Einer für alle und Alle für einen
Familie Brunner, die schwäbischen Musketiere, überzeugt mit einem ganzheitlichen Betriebskonzept. Drei Generationen arbeiten Hand in Hand und tragen die „Schwäbische Herzlichkeit“ in die Welt. Der Ferienhof Brunner befindet sich in Hayingen-Münzdorf im Landkreis Reutlingen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb.
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Hätte Robert Brunner geahnt, welch weitreichende Folgen sein Sturz von der Leiter haben wird, er wäre vor gut fünf Jahrzehnten wohl eher auf dem Boden geblieben. Denn es war just in dieser Zeit als sein Sohn „Charly“, Karl-Josef Brunner, zum Entsetzen seines Vaters, die Gunst der Stunde nutzte und die 84 Kühe des Betriebs gegen Schweine austauschte. Heute besteht der Betrieb aus 220 Mutterschweinen der Deutschen Landrasse mit Ferkelaufzucht sowie einer kleinen Schweinemast für den Eigenbedarf in der Bauernhof-Gastronomie. Das Futtergetreide wird auf 90 Hektar selbst angebaut und kann in Silos mit einer Kapazität von 500 Tonnen gelagert werden. In der Fruchtfolge stehen Sommer- und Wintergerste, Winterweizen und Raps. Zehn Hektar Grünland dienen der Fütterung von Pferden, Hasen und Hühnern. Für die Getreideernte stehen zwei eigene Mähdrescher zur Verfügung, mit denen auch 170–180 Hektar im Lohn gedroschen werden. Der landwirtschaftliche Betrieb ist mit dem QS-Siegel Baden-Württemberg sowie der Initiative Tierwohl (ITW) ausgezeichnet und qualifiziert.
Jeder hat seine Aufgabe
Derzeit leben und arbeiten drei Generationen der Großfamilie Brunner im Betrieb. Landwirtschaftsmeister Karl-Josef Brunner leitet gemeinsam mit seinem Ältesten Michael den landwirtschaftlichen Bereich des Unternehmens. Mutter Traudl und Tochter Caroline kümmern sich mit Hingabe um Feriengäste sowie Gastronomie, der jüngste Sohn Matthias hilft neben seiner Ausbildung zum Feinmechaniker mit Freude aus. Karl-Josefs Eltern Robert und Rita Brunner betreuen das Kleinvieh und haben immer eine lustige Anekdote auf Lager, aus Zeiten in denen Heugabeln noch aus Holz und Bilder schwarz-weiß waren. Traudls Mutter Lore hilft, wo Not am Mann ist, während ihr Partner Günther sich zuverlässig um Garten und Hofgebäude sorgt.
Pro Jahr vermarktet der Hof Brunner etwa 6000 Ferkel direkt an Mastbetriebe und Metzgereien im eigenen Landkreis. Das garantiert kurze Transportwege, schont Tiere und Umwelt. Die Energieversorgung des Schweinestalls übernimmt seit nunmehr über 15 Jahren eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 145 kW. Dieser Betriebszweig könnte künftig erstarken, denn Michael Brunner interessiert die Energieerzeugung heute schon mehr als die Schweinehaltung, sicher nicht zuletzt wegen der ungünstigen Marktlage. Der Hohenheimer steht kurz davor, seine Masterarbeit im Bereich Agri-Business und Agrar-Technik abzuschließen. Er arbeitet an der Etablierung moderner Batteriespeicher in der Landwirtschaft. „Langfristig will ich erneuerbare und wirtschaftlich lohnende Batteriespeicher in unserem Betrieb installieren und so die Nachhaltigkeit erhören“, erklärt Michael Brunner seine Motivation.
Heute steigern mehrere Betriebszweige die Wertschöpfung der von Karl-Josef Brunner um 1970 eingeführten Schweinehaltung. „Die Leute kommen gezielt, weil sie wissen, wir haben gutes Schweinefleisch“, sagt Brunners Frau Traudl. „Sie besuchen unsere Bauernstube und melden sich gleich wieder an.“ Brunners Bauernstube lockt Hungrige nach Hayingen im Landkreis Reutlingen in ein mehr als 500 Jahre altes denkmalgeschütztes Gemäuer, das bereits seit fünf Generationen in Besitz des Brunner-Clans ist. Zwischen alten Holzmöbeln und Sprüchen wie „Ein Mann ohne Ränzle, ist wie ein Garten ohne Pflänzle“ sitzt man unter den wachsamen Augen von Familienmitgliedern aus längst vergangenen Zeiten, die in schwarz und weiß die Wände zieren. „Heilandzagg“ würden diese wohl ausrufen, sähen sie, was Caroline Brunner mit den traditionsreichen „Gottesbescheisserle“ macht. Panierte Maultaschen! „Ach das war einfach mal eine Idee von mir“, sagt Caroline Brunner bescheiden „und sie werden gut angenommen.“
Tradition und Moderne
Ihr Talent konnte Caroline Brunner schon bei der Deutschen-Juniorenmeisterschaft der Hauswirtschaft 2016 in Berlin beweisen und den Titel „Deutsche Juniorenmeisterin der Hauswirtschaft“ nach Hause bringen. Nicht zuletzt deshalb ist nicht Mutter Traudl oder Oma Lore, die für ihren Kartoffelsalat über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist, Küchenchefin von Brunners Bauernstube, sondern die Jüngste im Bunde, Caroline Brunner. Sie ist es, die traditionellen, schwäbischen Speisen modernen Zeitgeist einhaucht und neu interpretiert. Ob schwäbische Tapas, besagte panierte Maultaschen oder Schweinefilet auf Albwiesenheu, die Kreationen von Caroline Brunner sind vielseitig und machen Lust auf eine kulinarische Reise über die Schwäbische Alb. Ganze Abende können Brunners Gäste bei Mottoveranstaltungen in der Bauernstube verbringen, etwa bei einem Candle-Light-Dinner oder dem italienischen Abend am mediterranen Buffet aus regionalen Zutaten.
Gäste werden zu Freunden
Wer gut isst, der will auch gut schlafen, und so engagieren sich die Brunners auch touristisch im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Urlaub auf dem Bauernhof ist auf dem Ferienhof Brunner seit 20 Jahren möglich. Mit der Zeit ist die Kapazität auf 68 Betten angewachsen – Brunners könnten ihren halben Heimatort beherbergen. Allein 2017 wurden 5800 Übernachtungen verbucht.
„Mittlerweile sind viele Stammgäste zu Freunden geworden, sie nehmen sich sogar extra frei und helfen bei der Ernte“, sagt Traudl Brunner und strahlt über beide Ohren, als sie über Feriengäste aus Amsterdam und Ostfriesland spricht. Gemeinsam mit Tochter Caroline betreut sie die Ferienwohnungen und -häuser, die mit viel Liebe zum Detail im modernen Landhausstil eingerichtet sind und vom Deutschen-Tourismus-Verband mit drei und vier Sternen ausgezeichnet wurden. Weiterhin umfasst das Angebot die Gruppenunterkünfte in Hayingen „zum ALB-Traum“, „zum Schneiderlein“ sowie die XXL-Ferienwohnung „Blumenwiese“. Das Rad-Wander-Häusle auf dem Hof Brunner bietet Kurzentschlossenen eine willkommene Erholungsmöglichkeit für die erschöpften Waden.
Von den Urlaubsgästen profitieren nicht nur Brunners selbst, sondern auch die umliegenden Bauernhöfe, die eigene Produkte über den Hof Brunner an die Feriengäste vermarkten können. Dass das Urlaubskonzept Brunners voll aufgeht, lässt sich an zahlreichen Auszeichnungen festmachen. 2016 gab es vom Schwäbischen Alb Tourismusverband die Urkunde „Wanderbares Deutschland“. Ebenfalls seit 2016 darf sich der Hof als „Biosphärengastgeber“ präsentieren. „Anerkannter Urlaubs-Bauernhof“ ist man seit 2014. Das Prädikat „Kindersicher und Gesund auf dem Bauernhof“ erhielten die Brunners bereits im Jahr 2010.
Ein weiteres Standbein aus dem Bereich der Bauernhof-Gastronomie ist Brunners Landfrauen-Catering, das Festivitäten aller Art mit regionaler Küche versorgt. Dieser Betriebszweig kommt ohne große Marketing-Maßnahmen aus, zufriedene Gäste mit vollen Bäuchen betreiben Mund-zu-Mund-Propaganda. Kunden werben Kunden, bei Brunners funktioniert das ganz ohne Bonussystem. Für das Jahr 2019 stehen schon jetzt zahlreiche Veranstaltungen im Terminkalender.
Urlaub auf dem Bauernhof ist für Brunners unweigerlich mit Öffentlichkeitsarbeit verbunden. „Man muss das mit Herzblut machen“, erklärt Traudl Brunner, „und ehrlich kommunizieren.“ Ein großes Anliegen der Familie ist es, das Ansehen der Landwirtschaft in der Bevölkerung zu stärken. Deshalb öffnen Brunners ihren Betrieb für interessierte Besucher und engagieren sich in der Gläsernen Produktion. Alle Gäste haben die Möglichkeit, einen Einblick in den landwirtschaftlichen Betrieb zu werfen. Ganz ohne das obligatorische Naserümpfen kann man durch das „Stallguckfenster“ einen Blick in den Schweinestall werfen und die Ferkel beim Spielen beobachten.
Wichtige Öffentlichkeitsarbeit
„Viele kommen mit Vorurteilen zu uns, sind dann aber leicht zu überzeugen“, zeigt sich Karl-Josef Brunner zufrieden. „Beispielsweise müssen wir erklären, warum die Muttersauen fixiert sind oder die Leute aus Hygienegründen nicht in den Stall dürfen.“ Es ist sinnvoll, den Betrieb und die Ferienwohnungen zu trennen und Termine für die Besichtigung auszumachen. Allerdings gebe es auch Gäste, die sich stundenlang auf die Lauer legen, um mit ihrer Kamera das Abferkeln zu begleiten. „Man gewinnt sehr viel von den Urlaubern, wir bekommen Postkarten von überall“, sagt Traudl Brunner.
Für den Nachwuchs der Gäste stehen lehrreiche Beschäftigungsmöglichkeiten bereit. Denn Vorurteile über die Landwirtschaft entstehen oft bereits im Kindesalter und lassen sich genau dann am besten ausmerzen. Seit 2017 kann sich der Nachwuchs in einer aufwändig umgebauten Spiel- und Lernscheune zum Thema „Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ austoben, die auch Einheimischen, Schulklassen und Kindergärten offen steht. Spielerisch können die Knirpse die Schafhaltung, auf der für die Schwäbische Alb typischen Wachholderheide, nachempfinden, Streubobstsorten in einem Memory kennenlernen oder Klötzchen heimischer Holzarten bis unter die Decke stapeln.
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