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Vermarktung

Bio in der Außer-Haus-Verpflegung

30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland sollen laut Bundesregierung bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Doch wie lässt sich das erreichen? Einen Beitrag kann die Verpflegung über Krankenhausküchen, Kitas, Schulen und Restaurants leisten, denn mehr als ein Drittel unserer Lebensmittel nehmen wir außer Haus zu uns. Der Status Quo der Außer-Haus-Verpflegung in Deutschland wurde Ende 2022 auf einer Online-Tagung diskutiert.
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Dr. Karl Kempkens ist seit September 2022 Leiter eines neu geschaffenen Referats für Ökologische Lebensmittelwirtschaft im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Das Ziel, 30 Prozent Bio in der Fläche zu haben, sieht er als ambitioniert, aber machbar an.

Die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) ist Teil der 2017 vorgestellten „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“, die jetzt zu einer Strategie der Bundesregierung weiterentwickelt wird. Zur Erhöhung des Bioanteils sind schon länger die Maßnahmen „Bio kann jeder“ und „BioBitte“ umgesetzt, die unter anderem zum Ziel haben, das Verpflegungsangebot für Kinder und Jugendliche nachhaltiger zu gestalten sowie Informationen für die relevanten Akteur:innen zur Verfügung zu stellen.

Ergänzt werden diese Bausteine seit kurzem durch die Förderung der Kantinenberatung, die mindestens 80 Prozent und für Kitas und Schulen 90 Prozent beträgt. In einem weiteren Schritt ist die Umstellung von Kantinen des Bundes geplant. Vorbildlich sei bereits die Kantine des Bundesarbeitsministeriums, erklärt Kempkens: „Dort gibt es viele frische Biospeisen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Kantine merkt man die Freude an der Arbeit richtig an.“

Motivation und Politik gefragt

Das Unternehmen A‘Verdis berät Betriebe aus Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegerung, Erzeugung, Herstellung und Handel dabei, ihr Sortiment wirtschaftlich, aber auch gesunderhaltend, ökologisch und gerecht zu gestalten. Geschäftsführer Rainer Roehl sieht die Gefahr, „dass Bio durch den Wettbewerb verschiedener Aspekte der Nachhaltigkeit wie Klimawandel, vegane Ernährung oder artgerechte Tierhaltung an den Rand gedrückt wird“. Auch sei für manche Verbraucher:innen Regionalität „das neue Bio“. Bio sei so ein Thema unter vielen und wegen der komplizierten Beschaffung von Lebensmitteln und dem hohen Zertifizierungsaufwand das komplizierteste. „Bio allein reicht in der Außer-Haus-Verpflegung nicht“, betont Roehl. Momentan liegt der Bioanteil in der AHV unter fünf Prozent. „Es gibt viele Erfolgsbeispiele in allen Segmenten, aber wir haben zu wenig davon“, meint der Unternehmer.

Wichtige Erfolgsfaktoren für Bio in der AHV sind ?aus innerem Antrieb motivierte Inhaber:innen und verbindliche politische Beschlüsse. „So entstanden in Dänemark in zehn Jahren 2.200 bio-zertifizierte Küchen“, berichtete Roehl. „Das sind so viele wie es in ganz Deutschland gibt, obwohl unser Land viel mehr Einwohner hat.“ Letztlich zeigt sich Roehl aber optimistisch, denn „Bund, Länder und Kommunen haben die AHV als wichtigen ernährungspolitischen Gestaltungsort entdeckt und investieren aktuell auch mehr Geld“. Sorgenkind sei die klassische Gastronomie.

Ein Beispiel, dass die bio-zertifizierte klassische Gastronomie funktionieren kann, ist das Restaurant Lippeschlößchen in Wesel. „Gerade unsere niederrheinischen Spezialitäten in Bioqualität kommen bei unseren Gästen gut an“, erklärt Inhaber Ullrich Langhoff. Das Restaurant ist seit über 20 Jahren biozertifiziert. Stammgäste, Familien und Veranstaltungen sorgen für eine gute Auslastung. Der Bioanteil liegt bei 60 Prozent. Bei der Deklarierung ist Langhoff aber eher verhalten. Im Zweifelsfall weist er lieber weniger als bio aus, damit er Prüfungen auch jederzeit standhält. „Den Gästen ist wichtig, woher das Essen kommt, also von welchen Gärtnern und Landwirten aus der Region die Lebensmittel stammen“, erklärt er. Der regionale Einkauf direkt bei den Erzeuger:innen komme auch der Wirtschaftlichkeit zugute. „Die Authentizität des Umweltgedankens ist für alle spür- und nachvollziehbar“, sieht der Gastronom sein Restaurant gut aufgestellt.

Mehr Bio in die Kliniken

Biolebensmittel spielen in den LWL-Kliniken Münster & Lengerich seit 2004 eine Rolle. „Auslöser war die Zertifizierung nach EMAS, dem Umweltmanagementsystem der EU, welches das Essen in den Fokus rückte“, erklärt Thomas Voß, kaufmännischer Direktor der Kliniken. Ihn verwundert es, wie wenig in Kliniken auf gutes Essen geachtet wird, denn im Krankenhaus haben die Lebensmittel einen Kostenanteil von nur zwei Prozent. „Höherwertige Lebensmittel fahren ein Krankenhaus nicht vor die Wand“, betont Voß. Der Bioanteil in Münster beträgt 30 Prozent, in Lengerich über 20 Prozent. Der Kostenanteil für das Essen beläuft sich dennoch auf nur 1,8 Prozent. In beiden Küchen wird täglich ein vegetarisches und ein veganes Essen angeboten, mittwochs wird komplett auf Fleisch verzichtet. Die eigenen Streuobstwiesen und ein Gewächshaus steuern ebenfalls wertvolle Lebensmittel bei.

Bis auf Putenfleisch stammt das Fleisch aus Bioerzeugung. Kund:innenbefragungen belegen ein hohes Maß an Zufriedenheit, wobei artgerechte Tierhaltung an erster und Bio an zweiter Stelle stehe. In Krankenhäusern werde häufig argumentiert, dass bei der kurzen Verweildauer der Patient:innen die Essensqualität zweitrangig sei. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind jedoch viele Jahre im Haus tätig und profitierten von gesunder Ernährung. Voß befürwortet, wenn die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht und feste Quoten festlegt. „Ohne einen gewissen Druck wird es nicht funktionieren“, ist Voß überzeugt.

Mit Außerhausverpflegung Umsatz gesteigert

Die Biofleisch NRW ist eine von rund 100 Landwirt:innen getragene Genossenschaft. „Mit 44 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sind wir bei der Fleischverarbeitung ein kleiner Akteur, der aber viel Flexibilität und damit Kundenservice bieten kann“, so Geschäftsführer Andreas Sperber. In den letzten Monaten habe man im Naturkostfachhandel Umsatz eingebüßt, konnte dies aber über die AHV mehr als kompensieren, mittlerweile sind Kantinen der zweitwichtigste Kunde. „Wir haben uns maschinell darauf eingestellt und können kalibrierte Fleisch- und Wurststücke ebenso wie Convenience-Ware, zum Beispiel Königsberger Klopse fertig gegart, anbieten“, berichtet Sperber. Wichtig sei auch die Ganztiervermarktung. „Wenn jemand 5.000 Schnitzel möchte, ist es der falsche Kunde.“ Während in Betriebskantinen auch Bioschweinefleisch funktioniere, werde es in der Schulverpflegung wegen Schüler:innen muslimischen Glaubens meist komplett herausgenommen.

Initiative „Bio kann jeder“

Die Initative „Bio kann jeder – nachhaltig essen in Kita und Schule“ setzt sich für mehr Bioprodukte und nachhaltig erzeugte Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung von Kindern und Jugendlichen ein. Sie unterstützt Vertreter:innen von Schulen, Kindertageseinrichtungen und Cateringunternehmen bei der Einführung eines ausgewogenen und nachhaltigen Verpflegungsangebotes mithilfe bundesweiter Regionalpartner:innen.

Initiative „Biobitte“

BioBitte will relevante Personen mit Entscheidungsbefugnis in den Behörden und öffentlichen Institutionen auf das Thema „Bio in der öffentlichen Beschaffung“ aufmerksam machen. Die Initative richtet sich an politische Entscheider:innen, Vergabestellen, Fachreferate sowie Leiter:innen von Verzehreinrichtungen. Sie bietet Hintergrundinformationen und Handlungshilfen, um die Umstellung auf mehr Biolebensmittel zu erleichtern und ermöglicht Akteur:innen den Austausch. 

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der vom Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland (ABD) organisierten Online-Tagung „Biolebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung – ein wichtiger Baustein zu 30 Prozent Bio in der Fläche“.

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