"Schlachthofschließungen sind tierschutzrelevant"
Durch die derzeitigen Betriebsschließungen und verringerten Schlachtkapazitäten mit einem Wegfall von mehreren Zehntausend Schlachtungen pro Tag ergeben sich aus Sicht der Bundestierärztekammer (BTK) aktuell große Tierschutzprobleme. Die Berufsorganisation fordert die Bundesregierung zu einem Krisengipfel auf.
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„Der plötzliche Wegfall von Schlacht- und Zerlegekapazitäten hat unmittelbare Auswirkungen auf die tierhaltenden Betriebe und die Tiere in den Ställen", betont Dr. Uwe Tiedemann, Präsident der Bundestierärztekammer. Dabei können aus Sicht des Tierarztes tierschutzrelevante Probleme entstehen:
- Es kommt zu höheren Besatzdichten und zur Überbelegung in den Ställen, was besonders bei sommerlichen Temperaturen mit einer höheren Kreislaufbelastung für die Tiere einhergeht. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass dadurch vermehrt Tiere verenden.
- Die Transportwege zu alternativen Schlachtstätten, unter Umständen sogar im Ausland, werden deutlich länger. Gerade in der warmen Jahreszeit seien lange Transporte aber kritisch und sollten vermieden werden. Für ohnehin kreislaufschwache Tiere ergeben sich hierdurch zusätzliche Belastungen.
- Auch in den Küken- und Ferkelaufzuchten seit laut der BTK ein Rückstau mit entsprechenden Überbelegungen der Ställe zu erwarten.
Fehlende Schlachtkapazitäten durch andere Standorte zu kompensieren, sei im Gegenzug nur schwer möglich: Die notwendigen Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln hätten, so die BTK, bereits deutliche Kapazitätseinbußen zur Folge. Darüber hinaus stünden aufgrund der branchenweiten Tests und zahlreicher offener Testergebnisse weniger Mitarbeiter zur Verfügung. Daher müssten die Schlachtzahlen zurückgefahren werden. Die Forderung, Produktionspersonal in Schlachtung und Zerlegung zweimal wöchentlich zu testen, verstärke diesen Kapazitätsmangel. Eine kurzfristige Erhöhung der Schlachtkapazitäten in bisher nicht betroffenen Schlachtbetrieben dürfte daher auch bei gutem Willen aller Beteiligten schwierig werden. "Es ist zu erwarten, dass sich die Lage weiter zuspitzt", meint BTK-Präsident Thiedemann.
Die BTK fordert die Bundesregierung daher auf, umgehend einen Krisengipfel unter Einbeziehung von Tierärzten, Landwirten, Schlachthofbetreibern und zuständigen Behörden einzuberufen, um schnell Lösungen für die aktuelle Situation zu finden.
„Die Konzentration auf wenige große Schlachtunternehmen, die zu Lasten regionaler Betriebsstrukturen ging, rächt sich jetzt", ergänzt der BTK-Präsident. Allerdings reiche die notwendige Diskussion um einen Wandel des Systems in der akuten Situation nicht aus. Auch die Forderung der Politik, Bestandszahlen vorübergehend zu reduzieren, greife kurzfristig nicht. Es müssten praktikable, tierschutzgerechte Lösungen für die Tiere gefunden werden, die jetzt in der Mast und Aufzucht sind. Hier seien die Haltungs- und Schlachtbetriebe in enger Zusammenarbeit mit den Veterinärbehörden gefordert. Es könne nicht sein, dass schlicht keine Schlachttiere mehr angekauft und die Problemlösung den tierhaltenden Betrieben überlassen werde.
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