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Steuersätze bei Weiterverarbeitung

Urproduktion oder nicht?

Wenn aus Milch Fruchtjoghurt wird, kann das nicht nur gut schmecken, sondern auch den Bundesfinanzhof in München auf den Plan rufen.

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Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hatte den Fall einer Milchbäuerin zu beurteilen, die nicht nur die eigene Milch, sondern auch daraus hergestellten Joghurt verkauft. Teile ihres Joghurts verarbeitete die Landwirtin weiter zu Fruchtjoghurt. Sie kaufte Fruchtmischungen zu und mischte sie unter den Joghurt. Dazu verwendete sie keine Maschinen. Den Fruchtjoghurt verkaufte sie mit einem Fruchtanteil von 14 Prozent. Das Finanzamt stufte den Fruchtjoghurt als Produkt der zweiten Verarbeitungsstufe ein und unterwarf den Verkauf der Regelbesteuerung, also 7 Prozent (aktuell 5 Prozent) Umsatzsteuer. Diese Abgrenzung hat der BFH mit dem  Urteil vom 27. September 2018, Aktenzeichen V R 28/17, anhand des Falls der Milchbäuerin verworfen. „Das Urteil ist eine kleine Revolution“, sagt Monika Huber, Steuerberaterin bei Ecovis in Erding, „denn damit werden die altbekannten Grundsätze zur Differenzierung des Steuersatzes zwischen 10,7 Prozent und sieben Prozent  obsolet.“ Auch wenn sich die Finanzverwaltung nach wie vor nicht geäußert hat, wie das Urteil in der Praxis  anzuwenden ist, ist zu prüfen, welche Änderungen sich daraus für die bisherige Umsatzbesteuerung ergeben:

Zwischen Urprodukt und bearbeitetem Produkt unterscheiden

Bislang unterliegen die Lieferung selbst erzeugter landwirtschaftlicher Produkte sowie landwirtschaftliche Dienstleistungen, die Betriebsinhaber an andere Landwirte mit dem Ausrüstungsbestand ihres Betriebs erbringen, grundsätzlich der Pauschalierung, und damit 10,7 Prozent Umsatzsteuer. Aus steuerlicher Sicht sind Verarbeitungstätigkeiten der Urproduktion gleichgestellt, wenn der Landwirt im Wesentlichen aus seiner Produktion stammende Erzeugnisse verwendet und das Enderzeugnis seinen land- und forstwirtschaftlichen Charakter nicht verliert. Führt die Verarbeitung aber zu einem Produkt der zweiten oder einer höheren Verarbeitungsstufe, unterliegen die Umsätze daraus generell nicht mehr der Durchschnittssatzbesteuerung, also der Pauschalierung.

Bei der Wahl des richtigen Steuersatzes war bislang zu unterscheiden, ob ein Urprodukt oder ein vom Landwirt weiterverarbeitetes Produkt verkauft wird. Die Abgrenzung hin zur mehrwertsteuerpflichtigen Regelbesteuerung erfolgte anhand des Verarbeitungsgrads. Nur Produkte der ersten Verarbeitungsstufe unterlagen bis zu dem BFH-Urteil der Pauschalierung. Dies hat der BFH nun verworfen und erlaubte der Milchbäuerin die Umsatzsteuerpauschalierung.

Verarbeitungsstufen entfallen, die Maschine ist entscheidend

Nach Ansicht der Richter ist die bisherige Abgrenzung nach Verarbeitungsstufen laut der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht gerechtfertigt. Maßgebend ist vielmehr, dass im Wesentlichen eigenerzeugte landwirtschaftliche Produkte be- und verarbeitet und dabei nur Maschinen und Gerätschaften eingesetzt werden, die zur normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen Betriebs gehören. Wie viele Verarbeitungsstufen letztlich vorliegen, spielt aber für die Umsatzbesteuerung keine Rolle.

Nachdem das landwirtschaftliche Urprodukt Milch durch Joghurtmaschinen, wie sie üblicherweise in der landwirtschaftlichen Produktion verwendet werden, weiterverarbeitet wurde, unterliegen die daraus erzielten Erlöse der Umsatzsteuerpauschalierung. Und da für die weitergehende Verarbeitung zu Fruchtjoghurt keine weiteren, insbesondere keine industriellen oder außerlandwirtschaftlichen Maschinen eingesetzt wurden, ist auch der Fruchtjoghurtverkauf pauschalierungsfähig. Durch die bloße händische Vermischung behält auch das Produkt der zweiten Verarbeitungsstufe die Einstufung als pauschalierungsfähiges Erzeugnis.

Welche Folgen hat das Urteil?

Werden für die zweite Stufe der Be- und Verarbeitung keine industriellen und außerlandwirtschaftlichen Maschinen verwendet, bleiben die verkauften Produkte in der Umsatzsteuerpauschalierung. Auch Waren der zweiten Verarbeitungsstufe sind dann entgegen der bisherigen Verwaltungsmeinung pauschalierungsfähig. Bis nähere Erkenntnisse dazu vorliegen, ist also davon auszugehen, dass die in der Urproduktion und die für die erste Verarbeitungsstufe eingesetzten Maschinen und Gerätschaften zum normalen Ausrüstungsbestand des Betriebs gehören.

Unabhängig vom Verarbeitungsgrad ist weiterhin der Anteil der verwendeten Eigenerzeugnisse an einem Fertigprodukt im Blick zu halten. Bei 14 Prozent Zukauf hat der BFH bei der Milchbäuerin kein Problem gesehen. „Wir gehen in unserer Beratungspraxis davon aus, dass die Grenze der Finanzverwaltung in Höhe von 25 Prozent bis auf Weiteres Bestand haben wird“, ergänzt Steuerberaterin Huber.

Was ist künftig pauschalierungsfähig?

Welche Produkte künftig pauschalierungsfähig sind, lässt sich nicht pauschal und konkret beantworten. Laut BFH-Urteil kommt es nicht mehr auf die Verarbeitungsstufen an, sondern auf die beim Verarbeitungsprozess eingesetzten Maschinen und Werkzeuge für die zweite und weitere Verarbeitungsstufen. Um zu beurteilen, ob ein Produkt pauschalierungsfähig ist oder nicht, ist die Frage zu beantworten: Gehören die verwendeten Geräte zur normalen Ausstattung des landwirtschaftlichen Betriebs oder kommen sie in Gewerbebetrieben beispielsweise in Metzgereien, Bäckereien oder in der Gastronomie zum Einsatz?

Ein Beispiel zur Verdeutlichung

Ein Landwirt verkauft seine Schweine nicht nur an den Schlachthof, sondern auch in seinem Hofladen. Dort bietet er neben ganzen Spanferkeln auch Schweinehälften, bratfertige Stücke sowie Hackfleisch und Wurstwaren an. Nach der bisherigen Sichtweise sind ganze Schweine und Schweinehälften pauschalierungsfähig. Jede weitergehende Verarbeitung des Tieres führt zur Regelbesteuerung.

Da es jetzt auf die bei der Verarbeitung eingesetzten Werkzeuge wie Messer oder Sägen, die zu landwirtschaftlichen Geräten zählen und mit denen das Schwein geschlachtet wurde, ankommt, sind auch Schweinebraten, Koteletts oder Filetstück pauschalierungsfähig.

Wird Hackfleisch oder Wurst hergestellt und dazu ein Fleischwolf oder ein Kutter eingesetzt, geht die Pauschalierung verloren und die Regelbesteuerung ist anzuwenden. Grund: Es werden Metzgermaschinen zur Verarbeitung verwendet und diese zählen nicht zu den landwirtschaftlichen Geräten. Es kommt künftig also immer darauf an, welche Maschinen oder Werkzeuge tatsächlich zur Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse verwendet werden.

Künftig pauschalierungsfähig?

Beispiele, für welche Produkte die umsatzsteuerliche Abgrenzung neu zu prüfen ist, abhängig vom Maschinen- und Geräteinsatz:

Urprodukt Veredlungsprodukt Einstufung
Rindvieh
 
geschlachtet und in Viertel zerlegt 1. Stufe
kleinere Portionen (bratfertige Stücke, Wurst) 2. Stufe
Milch
 
H-Milch, Magermilch, Joghurt, Butter, Käse 1. Stufe
kondensierte Milch, Milchzucker, Speiseeis 2. Stufe
Getreide
 
Mehl, Schrot, Kleie 1. Stufe
Brot, Backwaren, Nudeln, Müslimischungen 2. Stufe
Gemüse
 
geschält und zerkleinert, Säfte 1. Stufe
Gemüsemischungen, Suppen, Fertiggerichte 2. Stufe
Obst
 
zerkleinert, entkernt, Trockenobst, Obstsäfte, Most, Obstwein 1. Stufe
Obstschnaps, Obstlikör, Obstkuchen, Marmelade, Konfitüre 2. Stufe
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