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Kräutergut in Nürnberg-Kraftshof

Biovegan mit Herz

Die Topfkräutergärtnerei von Tanja Dworschak, die aus Überzeugung in Bioqualität und dazu vegan produziert, entspricht überhaupt nicht dem Klischee. Moderne Technik und eine doppelstöckige Produktionsanlage erlauben rationelles Wirtschaften in einer Gegend mit hohen Bodenpreisen. Und die Inhaberin ist alles andere als ein alternative Kräuterhexe.
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Basilikum ist bekannt - zum Kräutersortiment der Gärtnerei gehören aber weit über 200 verschiedene Arten und Sorten. 
Basilikum ist bekannt - zum Kräutersortiment der Gärtnerei gehören aber weit über 200 verschiedene Arten und Sorten. Bioland Kräutergut Dworschak-Fleischmann
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Bei ein paar Dingen gibt es für mich nur schwarz oder weiß, nur entweder oder", sagt Tanja Dworschak. „Entweder ist man schwanger oder nicht, ein bisschen schwanger gibt es nicht. Und genau so ist das mit dem Bioanbau – entweder macht man das richtig oder man lässt es bleiben." Mit dem Anbau von Kräutern hat ihr Großvater im damaligen Gemüsebaubetrieb schon in den achtziger Jahren angefangen. Er verkaufte kleinere Mengen nebenher auf dem Großmarkt. Mit einer Unterglasfläche von 5 ha gehörte die Gärtnerei damals zu den größten in Deutschland. 2009, vor zehn Jahren, übernahm Tanja Dworschak den Betrieb. Der war bereits auf den Bioanbau umgestellt, die Idee dazu war ihr während des Meisterschulbesuchs in Fürth gekommen. „Bio war die beste Entscheidung meines Lebens", meint sie im Rückblick. Sie sei keineswegs von Anfang an Überzeugungstäterin gewesen, zunächst spielten eher wirtschaftliche Gründe eine Rolle. Das änderte sich im Lauf der Zeit ebenso wie die Bedeutung der Kräuter für den Betrieb. Eine ganze Zeit noch waren Tomaten, Gurken und Paprika Hauptkulturen. Bis eines Tages auf dem Großmarkt ein Vertreter von Rewe auftauchte und nach Bioproduzenten suchte. Tanja Dworschak horchte auf, erkundigte sich und stellte sich mit dem Biokräuterprogramm der Gärtnerei vor. Nicht gleich stieß sie auf offene Türen, denn Rewe hatte bereits Kräuterlieferanten und wollte diese zum Umstieg auf den Bioanbau bewegen. Nachdem dies auf wenig Resonanz gestoßen war, kam die Stunde für die Nürnberger Gärtnerei. Für einen ersten Lieferversuch mit Kräutern waren im Betrieb 800 m 2 Produktionsfläche vorgesehen. Der Großkunde wollte allerdings eine Probemenge von 500.000 Töpfen ordern. Das passte nicht zusammen: „Du musst nicht studiert haben, um zu merken, dass 500.000 Töpfe auf 800 m 2 eng wird", bringt es Tanja Dworschak auf den Punkt. Nicht nur der knappe Platz war ein Problem für die große Menge – die Finanzierungsmöglichkeiten für eine innerbetriebliche Aufrüstung der Gärtnerei mit den nötigen Tischen war durch vorangegangene Investitionen bereits ausgereizt. Kein Hindernis für die Unternehmerin: Alle Konten, auch die privaten, die noch zur Verfügung standen, wurden geplündert und der Betrieb mit Kulturtischen ausgestattet. Der Versuch ging gut – und so beliefert die Gärtnerei nun seit 1996 Rewe. „Wir sind mit diesem Unternehmen gewachsen und es ist eine gute Partnerschaft." Über Rewe kam Tanja Dworschak auch zu Naturland.Bei Bioland war die Gärtnerei da bereits schon zertifiziert.

Gartenbau in einer teuren Gegend

Der Betriebsstandort im Knoblauchsland ist im Blick auf die benachbarten mittelfränkischen Städte optimal. Nürnberg, Erlangen, Fürth sind jeweils höchstens 10 km entfernt. Die gute Lage in Mittelfranken hat aber auch ihren Preis. Flächen sind teuer, die Quadratmeterpreise liegen bei 500 bis 700 Euro . Ein Landkauf kam nicht infrage. Die Idee für eine Lösung kam Tanja Dworschaks Vater: mit einer Produktionsfläche auf zwei Etagen lässt sich die Kulturfläche verdoppeln. „Mein Vater hat immer gute Ideen – ich habe ein Problem, er die Lösung, ich muss sie dann nur finanzieren", grinst die Unternehmerin.

Die erste Doppelstockanlage wurde bereits 2010 gebaut, sie steht im älteren Betriebsteil. Die Anlage ist in sich geschlossen und komplett automatisiert. Die EDV ist sehr leistungsfähig und steuert die Produktionsabläufe insbesondere mit den nötigen Verweilzeiten für die mit frischen Aussaaten belegten Tische im Keimraum. Rucola beispielsweise läuft schon nach einem Tag auf, bei Petersilie dauert es neun Tage. Das System optimiert im Blick darauf die Einlagerung im Keimraum. Ganz allein geht das freilich nicht – eine Mitarbeiterin betreut das technische System schon seit Jahren, sie hat dafür eine besondere Begabung. Durch die Automatisierung ist der Arbeitsbedarf in diesem Bereich auf fast nur noch ein Viertel von einst zurückgegangen.

Ganz wesentlich für die strengen Dokumentations- und Nachweispflichten in der Bioproduktion ist, dass das System alle Daten rund um einzelnen Produktions-Chargen akribisch festhält, Kulturzeiten ebenso wie verwendete Betriebsmittel und die beteiligten Mitarbeiter. Diese Dokumentation und die Möglichkeit, den Produktionsablauf einzelner Pflanzpartien jederzeit nachzuvollziehen, ist auch intern hilfreich, sollten Probleme auftreten.

Wenn Dokumentation hilft

So im Jahr 2011, als die Gärtnerei wegen einer mangelhaften Substratlieferung an den Rand der Existenz kam. Ohne ersichtlichen Grund fielen einzelne Pflanzenpartien auf einmal um. Zunächst war kein Zusammenhang mit Schadursachen erkennbar. Als eines Tages ein Tisch mit gesunden Kerbelpflanzen zufällig neben einem ausfallenden Tisch der ansonsten völlig gleichen Kerbelpflanzen zu stehen kam, wurde der Unternehmerin klar: Es kann nur am Substrat liegen. Die weitere Recherche ergab, dass der in der betreffenden Substratlieferung enthaltene Kompost nicht ausgereift war und die Pflanzenausfälle verursachte. Für Tanja Dworschak ein einschneidendes Erlebnis dafür, wie wichtig eine detaillierte Dokumentation in der Produktion ist – auch wenn sie bei der Schadensregulierung damals trotz klarer Situation keine kulante Lieferfirma erlebt habe.

Keine Bio-Tricksereien

Tanja Dworschak ist eine ehrliche Bioproduktion großes Anliegen. In lebhafter Erinnerung ist ihr eine Jugendfreundin, die unter schwierigsten wirtschaftlichen Umständen ein Kind aufzog, das unter einer starken Neurodermitis litt. Trotz Geldsorgen kaufte die Freundin für ihr Kind Lebensmittel im Reformhaus. „Wie kann man solche Leute mit Tricksereien in der Produktion betrügen?", meint Tanja Dworschak. Dass ein geradliniger Weg nicht einfach ist, gibt sie zu – die Preise für Biosaatgut liegen zum Teil ein Mehrfaches über dem konventionell erzeugter Ware, nicht einfach, da trotzdem konsequent und ehrlich zu bleiben. Es hilft, an die zu denken, die sich als Kunden auf die Biopflanzen freuen.

Vom Gerstengras zur veganen Kultur

Eines Tages machte ein langjähriger und immer wieder ideenreicher Mitarbeiter den Vorschlag, Gerstengras als Kultur zu versuchen; sie hat einen großen Gesundheitswert. Über diese Kultur entwickelte sich der Zugang zum veganen Markt, bis dahin für die Unternehmerin eine fremde Welt. Damit holte sie sich allerdings auch ganz neue Kulturherausforderungen ins Haus, denn für vegan erzeugte Kräuter kommen organische Dünger, die sonst im Bioanbau beliebt sind, nicht infrage – „ein Kunde, der einen veganen Kräutertopf kauft, will sich damit ja nicht eine halbe Kuh mit ins Haus holen", bringt es Tanja Dworschak auf den Punkt. So stellte sie für die Pflanzenernährung auf Rüben-Vinasse um. Problematisch an diesem Produkt ist allerdings, dass es für Trauermücken ideale Bedingungen schafft. So laufen im Betrieb Versuche mit neuen veganen Düngern auf Aminosäurebasis. Wie schon die Vinasse werden auch diese neuen Produkte nicht dem Substrat beigemischt, sondern als Punktdüngung bei der Aussaat ausgebracht. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend, eine trauermückenfreie Kultur scheint möglich zu sein. Auch mit Effektiven Organismen gibt es gute Erfahrungen in der Gärtnerei. Deren Wirksamkeit erklärt sich die experimentierfreudige Unternehmerin mit der spielerischen „Reise nach Jerusalem", bei der immer ein Stuhl weniger zur Verfügung steht als es Teilnehmer gibt: „Wo gute Mikroorganismen die Plätze besetzen, haben schädliche keine Chance."

Auch wenn Tanja Dworschak, was sie sich früher nicht hätte vorstellen können, mittlerweile ganz hinter der veganen Produktion steht, setzt sie sich für praktikable und vernünftige Lösungen ein und arbeitet in Verbänden mit, um die Sicht der gärtnerischen Erzeugung zu vertreten. Denn sonst gebe es Leute, die sogar tierische Nützlinge in der veganen Produktion ausschließen würden! Obwohl sie selbst aus dem Gemüsebau kommt, engagiert sich Tanja Dworschak in der Fördergemeinschaft ökologische Zier- & Gartenpflanzen (föga), denn bei Topfkulturen sieht sie mehr Parallelen zum Zierpflanzenbau als zum Gemüsebau, weswegen sie bei der Einstellung von Gärtnern auch solche aus dem Zierpflanzenbau bevorzugt.

Großinvestition auf zwei Etagen

2015 wurde die bislang größte Investition getätigt und ein für die Doppelstockproduktion ausgelegtes Gewächshaus mit 7.300 m² Grundfläche gebaut, die effektive Produktionsfläche beträgt 13.000 m². Am 2. Juli wurde die erste Stütze gesetzt, am 15. November erstmals ausgesät und zu Weihnachten 2015 erstmals geerntet. „Das war eine echte Hardcorebaustelle!" Auch in diesem neuen Betriebsteil sorgt eine leistungsstarke EDV für einen reibungslosen Ablauf. Die Keimraumbelegung wird hier allerdings nach visueller Kontrolle des jeweiligen Keimstadiums entschieden. Kulturtechnisch bislang größte Herausforderung war der Pflanzenschutz – vor einiger Zeit waren Blattläuse kaum in den Griff zu bekommen, weil sich die Tiere aus der oberen Etage nach unten fallen ließen. Mittlerweile kümmern sich in der Gärtnerei zwei Mitarbeiter ausschließlich um die alles entscheidende Pflanzengesundheit.

Ein Großes Herz für Menschen

Die Liebe zum Bioanbau ist der Unternehmerin ohne Weiteres anzumerken, auch die Begeisterung für sinnvolle technische Lösungen, die den Betriebsablauf leichter machen. Am meisten jedoch, das wird beim erzählenden Rundgang deutlich, liegen Tanja Dworschak Menschen mit ihren oft nicht einfachen Geschichten und Schicksalen am Herzen, was auch damit zu tun haben mag, dass sie selbst manch schwierige Zeit durchleben musste, beispielsweise auch mit kleinen Kindern voll und ganz im Betrieb gefragt war.

In der Gärtnerei beschäftigt sie eine ganze Reihe von Mitarbeitern mit Behinderungen und hat den Arbeitsbereich im neuen Betriebsteil für diese besondere Situation konzipieren lassen. Nicht immer ist es einfach, Leute mit Beeinträchtigungen zu beschäftigen. Aber: „Es gibt keine falschen Mitarbeiter, es gibt nur die falschen Plätze für Mitarbeiter." Und so mancher der Mitarbeiter mit Handicap setzt sich im Betrieb viel stärker ein als andere.

Mittlerweile haben sich zwei der vier Söhne in der Gärtnerei eingefunden – Patrik mit seiner technischen Qualifikation, Henrik als Gärtnermeister.

Begeistert vom Beruf

Zwischendurch kommt von Tanja Dworschak eine Liebeserklärung an den Gartenbau und die eigene Gärtnerei: „Wir haben den geilsten Beruf auf dem ganzen Planeten. Es ist warm, es ist nicht schwer, wir haben mit Pflanzen zu tun, viele interessante Leute in der Biobranche um uns herum, wir haben Glück mit dem Standort – mit Deutschland sowieso, und dann auch mit dem speziellen hier. Wir sind nicht am Arsch der Welt, sondern mittendrin. Wir leben in einem super Klima, werden von Unwetter in aller Regel verschont. Wir sitzen mitten auf dem Land und trotzdem in der Stadt. Wir haben eine tolle Truppe und ein wahnsinnig tolles buntes Team!"

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