei einer IMF-Förderung ist man zehn Jahre an den Businessplan gebunden. Da eine Änderung durchzusetzen, ist nicht leicht. Gut ein Jahr später, Anfang 2015, löst sich die GbR auf, und Brigitte Höfler scheidet aus dem Genießerhof aus. Als Floristin beliefert sie den Betrieb ihrer Schwester immer noch mit frischem Grün  und Dekoration nur eben nicht mehr als Teilhaberin, sondern im Auftrag. „Die Trennung ist uns nicht schwer gefallen, aber im Streit sind wir nicht auseinandergegangen. Lieber rechtzeitig einen sauberen Schnitt, bevor es unschön wird“, ist Petra Schittenhelms Meinung.
Ein Korken springt gedämpft aus der Flasche, Jörg Schittenhelm schenkt für seine Gäste unterschiedliche Perlweine mit und ohne Alkohol ein. „Möchten Sie auch einen Schluck“, fragt er mich und hält mir eine Flasche mit rotem Inhalt hin. Ich weiß nicht genau, was ich da trinke, auf jeden Fall schmeckt es klasse. „Das ist von einem unserer Partner hier aus der Region“, erklärt er. Alles, was sie ausschenken und in der Küche verarbeiten, stammt entweder vom eigenen Betrieb oder von nahegelegenen Partnern. Im an den Gastraum angeschlossenen Hofladen können die Gäste alle Rohwaren auch kaufen. Jörg Schittenhelm: „Wir haben nichts zu verbergen. Alle Lebensmittel, die in die Küche gehen, gehen genauso in den Hofladen. Für uns ist das selbstverständlich, wir machen dazwischen keinen Unterschied.“ 

Wer sich über das Förderprogramm „Innovative Maßnahmen für Frauen im ländlichen Raum (IMF)“ informieren oder einen Antrag stellen möchte, kann sich an das jeweils zuständige Regierungspräsidium wenden. Die Ansprechpartnerinnen sind:
Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 34, Christa Berg, E-Mail: christa.berg@rpk.bwl.de, Telefon: 0721/926-4523
Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 32, Martina Burkhardt, E-Mail: martina.burk hardt@rps.bwl.de, Telefon: 0711/904-13206
Regierungspräsidium Tübingen, Referat 31, Sabine Keller-Epple, E-Mail: sabine.keller-epple@rpt.bwl.de, Telefon: 07071/757-3312
Regierungspräsidium Freiburg, Referat 32, Friedhilde Munz; E- Mail: friedhilde.munz@rpf.bwl.de, Tel.: 0761/208-1240

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