Projekt A.ckerwert: Potenzial Verpachtung
Viele Verpachtende würden gerne Einfluss auf die Art derBewirtschaftung nehmen, hat Lioba Degenfelder festgestellt. Mit ihrem Projekt A.ckerwert berät sie Eigentümer:innen und Landwirt:innen. Das Spannende: Viele Landbesitzendewünschen sich Ökolandwirtschaft auf ihren Flächen. Mit einer gezielten Beratung ließe sich die Agrarwende also beschleunigen. Wir haben einmal genauer hingesehen.
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Entstanden ist das Konzept 2019. Im Vorfeld des später erfolgreichen Volksbegehrens „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ war die Diskussion aufgeheizt. Lioba Degenfelders Partner Helmut Harlander ging es ähnlich, wie vielen Verpächterinnen und Verpächtern – er begann über die Flächen nachzudenken, die ihm von den Eltern schon lange überschrieben worden waren, um die er sich aber noch nie so richtig gekümmert hatte. Als Flächeneigentümer bekam er jährlichen einen Geldbetrag überwiesen, zu Land und Bewirtschafter hatte er keinen Bezug. Harlander gehört damit zu einer wachsenden Gruppe von Menschen: Erben und Erbinnen, die keinen echten Bezug mehr zur Nutzfläche ihrer Vorfahren haben. Als 2019 die Diskussion um den notwendigen Wandel in der Landwirtschaft einen neuen Höhepunkt erreichte, stand für viele plötzlich die Frage im Raum: „Was passiert eigentlich auf und mit meinem eigenen Land?“
Eine prägende Erfahrung
Schnell fanden Degenfelder und Harlander heraus: Auf den fünf Hektar Boden, die der Niederbayer überschrieben bekommen hatte, fand konventionelle Landwirtschaft statt. Ein „Vollgasbauer mit Riesen-Maschinen“ nennt Degenfelder den Landwirt und Lohnunternehmer, der die Fläche bewirtschaftete. Für eine Wende im Kleinen fand sich kein Ansatz. „Wir haben dann einen Biobauern gesucht“, erzählt die Umweltingenieurin. Doch der niederbayerische Landkreis Dingolfing-Landau sei in Sachen Biolandwirtschaft noch eine Diaspora, meint sie schmunzelnd. Zum Glück vielleicht, denn so kam ein konventioneller Landwirt aus dem Dorf zum Zug und sorgte dafür, dass das Projekt ein Modell wurde. Der junge Landwirt zeigte sich offen und so entstand am Küchentisch ein Austausch über Wünsche und Bedürfnisse der beiden Seiten. Das Ergebnis: Landwirt Max zahlt jetzt immer noch einen unterdurchschnittlichen Pachtpreis und erhält außerdem vom Freistaat aus dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) für den zusätzlichen Aufwand und den entgangenen Ertrag ein angemessenes Entgelt.
„Wir haben dann da ein richtiges Mosaik geschaffen“, freut sich Degenfelder; mit Blühflächen, einem Lehrpfad und der Übernahme der gesamten Fläche ins VNP – ein Rebhuhn-Vorkommen machte es möglich. Jetzt wird nicht mehr gespritzt und gedüngt. Bis Mai herrscht eine Bewirtschaftungsruhe. Weil der örtliche Bäcker auf das Projekt aufmerksam geworden war und nun bei Landwirt Max regional angebautes Getreide ordert, war für den Landwirt zugleich der Einstieg in die Direktvermarktung gemacht. „Toll war, dass sich nicht nur auf den Flächen etwas verändert hat – auch der Prozess war schön“, fasst Degenfelder die Erfahrungen zusammen. Für die Umweltingenieurin, die bis dahin für den Bund Naturschutz hauptberuflich Jugendarbeit gemacht hatte, war klar: Es gibt einen Bedarf und es gibt einen Hebel etwas zu verändern.
Mit einem ersten Konzept suchte Degenfelder Partner und fand schließlich in der Ländlichen Entwicklung eine Abteilung für Forschung und Entwicklung, die die Sache spannend fand. Im Januar 2020 ging A.ckerwert an den Start. Ihre Erfahrung aus der Arbeit ihm Verband kam ihr dabei zugute, denn schnell zeigte sich: Die Nachfrage wird in erster Linie durch Pressearbeit gesteuert. Jede Veröffentlichung in größeren Medienkanälen machte Verpächterinnen und Verpächter auf das Projekt und die Möglichkeit, an der Bewirtschaftung etwas zu verändern und damit auch einen Beitrag zu leisten, aufmerksam. Damit war die erste Erkenntnis gewonnen: Je besser man die Eigentümer erreichen kann, desto schneller lässt sich etwas ändern. „Es wäre natürlich viel einfacher, wenn man als Projekt direkten Zugang zu den Flächeneigentümern hätte“, sagte Degenfelder. Schließlich hätten die Landwirtschaftsämter ja die Daten und es wäre viel einfacher, einmal im Jahr alle anzuschreiben, meint sie. „Ich muss ja jetzt quasi in die Welt rufen, um die Eigentümer zu erreichen, die gerade zufällig ansprechbar sind. Staatliche Stellen hätten es also in der Hand, über eine direkte Ansprache bei den Eigentümern mehr Bewusstsein zu schaffen.“
Zwei grundverschiedene Zielgruppen
Es sind zwei grundverschiedene Zielgruppen, die sich an A.ckerwert wenden. Auch das ist eine der wertvollen Erkenntnis, die das Projekt gebracht hat. Degenfelder beschreibt sie auf Basis des Milieu-Modells, welches das Sinus-Institut entwickelt hat. Es hilft, gesellschaftliche Gruppen zu beschreiben. Die größere Gruppe ist jünger und lässt sich dem „Neo-ökologischen Milieu“ zuordnen. Es sind meist Städter mit ausgeprägtem ökologischem Bewusstsein, die zu einer Erben-Generation gehören und nur noch geringen Bezug zu dem Land in Familienbesitz haben. Für sie spielt der Pachtzins eine untergeordnete Rolle. Sie wollen den Grundbesitz nutzen, um etwas zu verändern und wünschen sich meist direkt eine biologische Bewirtschaftung. Die andere Gruppe, die Degenfelder identifiziert hat, lässt sich dem „Traditionellen Milieu“ zuordnen. Meist sind es ältere Frauen, 75+, die das Land selber noch bewirtschaftet haben und mit Unbehagen die intensive Landwirtschaft mit Maismonokulturen, Jaucheausbringung und Verlust von Vielfalt erleben. Sie sind in der Regel noch in den dörflichen Kontext eingebunden und scheuen eine konfrontative Auseinandersetzung mit Nachbarn und Familie. Der Pachtzins hat für sie oft größere Bedeutung.
Gerade die erste Gruppe ist für die ökologische Landwirtschaft von größtem Interesse. Da die Protagonisten meist nicht mehr in den regionalen Kontext eingebunden sind, müssen sie keinen sozialen Druck befürchten, wenn sie auf Änderungen in der Bewirtschaftung oder einen Pächterwechsel drängen. Dazu kommt: Meist ist die Höhe des Pachtzinses für sie zweitrangig. Die Bedeutung des Pachtpreises ist dabei für diese Verpächter umso geringer, je kleiner die verpachtete Fläche ist. Biobäuerinnen und -bauern haben also über solche Verpächter die Chance, an erschwingliches Land und zugleich stabile und langfristige Pachtverträge zu gelangen. Es dürfte sich deshalb durchaus lohnen, sich mit den Eigentumsverhältnissen in der Nachbarschaft auseinanderzusetzen und für ökologische Landwirtschaft zu werben („Wir suchen Pachtland“).
Am Ende muss der Verpächter entscheiden
„Die Eigentümer haben über die Flächen einen wahnsinnigen Hebel in der Hand, aber sie können den Trumpf nicht spielen, weil sie die Spielregeln nicht gut genug kennen.“, fasst Degenfelder ihre Erfahrungen aus dem Projekt A.ckerwert zusammen. Es brauche in der Fläche Ansprechpartner mit einem guten lokalen Netzwerk und einer guten Ortskenntnis, die diesen Hebel dann auch wirklich im Sinne von Veränderungen der Flächennutzung umlegen können. Wenn es gelingt, auf beiden Seiten ein gemeinsames Verständnis zu erzielen, sei es auch möglich, zu Lösungen zu kommen, mit denen alle leben können. Auch werde als Nebeneffekt ganz viel Bewusstsein geschaffen, weil viele Landwirte und auch Verpächter in der ruhigen und sachlichen Auseinandersetzung erst einmal begreifen, worum es eigentlich jeweils geht. Ohne Moderation sei das aber kaum zu bewerkstelligen. Denn, um sich überhaupt austauschen zu können, braucht es Vertrauen und die Bereitschaft, sich auf den Prozess einzulassen. Und am Ende benötigen die Verpächter auch eine Beratung, wenn es darum geht, mit Flächennutzern schwierige Fragen zu lösen, bei denen man sich erstmal nicht einig ist.
Nun bleibt für das Projekt zu hoffen, dass der Freistaat die Chance beim Schopfe packt, A.ckerwert aus der zeitlichen Befristung holt und die Idee auf die Fläche überträgt. Dafür wird dann auch ein geeignetes Konstrukt gebraucht, denn ob ein vergleichbares Projekt als Teil einer Behörde funktioniert, steht noch zu beweisen. Und dann darf man auch dem neuen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir raten, den Blick auf das regionale Projekt zu richten. Denn für die Agrarwende etwas zu erreichen und gleichzeitig die Gräben abzubauen – das könnte mehr sein, als er für seine Amtszeit zu hoffen gewagt hat.










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