Honig mal ganz anders
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Ein süß-klebriger Faden bernsteinfarbener Flüssigkeit kringelt sich aufs Brot. Auch wenn es so aussieht – Honig ist das nicht. Es ist die vegane Alternative, quasi neu entdeckt aus Omas Rezeptbuch.
Seitdem Daniela Nowak ihren Speiseplan vor Jahren auf vegane Ernährung umgestellt hat, verzichtet sie neben Fleisch, Eiern und Milch auch auf Honig. Das verpasste ihrer Leidenschaft für Honigwein kurzzeitig einen Dämpfer. Bei der Suche nach Alternativen stieß sie mit ihrem Lebensgefährten Stephan Weidtmann auf ein Rezept für Löwenzahnhonig. „Wir sind dann erstmal Blümchen pflücken gegangen und haben experimentiert, bis Konsistenz und Geschmack gepasst haben“, erinnert sie sich.
Begeistert von ihrer Entdeckung, die sie „Wonig“ tauften, nahm Daniela die ersten sechs Gläser mit auf eine Veranstaltung ihres Vereins "Veganice", dem sie damals vorstand. „Die Gläser waren ruckzuck weg“, erzählt sie. Das machte ihr Mut, weiterzumachen und die Produktion zu vergrößern. Heute verkauft die nordrhein-westfälische Firma etwa 8.000 bis 9.000 Gläser im Monat. Ihre Kunden können aus 15 Sorten wählen. Und auch der Honigwein gehört selbstverständlich zum Sortiment.
Zwei Hände voll Blüten
Um nach Omas Hausrezept aus Pflanzenteilen wie Blüten und Blättern einen zähflüssigen Sirup, den Wonig, zu machen, werden sie in Wasser eingekocht. Für ein Kilogramm Löwenzahnhonig genügen be-reits circa zwei Hände voll frischer Blüten. Nowak nutzt inzwischen jedoch getrocknete Löwenzahnblüten, die sich besser lagern lassen. Es gilt: Je mehr Blüten, desto intensiver wird der Geschmack. Die Mischung aus Blüten und Wasser siedet für zwei bis drei Stunden. Anschließend darf der Sud über Nacht ziehen, damit sich das Aroma entfaltet. Danach müssen die Pflanzenteile herausgefiltert werden. Die Flüssigkeit wird dann mit Zucker eingekocht und je nach Sorte noch mit Zitrone oder Gewürzen verfeinert. Auch die müssen anschließend wieder herausgefiltert werden. Daniela und Stephan haben das Rezept auf ihre Bedürfnisse angepasst und die Produktionsschritte vereinfacht.
Damit aus dem Wonig Met wird, wird er mit Wasser und Hefe vergärt. Etwa zwölf Volumenprozent Alkohol enthält der Honigwein, wenn er fertig ist. Den Met stellt ein Geschäftspartner von Vegablum her.
Die Pflanzenextrakte, Blätter und Blüten für die Wonige kommen größtenteils aus Deutschland und Österreich. Die Lieferanten hat die Gründerin im Internet recherchiert und gefunden. Leicht war das nicht, da die Abnahmemengen noch immer recht klein sind. Etwa 100 bis 200 Kilogramm Blüten benötigt sie pro Sorte im Jahr. Für die Kassenschlager Löwenzahn, Lavendel und Gänseblümchen kauft Daniela die meisten Blüten. „Manche sagen, dass wir ja dann den Bienen das Essen wegnehmen. Aber das ist nicht so. Die Blüten stehen ja erstmal eine ganze Weile. Dadurch haben die Bienen erstmal mehr Nektar, als wenn die Blumen nicht angebaut werden würden.“
Von Anfang an war für Daniela und Stephan klar, dass sie ihr Zielpublikum größtenteils in Biosupermärkten finden würden. Die Umstellung auf EU-Bio war also notwendig, um den Wonig dort platzieren zu können, wo er gekauft wird. Fast alle Wonige tragen inzwischen das EU-Bio-Siegel.
Da steckt viel Handarbeit drin
Beim Wonig ist noch vieles Handarbeit. Beim Abfüllen legt Stephan Deckel und Glas bereit, damit eine Maschine den Deckel zudrehen kann. Seit sich Vegablum 2019 dank Crowdfunding eine Abfüllmaschine und eine kleine Etikettiermaschine kaufen konnte, gehören wenigstens Sehnenscheidenentzündungen vom Deckel-Zudrehen der Vergangenheit an. Wenn die Abfüllmaschine schneller ist als Stephan mit den Deckeln, muss er die Maschine kurz anhalten, um wieder Platz auf dem kleinen Tischchen zu schaffen.
Die Layouts für neue Etiketten erstellt ein Grafiker. Daniela braucht dann nur noch den Text einzutragen. „Manchmal liest man fünf Mal über die Etiketten und denkt, alles wäre richtig“, erinnert sie sich. Doch dann druckte sie Etiketten auf Englisch. „Und irgendwann ist mir aufgefallen, dass da etwas nicht stimmt.“ Statt „Sweet Spread“ (Süßer Aufstrich) hatte sie „Sweat Spread“ (Schweißaufstrich) geschrieben. Ein peinlicher Fehler, dem sie schließlich alle gedruckten Etiketten opferte.
Bei „Null“ anfangen
Fünf Jahre ist es her, dass Daniela mit Ihrem Partner Stephan das Unternehmen „Vegablum“ gegründet hat. Damals war sie arbeitslos. Mit 2.000 Euro Starthilfe und dem wenigen eigenen Kapital baute sie eine kleine Produktion auf. In einer umgebauten alten Gaststätte lebten und kochten sie gemeinsam.
Die ersten Kunden kamen über den Verein. Zusätzlich schrieb die Gründerin vegane Läden an, von denen manche den Wonig in ihr Sortiment aufnahmen. Bald folgten eine eigene Homepage mit Onlineshop sowie eine Facebookseite, über die Daniela auch Werbung schaltete. Inzwischen arbeitet sie auch mit Bloggern über Instagram zusammen. „Ohne Kapital zu wachsen, ist die größte Herausforderung für uns“, findet sie.
„Ohne Kapital zu wachsen, ist die größte Herausforderung.“ Daniela Nowak
Trotzdem: Innerhalb kurzer Zeit brauchte es ganze Paletten, um die Nachfrage zu decken. Die Paletten besetzten alsbald auch Wohn- und Schlafzimmer, passten allerdings kaum durch die Wohnungstür. „Das hat unheimlich viel Zeit gefressen“, betont Daniela. Im Mai 2020 zogen sie in ein neues Gebäude in Plettenberg in Nordrhein-Westfalen mit Lagerhalle und ausreichend großer Tür. „Wir hatten gerade unterschrieben und dann ging das mit Corona los“, erzählt sie weiter. Ein großes Problem für den kleinen Betrieb, der bevorzugt Messen wie die BIOFACH nutzte, um Kontakte zu knüpfen und den Wonig zu präsentieren. „Unser Produkt MUSS probiert werden“, ist sich die Gründerin sicher.
m dieses Defizit auszugleichen, erweiterte sie den Onlineshop unter anderem um Nudeln, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel. Hinzu kamen weitere Lebensmittel. So bekommen die Kunden nicht nur Honigersatz und Met. Anfangs bestellten dadurch wesentlich mehr Leute über den Onlineshop als vorher. Einige davon sind bis heute hängen geblieben.
Einige Edeka-Märkte, viele Unverpackt-Läden, LPG-Biomärkte, Dennree, Globus und Kaufland haben den Wonig inzwischen in ihr Sortiment aufgenommen. Demnächst will Vegablum nach Frankreich und Österreich expandieren. In der Schweiz läuft der Verkauf gerade an. „Ideen hab ich Tausende“, sagt Daniela. „Aber sie umzusetzen, ist nicht immer leicht.“ Dass das Unternehmen wächst und die Leute vom Produkt begeistert sind, freut die Gründerin. Sie wisse, wofür sie und ihr Partner zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiten: Eine Alternative zu Honig zu schaffen, der in ihren Augen nicht bienengerecht produziert wird.








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