Der Kunde ist Investor
Erfolgversprechende Ideen, aber das Geld für die Umsetzung fehlt? Binden Sie doch die Kundinnen und Kunden in die Finanzierung mit ein! Welche Möglichkeiten es dabei gibt und was man beachten sollte, hat das BioFinanz-Projekt herausgefunden.
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Fehlender Zugang zu Krediten in der Gründungsphase, die jüngeren Entwicklungen am Bodenmarkt, ideele Beweggründe – immer mehr Unternehmen der Land- und Lebensmittelwirtschaft schauen sich nach Alternativen zur klassischen Bankenfinanzierung um. Gleichzeitig ist das gesellschaftliche Interesse an ethischen Geldanlagemöglichkeiten in den vergangenen Jahren gestiegen und viele haben den Wunsch, sich stärker persönlich für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu engagieren. Sogenannte bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle können helfen: Sie ermöglichen eine direkte finanzielle Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Doch wie funktioniert das? Und worin liegen die Chancen und Probleme dieser Modelle?
Das BioFinanz-Projekt analysierte verschiedene alternative Finanzierungsformen entlang der Wertschöpfungskette für ökologische Lebensmittel. Durchgeführt wurde das Projekt vom Institut für Ländliche Strukturforschung (IfLS) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE).
Große Bandbreite an Modellen
Die Modelle stellen zwar nach wie vor eine Nische in der Finanzierungslandschaft dar, werden aber insbesondere im Öko-Sektor verstärkt genutzt.
- Rechtsformgebundene Modelle: Darunter fallen verschiedene Personen- und Kapitalgesellschaften ebenso wie Genossenschaften. Häufig – aber nicht notwendigerweise – entspricht die jeweilige Rechtsform der Organisationsstruktur des Unternehmens. Je nach Rechtsform erwerben Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel Aktien oder Genossenschaftsanteile und beteiligen sich in Form von Eigenkapital.
- Reine Finanzierungsinstrumente: Diese Kategorie umfasst Modelle wie Crowdfunding, Genussrechte oder Darlehen, mit denen einzelne Investitionsvorhaben zeitlich begrenzt finanziert werden.
- Unternehmensübergreifende Modelle: Die Beteiligung erfolgt hier indirekt mittels Organisationen, die das Kapital der Verbraucherinnen und Verbraucher bündeln und dann mit verschiedenen Unternehmen der Land- und Lebensmittelwirtschaft zusammenarbeiten. Sie stellen den Unternehmen Kapital oder landwirtschaftliche Nutzflächen zur Verfügung. Hierzu gehören zum Beispiel die Regionalwert AGs oder BioBoden.
Daneben gibt es weitere Modelle, die keine Finanzierungsformen im engeren Sinne sind, zum Beispiel Solidarische Landwirtschaft oder Tierleasing. Es handelt sich dabei eher um einen Ansatz des Wirtschaftens beziehungsweise Vermarktungsmodelle.
Warum werden alternative Finanzierungsmodelle genutzt?
Die Gründe für die Nutzung bürgerschaftlicher Finanzierungsmodelle sind einerseits wirtschaftlicher und andererseits gesellschaftspolitischer beziehungsweise ideeller Natur. Während reine Finanzierungsinstrumente wie Crowdfunding eher aus wirtschaftlichen Gründen gewählt werden, spielen bei der Entscheidung beispielsweise für Solidarische Landwirtschaft oder intermediäre Aktiengesellschaften öfter gesellschaftspolitische Beweggründe eine Rolle.
Mit bürgerschaftlicher Finanzierung werden mehrheitlich Summen von 5.000 bis unter 50.000 Euro aufgebracht. Überwiegend werden darüber Investitionen finanziert, vereinzelt dient dies aber auch der Warenvorfinanzierung oder zur Sicherung von Liquidität. Insgesamt sind die Modelle in allen Unternehmen nur ein Baustein. Sie ergänzen die klassische Bankenfinanzierung oder übliche Leasingverträge.
Indem sie beispielsweise das fehlende Eigenkapital bereitstellen, können bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle die Kreditwürdigkeit bei Banken erhöhen. Besonders geeignet erscheinen dabei das ähnlich dem Eigenkapital gewertete Genussrechtskapital und Genossenschaftsanteile. Auch erfolgreich abgeschlossene Crowdfunding-Kampagnen erhöhen tendenziell die Bonität gegenüber Banken. Doch eine Finanzierung (fast) ohne Bankkredite ist auch realisierbar, wenn verschiedene bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle miteinander kombiniert werden.
Wie lockt man Investoren?
Je nach Finanzierungsmodell können Kapitalgeber einen Gegenwert erhalten. Hierzu zählen finanzielle Gegenleistungen, Naturalien, Gutscheine oder Rabatte. Die angebotene oder erwartete Gegenleistung kann ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entscheidung für eine finanzielle Beteiligung sein. Eine persönliche Beziehung ist zunächst wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines Modells. Bürgerschaftliche Finanzierung kann aber auch dabei helfen, die Beziehungen zu bestehenden Kundinnen und Kunden zu stärken oder neue zu gewinnen. Zumeist kommen die Kapitalgeber aus dem persönlichen oder unternehmerischen Umfeld des Betriebs, daneben aber auch aus dem weiteren Bekanntenkreis und somit größtenteils aus der eigenen Region. Nur in Einzelfällen können, zum Beispiel bei Crowdfunding oder über Bürgeraktiengesellschaften, auch Kapitalgeberinnen und -geber ohne bisherigen Bezug zum Betrieb gewonnen werden.
Sowohl die kapitalnehmenden Unternehmen wie auch die Bürger wünschen sich eine Stärkung der Verbindungen zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft, dies ist häufig als Motiv für die Wahl eines bürgerschaftlichen Finanzierungsmodells von beiden Seiten genannt worden. Allerdings ist das tatsächliche persönliche Engagement der Kapitalgeber in den Unternehmen häufig geringer als erwartet. Wo es zustande kommt, geschieht dies zumeist durch Arbeitseinsätze bei der Ernte, im Laden oder bei Bauprojekten, durch Mithilfe bei Veranstaltungs- oder der Betriebsorganisation. Hinderungsgründe für ein stärkeres Engagement sind auf Seiten der Unternehmen die Befürchtung, dass die Mitarbeit als Schwarzarbeit betrachtet wird, auf Seiten der Bürger Zeitmangel oder aufgrund höheren Alters mangelnde körperliche Fähigkeit.
Wo liegen die Schwierigkeiten?
Bürgerschaftliche Finanzierungsmodellen stellen Unternehmen und Betriebe vor eine Reihe von Herausforderungen. Die größten Schwierigkeiten liegen in der Gewinnung von Unterstützern, dem hohen Aufwand sowie rechtlichen Aspekten:
- Potenzielle Investorinnen und Investoren anzusprechen und zu einer finanziellen Beteiligung zu bewegen kann insbesondere für Existenzgründer schwierig sein. Sie müssen sich häufig erst ein Netzwerk aufbauen. Vertrauen in ein Unternehmen, eine Persönlichkeit oder ein Finanzierungsmodell muss erst erarbeitet werden.
- Der Aufwand für den Erfolg hängt vom konkreten Finanzierungsmodell ab. Vor allem der Kommunikationsaufwand, um Unterstützerinnen und Unterstützern zu gewinnen, aber auch für die administrative Abwicklung sind nicht zu unterschätzen. Eng verknüpft damit sind auch Kosten, die zum Beispiel für die Nutzung einer Crowdfunding-Plattform oder für eine rechtliche Beratung anfallen.
- Der rechtliche Rahmen schränkt die Nutzung von bürgerschaftlichen Finanzierungsmodellen unter anderem aus Gründen des Anlegerschutzes ein. Verstöße können zu hohen Strafen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht führen.
Die Nutzung von bürgerschaftlichen Finanzierungsmodellen ist kein Selbstläufer und auch nicht für alle Unternehmen gleichermaßen geeignet. Wegen des zum Teil sehr hohen Aufwands werden die Modelle häufig nicht nur als reine Finanzierungsalternative, sondern auch als eine Investition in Kommunikation und Marketing gesehen.
Wie gelingt es dennoch?
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die den Erfolg bürgerschaftlicher Finanzierungsmodelle begünstigen:
Eine wichtige Rolle spielt Vertrauen, das potenzielle Unterstützer in das Unternehmen oder die Betriebsleitung haben. Dieses kann durch ein positives Image in der Öffentlichkeit, aber auch durch persönlichen Kontakt entstehen. Die Einbindung in, sowie Pflege von bestehenden Netzwerken stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor dar.
Eine intensive Kommunikationsarbeit ist zwar kein Garant für den Erfolg, aber zwingend erforderlich, um Menschen von einer Beteiligung zu überzeugen.
Im Hinblick auf die Kommunikation erleichtern verständliche und interessante Investitionsobjekte die Ansprache potenzieller Geldgeber. Gut ausgewählte und attraktive Gegenleistungen stellen einen weiteren Erfolgsfaktor dar.
Letztlich müssen im Unternehmen Kompetenzen und Kapazitäten (finanziell wie zeitlich) vorhanden sein, um bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle erfolgreich umsetzen zu können.
Empfehlungen
Grundsätzlich sollten Unternehmen und Betriebe vor der Entscheidung für bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle reflektieren, was ihre Beweggründe sind und ob Sie bereit sind, den Mehraufwand im Vergleich zur klassischen Kreditfinanzierung zu betreiben und sich mit einer Vielzahl an Geldgebern auseinanderzusetzen. Sie sollten sich außerdem umfassend über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Modelle informieren, um das am besten geeignete Finanzierungsmodell zu finden. Schließlich sollten Sie eine rechtliche beziehungsweise steuerliche Beratung in Betracht ziehen, um mögliche Fehler auszuschließen.







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