Mehr Leid als gedacht?
In einer Untersuchung der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern ist die Entstehung akuter und chronischer Schmerzen bei Kälbern nach der Enthornung untersucht worden. Die Studie, die nun publiziert worden ist, verweist darauf, dass bei den Kälbern – trotz optimaler Betäubung und Schmerzausschaltung – akute und chronische Schmerzen sowie Überempfindlichkeiten entstehen können.
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Geklärt werden sollte in der Untersuchung, wie sich das Entfernen der Hornansätze langfristig auf Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere auswirkt. Denn, so Prof. Dr. med. Claudia Spadavecchia, die die Studie initiiert hat, über die längerfristigen Konsequenzen des Verfahrens sei bisher nur wenig bekannt gewesen. „Insbesondere stellte sich uns die Frage, ob chronische Schmerzen bei Kälbern nach der Enthornung auftreten können“, erläutert die Wissenschaftlerin die Ziele des Tests.
Primäres Ziel der nun im Fachjournal „Physiology & Behavior“ publizierten Studie war zu untersuchen, ob die Enthornung, durchgeführt unter einer optimalen, in der Schweiz obligatorischen Schmerzaus-schaltung, zur Entwicklung von akuten sowie chronischen Schmerzen bei Kälbern führen kann.
Wir haben uns mit Prof. Claudia Spadavecchia von der Uni Bern, Dr. Hans-Jürgen Seeger vom Rindergesundheitsdienst in Aulendorf und Dr. Alfred Weidele von der Rinderunion Baden-Württemberg über das strittige Thema Enthornen unterhalten und sie unter anderem gefragt, wie sie die zahlreichen Reaktionen auf die Ergebnisse der Untersuchung empfunden haben.
Spadavecchia: Ich war sehr erstaunt über das große Interesse, das diese neue Studie in Fachkreisen ausgelöst hat. Das hatte ich beim Start der Studie nicht erwartet.
Seeger: Die Schweizer Studie ist interessant und zeigt, was heute in der Schmerzforschung bei Tieren möglich ist. Wie zuverlässig die neuartigen Methoden der Schmerzmessung sind, kann ich allerdings nicht beurteilen, da ich auf diesem Gebiet kein ausgewiesener Experte bin. Die Ergebnisse sollten jedoch richtig eingeordnet und daraus keine voreiligen oder gar überzogenen Schlussfolgerungen gezogen werden. So bin ich der Überzeugung, dass die Summe an Stress und verletzungsbedingten Schmerzen im Leben eines rangniederen Tieres, das in einer behornten Tiergruppe lebt, weitaus größer ist, als die im Zusammenhang mit dem Veröden der Hornanlage auftretenden Schmerzen und Überempfindlichkeiten.
Weidele: Von Interesse ist nicht so sehr die Reaktion, sondern die Arbeit an sich. Diese ist ein erster Aufschlag, sich dem bisher unbekannten Thema zu nähern. Da die Versuchsgruppe sehr klein war, bedarf es weiterer Arbeiten mit deutlich größeren Gruppen, um sichere, signifikante Aussagen machen zu können. Zudem wurden neue Methoden zur Schmerzidentifikation verwendet, die sicher überprüft werden sollten. Ungeachtet dessen muss man sich mit der Weiterentwicklung der fachgerechten, schmerzreduzierten Enthornung beschäftigen. Diese wird seit Jahrzehnten angewendet und laufend weiterentwickelt, sodass ich optimistisch bin, dass wir auch in Zukunft einen guten Weg finden werden, Tiere zu enthornen.
Lesen Sie die das gesamte Interview, das wir mit den drei Fachleuten geführt haben, in Ausgabe 9/2019 von BWagrar.
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