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Relevant, aber unsichtbar

Studie zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft

Über 7000 Teilnehmerinnen habe bei der Online-Befragung zur Studie „Frauen.Leben.Landwirtschaft“ mitgemacht, mehr als 80 regionale Interviews wurden geführt. Zentrale Themen waren dabei die Rolle der Frauen in den Betrieben, die Gleichstellung von Mann und Frau und die soziale und finanzielle Absicherung der Frauen. Die Studienergebnisse wurden vergangene Woche in Berlin vorgestellt.

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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, waren sich einig: Die Zukunft der Landwirtschaft ist auch von der Attraktivität der Lebens- und Arbeitssituation abhängig. Dazu müssen sich die Bedingungen für die Frauen auf den Betrieben verbessern, was unter anderem mit dem Aufbrechen der klassischen Rollenbilder einhergehen muss. „Die Beiträge von Frauen im landwirtschaftlichen Familienunternehmen sind weniger sichtbar als die der Männer“, bemängelt Bentkämper. Die meisten Frauen nähmen eine vielfältige Rolle ein, was vielen nichts ausmache, doch müssen die Anzeichen von Burnout und Co. auch erkannt werden. „Sie müssen nicht alles allein machen“, gab Bentkämper ihnen auf den Weg mit.

Die Studie, die vom Deutschen Landfrauenverband angeregt wurde, lief über drei Jahre und richtete sich an Betriebsleiterinnen, Geschäftsführerinnen, (mögliche) Hofnachfolgerinnen, Partnerin/Ehefrau des Betriebsleiters sowie Altenteilerinnen. In einer bundesweite Onlinebefragung, regionalen Workshops, qualitativen Einzelinterviews, Fallstudien und Ergebnis-Workshops wurde über Leben und Arbeit der Frauen gesprochen. „Wir hatten alles dabei: Von der selbstbestimmten Betriebsleiterin bis zur Frau, die mit Diskriminierung und Ausnutzung zu kämpfen hat“, berichtet Prof. Dr. Claudia Neu, Lehrstuhlinhaberin Soziologie Ländlicher Räume an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie betonte, dass die Einzelinterviews von besonderer Bedeutung gewesen wären, da die Befragten keine vorgefertigten Antwortmöglichkeiten zur Auswahl bekommen haben, sondern „selbst von Belastungs- und Überlastungssituationen oder Rollenkonflikten berichteten, ohne dass wir es aus ihnen herausgekitzelt haben.“

Das eigene Wohl wird vernachlässigt

Deutlich wurde, dass Frauen auf den Höfen relevant, aber oft in ihren Leistungen und Bedürfnissen sowie in der Statistik unsichtbar sind. Sie agieren meist im Hintergrund und sind vom Familientaxi bis zur Versorgung der Tiere überall eingespannt. Das eigene Wohl werde zu Gunsten des Betriebes in sehr vielen Fällen hinten angestellt. Sei es in Sachen finanzielle Absicherung (450-Euro-Kraft versus Angestellte), ständig auf Abruf stehen zu müssen oder für die gleiche Anerkennung immer mehr leisten zu müssen als ein Mann. Viele Frauen wollen mit dem Betrieb und nicht für den Betrieb leben. Zitat einer Teilnehmerin aus der Studie: „Mit Kindern, Altenteilern und Großeltern werde ich nie das auf dem Hof leisten wie ein Mann.“

So werden laut Statistik auch nur elf Prozent der Betriebe von Frauen geführt; schätzen sich die Frauen selbst ein, sehen sich einige mehr in der Rolle der Betriebsleiterin (19 Prozent). „Um eine Geschlechtergleichstellung in der Landwirtschaft schaffen zu können, müssen Frauen in der Statistik sichtbarer werden“, erläuterte Dr. Susanne Padel von der Universität Göttingen einen Teil der Ergebnisse.

Sorge-Arbeit geht alle etwas an

Juliane Vees, erste Vizepräsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes forderte, dass es den Frauen auf den Betrieben ermöglicht werden müsse, aus der tradierten Rollenverteilung herauszukommen: „Die Care-Arbeit geht nicht nur die Frauen etwas an, sie ist Aufgabe von allen.“ Weiter ermunterte sie die Landwirtinnen, auch mal ihre Bedürfnisse einzufordern oder auszudrücken, dass man jetzt eben mal keine Zeit habe. Auch sei es kein Zeichen von Schwäche, sich möglicherweise auch gegen die Ansichten der Schwiegermutter, eine Haushaltshilfe zu besorgen.

Die Studie zeigt auch, dass die meisten Frauen mit der Arbeit und ihrem Leben zufrieden sind. Dennoch sind 21 Prozent der Befragten Burnout-gefährdet. Anne Dirksen, Leiterin Fachbereich Familie und Betrieb, Landfrauenarbeit, Sozioökonomie an der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, ist davon überrascht, denn sie hat aus ihren Beratungsalltag eher den Eindruck, dass die Zahl deutlich höher sein müsste. Auch Dr. Manuela Rottmann, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, sieht die angegebene Zufriedenheit als ein trügerisches Ergebnis: „Der Familienbetrieb ist eine Einheit aus Familie und Beruf, da hat man Scheu, sich die eigenen Risiken vor Augen zu führen.“

Enormes Arbeitspensum

Bäuerinnen sind Tausendsassas, denn sie übernehmen vielfältige Arbeitsfelder und Rollen auf den Bauernhöfen. Das belegen detaillierte Ergebnisse zur Arbeitssituation aus der Onlinebefragung von Teilnehmerinnen an der bundesweiten Studie, die von Dr. Zazie von Davier und Imke Edebohls vom Thünen-Institut vorgestellt wurden. Daraus wird deutlich, dass Frauen maßgeblich zum Haushaltseinkommen der bäuerlichen Familien beitragen. 83 Prozent der Befragten gaben an, im landwirtschaftlichen Betrieb mitzuarbeiten und fast alle übernehmen die Hauptverantwortung in Haushalt und Familie. Daneben gaben 68 Prozent der Befragten an, in der Pflege aktiv zu sein. Nur wenige erhalten Unterstützung durch Familienmitglieder und auch Hilfe von außen wird selten in Anspruch genommen. Bäuerinnen übernehmen zudem Aufgaben in der Landwirtschaft. Dabei gaben 62 Prozent der Befragten an, im Hofbüro tätig zu sein. Fast zwei Drittel der befragten Frauen helfen in der Tierhaltung und bei der Stallarbeit mit. Darüber hinaus übernehmen Bäuerinnen soziale Aufgaben im Betrieb (52 Prozent), pflegen das Betriebsgelände (49 Prozent) oder stehen als „Springerin“ (32 Prozent) kurzfristig bereit. Seltener sind Frauen in der Feldarbeit oder bei der Maschinenwartung aktiv.

Treiberinnen für die Diversifizierung

Häufig gelten Frauen auch als Treiberin für die Diversifizierung eines Betriebs. Zutreffend, wie die Studie belegt, denn 52 Prozent der Frauen arbeiten in Nebenbetrieben, wobei neben der Direktvermarktung auch Tourismusangebote, soziale Dienstleistungen oder die Pferdehaltung wichtige Betriebszweige sind. Einer außerbetrieblichen Erwerbstätigkeit gehen rund 40 Prozent der Befragten nach, wobei dies meist in einem Beschäftigtenverhältnis erfolgt, seltener als Selbstständige.

Wegen der hohen Arbeitsbelastung haben Bäuerinnen nur wenig Freizeit, insbesondere wenn sie Verantwortung für Tiere tragen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, maximal bis zu zehn Tagen im Jahr frei zu haben. Zeit ist ein knapper Faktor und der Wunsch nach mehr Zeit ist groß, um sie in der Partnerschaft oder mit Kindern und Enkeln zu verbringen oder auch um sie für sich selbst und die eigene Gesundheitsvorsorge zu nutzen. Weniger stark ist der Wunsch, hin und wieder aus dem Betrieb herauszukommen.

Ungleiche Eigentumsverhältnisse

Das Arbeitspensum spiegelt sich indessen nur bedingt in der Führung des Betriebs sowie in den Eigentumsverhältnissen wider. So sind nur elf Prozent der Frauen Alleineigentümerinnen, womit Deutschland zu den Schlusslichtern im europäischen Vergleich zählt. Weiteren 24 Prozent der Frauen gehört ein Teil des Betriebs. Die Mehrheit der Frauen hat kein Eigentum in den Betrieb eingebracht, allerdings haben 32 Prozent Geld eingelegt. In wichtige Entscheidungen auf dem Betrieb sind drei Viertel der Befragten eingebunden oder treffen sie allein. Obwohl die meisten Frauen nicht am Betrieb beteiligt sind, sehen sie sich zurecht zumindest als Mitunternehmerin.

Mangel an Alterssicherung

In der sozialen Absicherung kommt dies allerdings nicht zum Ausdruck. So fühlen sich viele Frauen für das Alter nicht ausreichend abgesichert, auch wenn verschiedene Formen der Alterssicherung vorliegen. Andererseits wissen die Befragten oftmals nicht, wie gut und in welcher Form sie abgesichert sind. Kritisiert wurde die Vereinbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK), die häufig als Gängelei empfunden wird. Zudem wurde bemängelt, dass man vom Altersgeld nicht leben kann – ein Kritikpunkt, der verkennt, dass die LAK nur als Teilabsicherung konzipiert ist. Teils war den Frauen aber bewusst, dass ohne die LAK unter Umständen keinerlei Alterssicherung für Frauen betrieben würde. Außerdem beklagten die Befragten häufig, dass der Betrieb stets an erster Stelle steht und dass Geld meist zuerst in den Betrieb gesteckt und die Alterssicherung hintenangestellt wird. Vielfach haben Frauen auch bereut, dass sie durch die Beschäftigung als Minijobberin zum Steuersparmodell des Betriebs wurden, wodurch sie auf spätere Rentenansprüche verzichtet haben.

Versorgungslücken bereiten den befragten Frauen auch im Fall der Trennung, Scheidung oder bei Tod Sorgen. Nicht ohne Grund, denn ohne notarielle Abmachung oder Ehevertrag, was für die wenigsten der Befragten zutrifft, stellen sich die Frauen im Fall einer Scheidung oft schlecht. Die dann gesetzlich gültige Zugewinngemeinschaft sieht als Sonderfall für die Landwirtschaft einen Ausgleich auf Basis des Ertragswertes und nicht des Verkehrswertes vor. Unter Umständen könnte dadurch der weichende Partner leer ausgehen, die erbrachte Mitarbeit im Betrieb bliebe unvergütet. Besonders gefährdet sind unverheiratete Lebenspartnerinnen, wenn nichts dokumentiert ist.

Ehevertrag wird empfohlen

Nachteile ergeben sich auch bei Tod des Betriebsinhabers, da das landwirtschaftliche Sondererbrecht den Ehepartner nur als weichenden Erben ansieht. Deshalb wurde zum Abschluss eines Ehevertrags oder Testaments geraten, was laut Angaben der Befragten bislang nur 18 beziehungsweise 29 Prozent vorweisen können. Dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nicht zwingend eine bessere Absicherung bedeuten muss, kam in der Diskussion zum Ausdruck. Zwar räume diese Rechtsform den Frauen den Status einer Mitunternehmerin ein, werde aber teils auch als Steuersparmodell genutzt, bei dem die Vermögensteilhabe nicht im Vordergrund stehe. So könne dies hundert Prozent Haftung bedeuten, auch wenn die Frau nur zu fünf Prozent am Vermögen beteiligt sei. Bei der Frage nach Wünschen zu mehr Beratung und Fortbildung nannten die Frauen in der Onlinebefragung daher die soziale Absicherung mit Abstand an vorderster Stelle, zumal die wenigsten Frauen eine ausreichende Absicherung für den Ernstfall haben. Das bereits existierende Beratungsangebot werde häufig zu wenig wahrgenommen.

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