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Kühler Kompost

Bei Trockenheit Erträge stabilisieren und Wasser im Boden speichern

Familie Kraul vom Unteren Berghof in Wildberg (Landkreis Calw) hat innovative und regenerative Lösungen gefunden, um in Extremwetterperioden Wasser im Boden zu speichern und Erträge zu stabilisieren. Zusammen mit den Experten vom Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord stellte Landwirt Jonathan Kraul beim Humus-Feldtag 2022 seine Ansätze vor. Die #Ö-Redaktion hat im Nachgang mit dem Landwirt und Veranstalter gesprochen.
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Sophie und Jonathan Kraul bewirtschaften den Unteren Berghof mit circa 100 Hektar (ha) seit vier Jahren. Angebaut werden unter anderem Kleegras, Weizen, Kartoffeln, Erbsen, Linsen und Dinkel. Zudem stehen rund 80 Pensionsrinder auf dem Betrieb und Mobilställe für circa 4000 Legehennen. Dazu kommen ein kleiner Hofladen mit Selbstbedienung sowie ein touristischer Betriebszweig in Form eines kleinen Campingplatzes und zweier Schäferwagen, die man mieten kann. Die Familie führt den Betrieb nach biologisch-dynamischen Richtlinien und setzt mehrere Prinzipien aus der regenerativen Landwirtschaft auf den Flächen um.

Dauerhafte Begrünung

Einer der Grundpfeiler der regenerativen Landwirtschaft ist eine dauerhafte Begrünung sämtlicher Flächen. „Das wird im Schwarzwald aber schwierig, vor allem bei mastigen Zwischenfrüchten“, erklärte Jonathan Kraul. Deshalb arbeitet der Betriebsleiter gerne mit Untersaaten. In fast jedem Druschgetreide des Betriebs steht eine Untersaat, die nach der Ernte entweder automatisch zum Kleegras als Ackerfutter oder zur Herbstbegrünung wird. Die Herbstbegrünung kann dann im Frühjahr wieder zerkleinert und als Flächenrotte dem Boden zugeführt werden.

Damit die Futterfläche nicht von angerotteten Getreidestängeln durchsetzt ist, mäht Kraul nach der Strohbergung in einem Schröpfschnitt mit dem Mähwerk die Fläche tief ab. Mulchen würde hier zu lange dauern. Anschließend lässt sich die Fläche rasch beweiden und die Fläche liefert schnell wieder einen Futterertrag. „Das funktioniert wunderbar. In nassen Jahren entwickeln sich die Untersaaten bombastisch“, erklärte Kraul. Angelegt wird die Untersaat im Wintergetreide mit einem Nachsaatstriegel. Rund 12 kg Kleegras kommen als Untersaat aufs Hektar Getreidefläche – weniger als der halbe Saatgutaufwand im Vergleich zu einer Neueinsaat, bei der zudem eine Stoppel umgebrochen und ein Saatbett bereitet werden müssen. „Man hat aber trotzdem die gleiche Bestandsdichte“, erklärte er. Sofort nach der Strohbergung ist die Untersaat als Weide trittfest.

Fünf Schritte der regenerativen Landwirtschaft

  1. Nährstoffe ins Gleichgewicht bringen und Ungleichgewichte ausgleichen. Auch ein Zuviel eines Nährstoffs ist problematisch.
  2. Unterbodenlockerung mit mikrobiologischer Stabilisierung.
  3. Dauerhafte Begrünung der Fläche mit Untersaaten und Zwischenfrüchten.
  4. Flächenrotte dem Boden zuführen.
  5. Vitalisierende Blattspritzungen mit Komposttee.

Kompost aufbauen

„Wesentlich ist bei uns die Kompostierung von Stallmist“, sagte Kraul. Auf dem Unteren Berghof wird die reduktive Kompostierung umgesetzt, die auch als mikrobielle Carbonisierung bekannt ist. Dabei wird kein Heißrotteprozess mit ständigem Wenden des Komposts durchgeführt, da dieser Vorgang mit hohen Nährstoffverlusten verbunden sein kann.

Der Kompost besteht zu rund 70 bis 80 Prozent aus Stallmisten, ad libitum Rindenmulch aus der Sägerei sowie Gesteinsmehl. Hackschnitzel statt Rindenmulch sind eine Alternative, wesentlich ist ein hoher Ligninanteil für den späteren Humusaufbau. „Der fertige Kompost hat den Charakter von Walderde“, merkte Kraul an. Die Mischung wird jeweils in einen großen Kompoststreuer mit Breitverteiler ohne Drehteller gefüllt, aus der dann die fertige Kompostmiete verteilt wird. Wenn die Bestandteile sich homogen mischen, wird das Stroh aus dem Tiefstreu rasch zersetzt, und der Kompostierungsprozess kommt zügig in Gang. „Wenn man den Prozess so laufen lässt, fährt aber die Temperatur hoch“, warnt Kraul. Dann käme es zu Nährstoffverlusten. Deshalb drückt er von oben und der Seite mit der Frontladerschaufel auf den Komposthaufen, um den Kamineffekt zu brechen und die Temperatur bei 30 bis 40 Grad Celsius zu halten.

Auch das Befeuchten der Kompostmasse zu Beginn des Prozesses hilft nach Aussage des Landwirts, um einem Überhitzen vorzubeugen. Aus einem alten Güllebehälter entnimmt er Regenwasser, mit dem die Ausgangsmaterialien befeuchtet werden. „Fest treten und feucht halten“ – eine alte Weisheit des Kompostierens wird hier umgesetzt. Wird der Kompost zu heiß, dann verbrennt der Haufen innerlich, was sich an weißem Schimmel zeigen kann. Bei erfolgreicher reduktiver Kompostierung erhält man dagegen einen tiefschwarzen fermentierten Stallmist. Auf 3,5 ha baut Familie Kraul Kartoffeln unter Mulch an.

Flächenrotte im Frühjahr

Dazu erfolgt nach einer Winterbegrünung im Frühjahr die Flächenrotte, dann wird der Boden vorbereitet, damit Dämme aufgebaut und Kartoffeln gepflanzt werden können. Anschließend kommt eine Mulchabdeckung auf die frisch bestellte Kartoffelfläche. „Dazu müssen im Vorfeld alle 12 m Fahrgassen eingeplant werden“, erklärte Kraul. Mit einem klassischen Kompost- oder Miststreuer wird Grünschnitt aufgebracht, aus Kleegras, Dauergrünland und Wickroggen-GPS stammt.

Rund 7 kg FM pro m² kommen auf die Fläche. Das entspricht einer Dicke von 8 bis 12 cm. Hochgerechnet verteilt der Landwirt den Grünschnitt von 3 ha Geberfläche auf 1 ha Kartoffelanbaufläche.„Wichtig ist, dass der Mulch zu einem Zeitpunkt nach dem Dammaufbau und einer mechanischen Unkrautkontrolle aufs Feld kommt“, erklärte Kraul.

Nur auf erwärmten Boden

Auch der Boden muss sich vor dem Beschichten schon erwärmt haben, da die Mulchauflage isolierend wirkt. Kraul rät zu einem Auftragen von Mitte bis Ende Mai. Die Pflanzen sollten gerade beim Durchbrechen aus dem Damm sein. So wächst das junge Kartoffelkraut durch den Mulch hindurch. Der ist komplett von Mulch umgeben, wenn dieser vor dem Auflaufen der Kartoffeln ausgebracht wird.

Bringt man den Mulch erst auf die Fläche, wenn die Pflanzen schon weiterentwickelt sind, verbleibt ein unbedeckter Wurfschatten um die Stängel. Für das Mulchverfahren benötigt man Fläche oder Grünschnitt von einem Nachbarbetrieb, zudem muss Treibstoff für die Ernte- und Ausbringmaschinerie einkalkuliert werden. „Das ist eine gewaltige Materialschlacht und man düngt mit Futter, das man potenziell auch an Rinder verfüttern könnte“, kommentierte Kraul. Der Anbau wird von der Universität Witzenhausen in Kassel begleitet, die Vor- und Nachteile festhält.

Zu den Vorteilen zählt der starke Erosionsschutz, vor allem bei Starkregen. 80?mm binnen sechs Stunden hatte es auf dem Betrieb im Sommer 2021 geregnet. Bei der unbedeckten Vergleichsvariante ist viel Boden weggespült worden, an den Pflanzen hing zudem nach dem Starkregen eine beträchtliche Menge Erde. Die Pflanzen sind laut Kraul nach dem Starkregen sichtbar geschwächt gewesen und brauchten einige Tage, um sich wieder aufzurichten. „Die Mulchvariante hat keine Erde verloren und sah bereits am Mittag des Folgetags wieder aus wie vor dem Starkregenereignis“, sagte der Praktiker.

Produktives Mikroklima

Während der gesamten Vegetationsphase fielen in Wildberg 185 mm Niederschlag. „In der trockensten Phase im August stand kein trockener Grashalm mehr auf dem Grünland, die Dammtäler unter dem Mulch waren aber noch feucht – und somit auch die Wurzeln der Kartoffeln“, sagte der Landwirt zurückblickend. Auch der Düngewert des Mulchmaterials ist erheblich. Viele Feinwurzeln der Kartoffelpflanze sind mit dem Mulchmaterial dicht verwoben und könnten Nährstoffe aus dem Grüngut entziehen. In diesem Prozess, sobald die Reihen geschlossen sind, herrscht dort ein produktives Mikroklima, in dem die Mulchschicht bis zum Roden der Fläche zersetzt ist.

Trotz Mulch keine Probleme mit Kartoffelkäfern und Mäusen

Der Kartoffelkäfer ist auf den Mulchflächen nach Krauls Erfahrungen kein Problem: „Wahrscheinlich leben im Mulchmaterial genug Räuberinsekten, sodass Larven sofort vertilgt werden.“ Mit Mäusen traten auf dem Betrieb im Schwarzwald bislang keine Probleme auf, auch in Sachen Pilzerkrankungen war die Mulchvariante gesund. „Die Mulchschicht ist zudem ein großer Kredit an Nährstoffen, den man auf die Fläche gibt.

Auch die Folgekultur profitiert noch sehr von dem Nährstoffeintrag des Mulchs und wird nicht von der Kartoffel aufgezehrt“, sagte der Landwirt. Aufwüchse von FFH- oder Riedflächen könnten als Mulch gut in Frage kommen. In der gemulchten Variante betrug der Mehrertrag gegenüber der ungemulchten fast 30 Prozent und damit bei rund 30 t pro ha in der gemulchten Variante – ein guter Wert für einen Grenzstandort im Nordschwarzwald. Auch die Sortierungen sind laut Kraul sehr homogen, nahezu die gesamte Ware ist verkaufsfähig – ein weiterer Unterschied zur Versuchsvariante ohne Mulchbedeckung.

Humusaufbau bekannter machen

Der Untere Berghof ist in allen Bereichen der regenativen Landwirtschaft aktiv. Als Demeterbetrieb verwenden Krauls aber die für den Anbauverband spezifischen Präparate anstelle der vitalisierenden Blattspritzungen. Die Anwendung ist aber ähnlich, sodass mit den Spritzungen auf Stresssituationen der Pflanze reagiert werden kann. Im Schwarzwald ist man so überzeugt vom Humusaufbau und der regenerativen Wirtschaftsweise, dass der Naturpark Schwarzwald ein Klimaprojekt ins Leben gerufen hat.

Das Naturpark-Klimaprojekt setzt sich zum Ziel, den Aufbau von Humus und regenerative Landwirtschaft in der Region voranzutreiben. Die Veranstaltung auf dem Unteren Berghof wurde vom Naturpark-Klimaprojekt organisiert. Mit solchen Fortbildungs- und Demonstrationsveranstaltungen will der Naturpark Landwirtinnen und Landwirte beim Umstieg auf eine humusfördernde Bewirtschaftung unterstützen. Aber auch Verbraucher und Schulkinder werden über die Auswirkungen des Klimawandels und den Beitrag der Landwirtschaft zum Speichern von Kohlenstoff aufgeklärt.

Humus und Landwirtschaft als Anpassungs- und Schutzmaßnahme sind im Kommen, müssen aber noch weiter bekannt gemacht werden. „Aktuell ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern das Potenzial der Landwirtschaft zum Humusaufbau und zur Kohlenstoffspeicherung nicht bewusst. Wir müssen die Nachricht nach außen tragen, dass die Landwirtschaft ein Teil der Lösung des Klimaproblems ist“, erklärte Florian Schmid vom Klimaprojekt.

Er und sein Kollege Paul Hofmann haben die Veranstaltung organisiert und durchgeführt. Wie kann eine finanzielle Förderung des Humusaufbaus aussehen? „Wir haben als Naturpark kein erhebliches landwirtschaftliches Budget“, erklärte Schmid. Da der Humusaufbau aber mit Investitionen zusammenhängt, wie dem zielgerichteten Einsatz eines Unterbodenlockerers oder Saatgut für Untersaaten und Zwischenfrüchte, muss nach Schmids Aussage ein finanzieller Ausgleich erfolgen. So ist der Naturpark Schwarzwald auf den CO2-Ausgleich gekommen.

Greenwashing ausschließen

„Man muss aufpassen, dass bei CO2-Zertifikaten kein Greenwashing betrieben wird“, merkte Schmid an. Deshalb hat sich der Naturpark zum Vergüten der gespeicherten Kohlenstoffmenge im Boden einen Partner gesucht. Positerra ist der Partner für diesen Projektteil, um eine nachhaltige CO2-Speicherung im Boden zu messen und zu honorieren. Unternehmen und Institutionen aus der Region können ihre nicht vermeidbaren Emissionen somit neutralisieren und die lokale Landwirtschaft unterstützen.

Bäder-Ausstatter Duravit und ein Energieversorger aus Triberg kooperieren dafür bereits mit rund zehn Betrieben für eine Umstellung auf humusfördernde Bewirtschaftung. „Das schafft eine zusätzliche Wertschätzung für die Arbeit auf den Betrieben“, sagte Schmid abschließend.

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