Vorwürfe wegen Saisonarbeitskräften sind haltlos und diffamierend
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In dem Schreiben heißt es: „Bei der Einhaltung der Grundsätze des Arbeitsschutzes sind jedoch teils erhebliche Probleme in Betrieben der Fleischwirtschaft und bei der landwirtschaftlichen Saisonbeschäftigung bekannt geworden. Dies dürfte nicht zuletzt auf die häufig prekäre Unterbringungs- und Transportsituation der ausländischen Beschäftigten und die Hygienebedingungen in den Betrieben zurückzuführen sein. Hinzu kommt, dass die Bereiche Fleischwirtschaft und landwirtschaftliche Saisonbeschäftigung besonders anfällig für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind (zum Beispiel durch Scheinselbstständigkeit, dem Vorenthalten von Sozialabgaben oder der Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns).“
Einsatz für die Ernte bleibt unberücksichtigt
Unter stark erschwerten Bedingungen aufgrund der Corona-Pandemie haben Landwirte, in diesem Fall die Spargel- und Beerenanbauer, mit immensen Produktionskosten und hohem Zeitaufwand die Ernte bewerkstelligt. Dabei haben sie auch auf Erntekräfte, die sie nicht nach Infektionsschutzvorgaben unterbringen konnten, verzichtet und dafür Ernteeinbußen in Kauf genommen, wehrt sich das Netzwerk der Spargel- und Erdbeerproduzenten. „Wir sind empört darüber, wie man so undifferenziert und unsachlich vorgehen kann. In vielen Punkten widersprechen die Fakten den geäußerten Unterstellungen. Mit diesem Schreiben bringen Herr Minister Heil und Herr Minister Scholz den Anbauern nicht nur Geringschätzung entgegen, sondern diffamiert sie darüber hinaus noch. Das können und wollen wir nicht so stehen lassen. Deswegen haben wir die Bundesminister angeschrieben, um dies richtigzustellen. “, betont Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE) und Sprecher für das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände.
Landwirtschaftliche Saisonbeschäftigung
Der Spargel- und Beerenanbau ist saisonal, so auch mehrheitlich die Beschäftigungsverhältnisse. Dennoch werden laut einer Umfrage des VSSE aus dem Jahr 2019 bereits 24 Prozent der Erntehelfer im Spargel- und Beerenanbau sozialversicherungspflichtig eingestellt. Die Erntehelfer werden nicht bei Subunternehmen, sondern direkt beim Betrieb angestellt. Für sozialversicherungsfrei angestellte Saisonarbeitskräft schließen die Betriebsleiter in den meisten Fällen freiwillig Kranken- und Unfallversicherungen ab, deren Kosten die Betriebe zu hundert Prozent übernehmen.
Neben der üblichen Meldung bei der Sozialversicherung und dem Finanzamt wurden die Erntehelfer in dieser Saison zusätzlich beim Gesundheitsamt angemeldet. Auch war der Arbeitsvertrag für ausländische Erntehelfer zwingend notwendig, um nach Deutschland einreisen zu können, was der Unterstellung illegaler Anstellungsverhältnisse widerspricht.
Zollstatistik spricht andere Sprache
Eine bundesweite Statistik des Zolls für das Jahr 2019 über alle Branchen hinweg zeigt, wie selten festgestellte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf die Anmeldungen bei der Sozialversicherung, Sozialleistungen und Mindestlohn in der Landwirtschaft sind. Bei den eingeleiteten Strafverfahren lag der Anteil bei 1,07 Prozent und bei den eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren bei 0,59 Prozent.
Bei bundesweiten Zollkontrollen wurden am 19. Juni 2020 die Arbeitsverhältnisse von rund 6000 Beschäftigen in 500 landwirtschaftlichen Betrieben überprüft. Bisher wurden elf Strafverfahren und sechs Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. In 1011 Fällen, was rund 17 Prozent der Beschäftigten entspricht, sind noch Sachverhaltsaufklärungen notwendig.
Jeder Sechste war eine inländische Arbeitskraft
Zudem war laut der Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände in dieser Saison jeder sechste Erntehelfer eine inländische Arbeitskraft. Die Anbauer stellten vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit, Arbeitslose, Selbstständige sowie Studierende und Schüler ein, um die Ernte zu bewältigen. Gerade für Arbeitnehmer, die ihre sonstige Tätigkeit Corona bedingt, nicht ausführen konnten, war die Erntetätigkeit eine wichtige Einnahmequelle.
Unterbringungs- und Transportsituation
Für die Unterbringung halten die Spargel- und Beerenbetriebe die Arbeitsstättenrichtlinien ein. Ein Standard nach hiesigen Maßstäben anzusetzen ist ungerechtfertigt, da sich die Arbeitskräfte nur wenige Monate dort aufhalten und auch im Sinne der Arbeitnehmer die Kosten überschaubar bleiben müssen. Den Arbeitnehmern ist freigestellt, sich alternativ selbst um Unterkünfte zu kümmern. Es zeigt sich aber, dass dies selten vorkommt, da die Arbeitskräfte die Unterkünfte auf den Höfen bevorzugen. Die Kosten sind deutlich niedriger, und der Standard ist durchaus ausreichend und mitunter besser als in den eigenen Häusern in Rumänien.
In dieser Saison war Corona bedingt laut dem Konzeptpapier vom Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Bundesinnenministerium die halbe Zimmerbelegung gefordert, welcher die Betriebe nachkamen. Laut der Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände im Mai nahmen die Betriebe durchschnittlich 880 Euro an Mehrkosten pro Saisonarbeitskraft für die Infektionsschutz gemäße Anreise und Unterbringung der Erntehelfer auf sich. Für den Transport zum Feld kauften und mieteten die Spargel- und Beerenanbauer mehr Transporter, was die Zahlen der Autovermietungen belegen.
Hygienebedingungen in den Betrieben
Laut der Umfrageergebnisse des Netzwerks für Spargel- und Beerenverbände gab es bei den Kontrollen im Mai nur geringfügige Beanstandungen, und das auch nur bei 15 Prozent der Betriebe. Auch liegt die Infektionsrate bei Saisonarbeitskräften in der Spargel- und Beerenbranchen mit 117 bekannten Fällen auf 106.000 in Deutschland arbeitenden Saisonarbeitskräften mit 0,11 Prozent um mehr als die Hälfte niedriger wie im gesamtdeutschen Durchschnitt mit 0,22 Prozent (Stand: 23. Juni 2020). Es liegen also im Gegensatz zur Fleischwirtschaft keine erheblichen Probleme bei den Hygienemaßnahmen und beim Arbeitsschutz vor.
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