Wirksamer Schutz vor Frost
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Der Klimawandel führt zu mehr extremen Wetterereignissen. Durch den immer früheren Vegetationsstart erhöht sich dabei das Risiko für Spätfröste. Klarer hätte die Ansage von Marc Sellwig für die wachsende Gefahr im Obstbau bei einem Vortrag auf der Fruchtwelt Bodensee in Friedrichshafen wohl kaum ausfallen können. Dabei machte der Mitarbeiter am Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) in Bavendorf deutlich, dass Frostgefahr nicht gleich Frostgefahr ist. Je nach Entwicklungsstadium der Blüte sind die Folgen von Minustemperaturen unterschiedlich. Während beispielsweise gerade aufblühende Knospen minus 0,5 °C noch schadlos überstehen, sinkt diese Schwelle auf 0 °C in der Vollblüte. Unterschiede gibt es auch bei den Frostschäden im Gewebe selbst, wobei nicht die tiefen Temperaturen, sondern die Eisbildung dafür ursächlich sind. Oberflächliche Eisbildung führt beispielsweise zu einem indirekten Frostschaden durch zerstörte Zellmembranen. Gravierender aber wirkt sich die Eisbildung in den Zellen aus, die diese zerstört und zwar unabhängig von der Einwirkung der tiefen Temperaturen.
Frost ist nicht gleich Frost
Ferner unterscheidet Sellwig zwischen Frosttypen. In 90 Prozent der Fälle handelt es sich um Strahlungsfröste, die bei klaren Nächten, wenig Wind und einer relativ geringen Luftfeuchtigkeit auftreten. Ihre Auswirkungen werden oft noch durch eine entsprechende topografische Lage verstärkt. Im Gegensatz dazu zeichnet sich ein Advektionsfrost frühzeitig ab, kündigt er sich doch durch eine entsprechende Großwetterlage mit Wind und polarer Kaltluft an.
Um Pflanzen gegen die Minustemperaturen zu wappnen, bieten sich verschiedene Maßnahmen an mit ganz unterschiedlichen Erfolgsaussichten, wie Sellwig klarstellte. So helfen Windmaschinen nur bei Inversionswetterlagen. Denn nur dann können wärmere obere Luftschichten sich mit kalten vermischen und zum Schutz in die Anlagen verblasen werden. Dort, wo Wasser nicht verfügbar ist, bleiben sie aber die einzige Alternative.
Gras in der Fahrgassse kurz halten
Als weiteren Ansatzpunkt nannte der KOB-Mitarbeiter den Bewuchs in der Anlage. Eine fehlende Abdeckung in der Baumreihe sowie ein kurz gehaltenes Gras in der Fahrgasse verbessert die Wärmeabgabe des Bodens, was laut Sellwig eine Temperaturdifferenz von bis zu zwei Grad ausmachen kann. Er plädiert daher bei sich abzeichnendem Frost für ein frühzeitiges Mulchen mit einer Ausnahme: Ist eine Unterkronenberegnung geplant, bietet ein nicht gemulchter Boden mehr Oberfläche zur Eisbildung.
Während die Abdeckung mit Folien, Vlies oder Stroh bei Minusgraden einen Schutz bis minus vier Grad bieten kann, stellte der Bavendorfer Mitarbeiter dies für geschlossene Hagelnetze in Frage. Zum einen dringt durch Schattierungseffekte den Tag über weniger Wärme in den Boden ein. Zum anderen ist das Netz keine Barriere für die Wärmeabstrahlung. Auch vom Einsatz von Salzen zum Frostschutz hält er nichts. Er lohne sich laut bisherigen Untersuchungen nicht.
Nicht lukrativ lautet kurz und bündig das Fazit zum Einsatz von Frostkerzen. Bei Kosten von zehn Euro pro Kerze und einem Bedarf von 400 Kerzen pro Hektar ergibt sich eine Summe von 4000 Euro pro Hektar für nur eine Nacht, den Arbeitsaufwand noch nicht eingerechnet. Dabei ist es nicht das aktive Heizen, was den Frostschutzeffekt ausmacht, sondern die Inversionslage, die damit erzielt wird. Sellwig rät daher beim Einsatz zu kleinen Kerzen, um die erzeugte Wärme in der Anlage zu halten und nicht wirkungslos an die Umgebung verpuffen zu lassen. Unterm Strich nützt Heizen damit höchstens im Tunnel oder unter einem Foliendach. Als nicht ausreichend beurteilt er den Frostschutz durch Geräte wie den Frostbuster, der nur in Intervallen Wärme zuführt und schon gar nicht durch ein feststehendes Gerät wie den Frostguard.
Frostberegnung am effektivsten
Nach wie vor die beste Wirkung gegen Frost hat die Überkronenberegnung. Je nach Kultur und Entwicklungsstadium bietet sie einen Schutz bis minus sieben Grad. Allerdings sind dafür erhebliche Wassermengen nötig. Steht kein Oberflächen- oder Fließgewässer zur Entnahme zur Verfügung, bleibt der Brunnenbau oder die Anlage eines Rückhaltebeckens. Beides ist mit erheblichen Investitionen und bürokratischen Hürden verbunden. Zudem ist es mit der Inbetriebnahme von Schlagregnern nicht getan. Zum einen muss rechtzeitig bei drohendem Frost angeschaltet werden, was eine stetige Beobachtung der Trocken- und Feuchttemperatur bedingt. Zum anderen darf erst bei beginnendem Tauwetter, dann wenn das Eis milchig wird, ausgeschaltet werden. Ferner ist bei Windgeschwindigkeiten über 2,5 bis 3 m/s keine Beregnung mehr möglich, da dann die Verdunstungskälte höher ist als die freigesetzte Wärme durch das gefrierende Beregnungswasser.
Die grundsätzliche Bereitschaft des Landratsamtes im Bodenseekreis, die Obstbauern bei der Bereitstellung von Wasser zur Frostschutzberegnung zu unterstützen, signalisierte Klaus Ruff vom Amt für Wasser- und Bodenschutz bei einer Veranstaltung auf der Fruchtwelt Bodensee. Allerdings zwinge der Gesetzgeber angesichts des enormen Wasserbedarfs, den er auf rund 1000 m³/ha in drei Frostnächten beziffert, zum Einhalten von Vorschriften. So hat eine Abfrage sehr viel mehr Interessenten an Beregnung erbracht als Wasser zur Verfügung steht. Ferner erfordert die Wasserspeicherung angesichts der notwendigen Dimensionen von Fußballfeld großen Becken ein gewisses Maß an Planung. Er appellierte an die interessierten Obstbauern, vor einer ausführlichen Planung beim Landratsamt die Machbarkeit des Vorhabens abzuklären.
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