Wahre Preise? Warum es sie nicht gibt.
Immer öfter wird gefordert, die „wahren Kosten“ der Lebensmittel festzustellen und entsprechend „wahre Preise“ auszuloben, die die immensen, von der Landwirtschaft verursachten Schäden an der ökologischen Lebensgrundlage und dem Gemeinwohl einkalkulieren. Was zunächst logisch erscheint, ist ökonomisch falsch. Preiswahrheit ist das schnelllebige Ergebnis einer Aushandlung zwischen Angebot und Nachfrage. Doch es gibt eine andere Möglichkeit, Anreize für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion zu setzen.
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„Wahre Preise“ sollen die Folgekosten schädigender Wirtschaftsweisen beinhalten und so die Landwirtschaft ökologischer und nachhaltiger gestalten. Hinter der Forderung von „True Pricing“ (wahren Preisen) steckt die Annahme, dass die jetzigen Preise nicht die ökonomische Wahrheit abbilden. Die Kosten für die Behebung der Schäden, die nicht-nachhaltiges Wirtschaften verursacht, seien darin nicht enthalten. Aber was sich logisch und auch vernünftig anhört, ist bei genauerer Betrachtung ökonomisch irreführend.
Angebot und Nachfrage bilden den Preis
Das 1x1 der Preisbildung in einer freien Marktwirtschaft lautet: Preise bilden sich in einer Marktwirtschaft durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, bei dem der Faktor der Knappheit der Prüfstein ist. Ist die Nachfrage nach einem Gut höher als das Angebot, steigt der Preis. Ist das Angebot höher als die Nachfrage, sinkt der Preis. Kann für ein Gut oder eine Dienstleistung ein hoher Erlös erzielt werden, wird infolgedessen mehr davon produziert. Das Angebot wird erhöht, weil es für die Angebotsseite attraktiv ist, mehr zu produzieren.
Preise sind also vorerst nur eine Vorstellung der Angebotsseite. Nimmt die Nachfrageseite sie nicht an, sind sie bedeutungslos. Preiswahrheit entsteht nur in dem Moment, in dem die abnehmende Hand, also die Kund:innen, das Angebot annehmen und löst sich nach der Transaktion sofort wieder auf. Da die Produktionskosten eines Produkts von den Inputpreisen der vorgelagerten Wertschöpfungsstufen abhängen, die ihrerseits in jeder einzelnen Stufe das Ergebnis der gleichen Aushandlung in sich tragen, ist das Konzept der wahren Kosten bedeutungsleer. Dieses Faktum ist in unserer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung in Bezug auf die Preise das einzig gültige – in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung kann dies anders sein.
Vorbeugen ist günstiger als nachsorgen
Was wäre die Alternative zum „True Pricing“? Sicher nicht, so weiter zu wirtschaften wie bisher. Zunehmend bedrohen Knappheiten an ökologischen und sozialen Reproduktionsleistungen unsere Lebensgrundlagen und das Gemeinwohl. Sie entstehen aufgrund der unvollständigen Kosten- und Leistungszuschreibung in der Betriebswirtschaft. Dass die Landwirtschaft deshalb nachhaltiger werden muss und dafür eine finanzielle Vergütung braucht, steht außer Frage.
Die aus meiner Sicht sinnvollste Vorgehensweise hierfür wäre, die betrieblichen Maßnahmen und Leistungen für nachhaltiges Wirtschaften und für das Gemeinwohl zu berechnen, ihnen einen Wert zuschreiben und diesen den Betrieben zu vergüten. Der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft geht für die Schadensvermeidung von jährlichen Kosten zwischen 5 und 9 Milliarden Euro aus. Im Gegensatz dazu können die Kosten für die Reparatur der entstandenen Schäden beim Zehnfachen liegen.
Das Geld für solche Leistungen sollten aus Steuermitteln aufgebracht werden, da die Leistungen der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Schließlich trägt die Allgemeinheit in der Regel auch die externalisierten Schäden. Pro Bundesbürger:in würde das etwa zwischen 60 und 110 Euro an jährlichen Mehrkosten bedeuten, was ungefähr auch dem Steueraufkommen für die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) entspricht. Dieser Vorschlag der Umverteilung hätte auch eine interessante sozialpolitische Konsequenz: Würden die Reproduktionsleistungen den Betrieben auf diesem Weg vergütet, könnten die Preise für hochwertige und nachhaltig produzierte Lebensmittel sinken, weil Produzenten ihre dafür anfallenden Kosten nicht mehr in das Preisangebot aufnehmen müssen.







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