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biozyklisch-veganer Anbau

Wie geht noch mehr Bio?

Bio – das kennt jede:r. Aber biozyklisch-vegan? Eher nicht. Verkürzt ausgedrückt, beschreibt der Begriff eine rein pflanzenbasierte Biolandwirtschaft und umfasst die daraus entstehenden Produkte. Vor allem die wachsende Gemeinde der Veganer:innen schätzt diese. Bis jetzt ist die Zahl der Betriebe, die unter der Bezeichnung firmieren, überschaubar. Aber das kann sich ändern.

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Gemüseanbau ist seit vielen Jahren das Herz der PfalzBio GbR in Kandel. Vor knapp 30 Jahren stellte Bernd Kugelmann mit seinen Eltern den landwirtschaftlichen Betrieb mit Acker- und Tabakbau auf Gemüse um. „Irgendwann begann ich mich zu fragen: Was ist in dem organischen Dünger drin, den ich auf die Felder streue?“, sagt Kugelmann, Bio-Gemüsebauer aus Kandel in der Südpfalz, mit einer Produktionsfläche von rund 100 ha. Vor über 30 Jahren hat er mit seinen Eltern begonnen, den landwirtschaftlichen Betrieb mit Acker- und Tabakbau auf Gemüse umzustellen.

Im Jahr 2002 folgte eine weitere grundsätzliche Entscheidung: Der Betrieb wird biologisch wirtschaften. Der Betrieb war viehlos und musste organischen Dünger zukaufen. Dazu gehörten unter anderem Pellets 105. Als Kugelmann die Pellets untersuchen ließ, erschreckte ihn das Ergebnis: Es waren Schweineborsten enthalten, geschredderte Küken, darüber hinaus erhebliche Portionen an Keimen sowie Schwermetall- und Antibiotikarückstände.

Gärtnermeister Bernd Kugelmann begutachtet eine Kompstmiete auf dem Feld. © Ganninger-Hauck

Die Konsequenz war logisch: Er informierte sich und stellte wieder um, diesmal, es war 2014, auf biozyklisch-veganen Anbau. Dazu erarbeitete er sich ein eigenes System, um die Nährstoffversorgung zu sichern.

Der Kompost steht im Mittelpunkt

Die Pflanzenkompostierung ist ein zentrales Element dieser Wirtschaftsweise. Ein Biokompostschredder mit zwei riesigen Schnecken der Hirl Misch- und Anlagentechnik aus dem bayrischen Falkenberg tut in der Maschinenhalle seit einigen Jahren hervorragende Dienste. 20?t je Stunde können verarbeitet werden, jedoch mit hohem Energieaufwand. Es braucht einen Traktor mit 200?PS. Alles, was an organischen Abfällen anfällt, kommt hinein. Die Mitarbeiter des Garten- und Landschaftsbaubetriebs, einem weiteren Betriebszweig von Kugelmann, bringen Äste, Bäume und Grünabfälle hierher. Zu Erhöhung des Feuchtezustands des Komposts eignet sich die Zugabe von Kürbisabfällen im Herbst sehr gut. 

Gärtnermeister Kugelmann hält die Augen offen für pflanzliche Rückstände, die er von außerhalb verwenden kann. Zuckervinasse hat er probiert und Abfälle aus einer Brauerei und hat beides verworfen. Regelmäßig erhält er Gärsubstrat aus einer Biogasanlage im rund 30?km entfernten Lustadt, dessen Ausgangsmaterial er dort abliefert. Gärsubstrate pushen aber Pythium und Rhizoctonia. Deshalb versorgt Kugelmann diese mit EM (Effektive Mikroorganismen) von Multikraft oder Rhizovital. Von den vielen EM-Stämmen wählt er fermentierende. Zudem arbeitet er mit einem ähnlich gesinnten landwirtschaftlichen Biobetrieb in Hockenheim zusammen, dessen Produktionsrückstände aus der Kürbisproduktion er integriert.

Die Kompostierung von Pflanzen ist ein zentrales Element bio-veganer Wirtschaftsweise. © Ganninger-Hauck

Diese Rückstände decken nur einen Teil des Bedarfs ab. Dünger zuzukaufen, ist kaum wirtschaftlich möglich. „Der Preis von Biodünger ist hoch, nachdem konventionelle Landwirte aus der Misere heraus diesen weggekauft haben“, meint er. Bei einem Besuch im Mai 2022 erklärt mir Bernd Kugelmann, wie er den Kompost gewinnt. Die gehäckselten Pflanzenreste werden aufs Feld gebracht. Auf 0,5?ha Fläche sind, so lang wie der Schlag, mehrere Kompostmieten parallel aufgeschichtet. Der Gemüsegärtner greift mit den Händen in eine Miete und hält mir die krümelige Masse unter die Nase: „Duftet das nicht toll nach Erde?” Das kann ich nur bestätigen. Diese Miete ist nach rund einem Jahr Lagerung fertig zum Ausbringen. Die Mieten werden mit einem Kompostwender alle zwei Wochen gewendet, bis sie diesen Zustand erreichen. Rund 2.000 t Kompost werden jährlich erzeugt. Kugelmann denkt schon weiter: „Wenn man Kompost pressen würde, dann braucht er weniger Platz und ist länger haltbar.“ Dafür sucht er gerade ein passendes System.

Auf dem Weg zum Kompostareal fahren wir an Getreideäckern in unterschiedlichen Stadien vorbei. „Das ist Waldstaudenroggen”, erklärt Kugelmann auf meine Frage. „Er erzeugt eine tolle Bodengare. Ich bin sehr zufrieden damit, auch wenn mich manche Kollegen belächeln.” Er streut das Saatgut mit dem Düngerstreuer aus, die Pflanzen wurzeln gut und wachsen schnell. „Der erste Schnitt im Frühjahr ist Mulch, der zweite kommt in die Biogasanlage, der dritte auf den Kompost”, erklärt er. Mit dem Mähdrescher erntet er zudem Saatgut für das Folgejahr. „Rein produktionstechnisch funktioniert das System. Man muss aber sehr viel mehr beobachten und mitdenken”, blickt der Gemüsegärtner zurück.

Komposttee und Schachtelhalm

Dazu gehört auch der Pflanzenschutz. Mit der neuen Produktionsweise gilt es, noch mehr zu beobachten und auf die Zusammenhänge in der Natur zu achten. „Komposttee habe ich immer unterschätzt”, sagt er, „aber der wirkt sehr gut. So sind nach der Anwendung weniger Einstiche von Thripsen in Kohlrabi zu beobachten. Auch Blattläuse fühlen sich nach einer Anwendung nicht wohl.” Schachtelhalmextrakt macht die Pflanzen widerstandsfähiger. Auch der Anbauzeitpunkt spielt eine wichtige Rolle. „Bei Radieschen baue ich nur einen Satz an, danach habe ich nichts in der Hand, um den Befall mit der Kleinen Kohlfliege zu verhindern“, sagt Kugelmann beispielsweise. Rucola und Petersilie seien in der Region kaum zu produzieren aufgrund des Erdflohs, der Blattläuse und der idealen klimatischen Bedingungen für Mehltau. Auf Wurzelgemüse verzichtet er. Der Drahtwurm macht zu schaffen. Kartoffeln baut er deshalb nur alle drei Jahre auf derselben Fläche an. Kupfermittel gegen Pilzkrankheiten versucht er zu umgehen. „Kupfer schadet den Lebewesen im Boden zu sehr“, berichtet er.

Bei der Bodenbearbeitung greift Kugelmann nur in Ausnahmen starker Verdichtung zum Pflug. Sonst ist die Fräse angesagt. Er setzt vieles aus Kursen regenerativer Landwirtschaft um. Seine Böden sind sandiger Lehm bis lehmiger Sand mit 40 bis 60 Bodenpunkten. Die Bodenwerte müssen permanent untersucht werden, das schreiben schon die Abnehmer aus dem Lebensmitteleinzelhandel vor. Im Jahr 2022 waren die Anbauflächen zu 40 % mit Leguminosen belegt. Das Kleegras wird im Kompost verwendet. Sojabohnen säte Kugelmann erstmals aus.

Bio-zyklisch vegan wenig präsent

Die Erträge bei den rund 20 Gemüsearten, die bei der PfalzBio bio-zyklisch wachsen, entsprechen denen anderer Biobetriebe. Der Absatz erfolgt über die Bioschiene, teilweise mit einem Partner über die H & K Bioanbau GmbH & Co. KG. Dort ist auch Sohn Daniel Kugelmann mit eingebunden.

Kugelmann verkauft den größten Teil seines Gemüses über einen Discounter und den regionalen Lebensmitteleinzelhandel. Manche Produkte – zum Beispiel Bärlauch – finden den Weg in Biosupermärkte. Kleinere Mengen gehen über zwei rund um die Uhr geöffnete Direktverkaufsstellen in Kandel und Karlsruhe an Kunden. Dort wählt der Kunde seine Ware, wiegt sie, trägt sie in eine Liste ein und wirft das Geld in eine Kasse. Außerdem betreibt der rührige Unternehmer den Onlineshop www.moehre-ohne-mist.de. „Der läuft sehr gut, ist aber sehr aufwändig“, sagt er.

Im konventionellen Handel sei die Nachfrage und das Interesse an biozyklisch-vegan produzierten Produkten bisher nicht vorhanden. Mitunter kommen Nachfragen über die Onlinekunden. „Am ehesten fragt eine Berliner Biosupermarktkette mit Kunden aus der relativ großen Veganergemeinde in der Hauptstadt mal nach biozyklisch-vegan erzeugten Produkten“, sagt Kugelmann. Ein Naturkostladen überlege, sich mit biozyklisch-veganer Ware von der Bioware bei Discountern abzugrenzen. Kugelmann persönlich will vor allem bewusst produzieren und leben. „Wir müssen unseren Fleischkonsum verringern, um mehr Flächen für menschliche Ernährung und Bioproduktion frei zu bekommen“, ist er überzeugt. Vollständig vegan lebt er nicht. Überzeugte Veganer verwickeln ihn immer wieder in harte Diskussionen oder feinden ihn an, wenn er einen Ledergürtel oder gar Lederschuhe trägt.

Obstbau am Bodensee

Von der Südpfalz an den Bodensee: Clemens Hund betreibt mit Frau und Sohn und einigen treuen Saisonarbeitskräften aus Polen bei Meckenbeuren einen 18?ha großen Bioland-Obstbaubetrieb. „Ich bin der erste biozyklisch-vegan zertifizierte Obstbaubetrieb in Deutschland”, erzählt er. Zertifiziert ist er vom Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.?V.. 90 Prozent seiner Bäume sind Apfelbäume – in den Sorten sind Natyra, Elstar, Braeburn, Topaz, Gala, Greenstar, Idared, Fuji, Santana und Rubinette. Sie wachsen bis zu vier Meter hoch, um so den Platz in der eng bebauten Region optimal zu nutzen. Daneben gedeihen einige Zwetschgenbäume, Nussbäume und Tafeltrauben.

Clemens Hund baut als erster Betrieb in Deutschland biozyklisch vegan-zertifiziert Obst an. © Jonas Klein

Keine Kuhschädel mehr

Bei Clemens Hund klingelte es, als ein Biohorndünger aus Indien penetrant nach verbrannten Autoreifen stank – und ein ganzer Kuhschädel auftauchte. Auch von einer Lieferung von Biohühnerschnäbeln aus Italien war er nicht begeistert. Später fand ein Berater bei Recherchen in Indien katastrophale Zustände vor. Die Hornabfälle aus Afghanistan lagen auf Autoreifen zum Verbrennen. Die Hühnerschnäbel aus Italien waren weder bio noch aus dem angegebenen Land.

„Ich sah mich nach Alternativen um, denn das passte nicht zu meiner Einstellung des Wirtschaftens”, so der Obstbauer. Fündig wurde er in Südfrankreich bei einem Zusammenschluss von Landwirten, die die Küste von Braunalgen säubern müssen. Die Algen kommen pelletiert auf seinen Hof. „Die Regenwürmer rasten aus, wenn ich die Algen verteile”, erzählt er begeistert. Weitere Dünger sind Schlempe, ein Abfallprodukt aus einer nahegelegenen Biobrauerei, und ein Abfallprodukt aus der Verarbeitung von Biokartoffeln. Damit funktioniert es gut. „Ich kann keinen Unterschied im Ertrag und in der Qualität der Äpfel feststellen”, sagt er. „Man muss mehr mitdenken und beobachten, was passiert. Man muss hinter der Methode stehen, sonst funktioniert es nicht”, ist seine Überzeugung.

Für den Ökoanbau zugelassener pflanzlicher Volldünger und Bodenaktivator aus Österreich. © Jonas Klein

Auch er beschäftigt sich mit dem Thema Kompost. „Ich habe ein altes Schweizer Buch dazu gelesen. Das hat mir geholfen. Alles ist schonmal dagewesen, das Wissen ist nur verschüttet.” Beim Pflanzenschutz änderte er auch einige Stellschräubchen: Statt Molkepulver gegen Spinnmilben muss Kartoffelstärke herhalten. „Auch Brennnesseljauche ist sehr gut, wirkt aber nur gegen Schädlinge, wenn sie ganz frisch ist”, hat er erfahren.

Biopower im Burgenland

Einen Ackerbaubetrieb mit offiziellem biozyklisch-vegan-Siegel findet man im südwestdeutschen Raum bislang nicht. Man muss schon weiter fahren, zum Beispiel zu Harald Strassner nach Österreich. Er stellte vor über 30 Jahren seinen Betrieb im Burgenland auf bio um.

Der Betrieb wuchs und umfasste bald auch Flächen in Ungarn (seit 1994) und Rumänien (2001).

Ein Pionier biozyklisch veganer Erzeugung aus Österreich: Harald Strassner, der auch Flächen in Rumänien und Ungarn betreibt. © Johannes Pepelnik

Biovegan in Ungarn

In seinen Betrieben in Ungarn und Rumänien verbrachte er viel Zeit damit, die Böden wieder biologisch zu beleben. Nach seinen jahrelangen Bemühungen war der 430 ha große ungarische Zweigbetrieb schon in dem Zustand, der für das biozyklisch-vegan-Siegel gefordert wird.

Strassner produziert zum Beispiel Bohnen biovegan. © Johannes Pepelnik

Die Kulturen dort sind Weizen auf über einem Drittel der Fläche; Dinkel, Hafer, Roggen sowie Sonnenblumen und Soja. Auch für Strassner sind überdies Leguminosen ganz wichtig. Sie holen den Stickstoff aus der Luft ran zum Düngen. Deshalb wachsen dort auf 50 ha Erbsen und auf 25 ha Wicken. Seit 30 Jahren baut Strassner verschiedene Sorten von Trockenbohnen an. Diese sind nun biozyklisch-vegan zertifiziert und unter der Marke „Rosas Genusswelt“ in Biosupermärkten zu kaufen.

Pionier hinterfragt Tierhaltung

„Der biozyklisch-vegane Anbau ist ein neuer Standard mit Innovationspotenzial für den gesamten Agrarbereich“, zitiert Autorin Solveig Kelber in unserer Schwesterzeitschrift GEMÜSE, Ausgabe 10/2021, den Pionier. Für Harald Strassner steckt im biozyklisch-veganen Anbau eine Vision für die nächsten 20 bis 30 Jahre. „Wenn wir acht Milliarden Menschen und mehr auf der Erde ernähren und versorgen wollen, dann müssen wir Landwirtschaft neu denken und die Tierhaltung hinterfragen. Sie hat einen zu großen Flächenbedarf.“

Wie kam es zum biozyklisch-veganen Anbau?

Die Wurzeln liegen fast 100 Jahre zurück, als es zwischen den Weltkriegen erste Grundgedanken zu einer damals als „natürlicher Landbau“ bezeichneten Bewirtschaftungsform gab. Es gab eine Arbeitsgemeinschaft für Forschungs- und Beratungsaufgaben inklusive Zertifizierungssystem in Deutschland und in der Schweiz. Namen, die diese Bewegung über die folgenden Jahrzehnte prägten, sind Ewald Könemann, Dr. Hans-Peter Rusch und Adolf Hoops, der auf dieser Basis 1953 in der Lüneburger Heide anfing, Gartenbau zu betreiben.

In Großbritannien existiert seit 1996 die internationale Organisation „Vegan Organic Network”.

Bernd Kugelmann gründete den „Verein Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.” und erarbeitete vor knapp zehn Jahren zusammen mit Dr. Johannes Eisenbach und der Albert Schweitzer-Stiftung die ersten biozyklisch veganen Richtlinien, die von Lacon zertifiziert wurden. Die beiden ersten zertifizierten Betriebe waren der Obstbaubetrieb Hund in Meckenbeuren und die PfalzBio.

Bernd Kugelmann gründete den „Verein Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.” © Doris Ganninger-Hauck

Im Lauf der folgenden Jahre kam es zu Unstimmigkeiten über die Ausrichtung. Momentan gibt es das Zertifikat des oben genannten Vereins. „Für das Zertifikat fallen keine Kosten an“, betont Kugelmann. Voraussetzung für die Zeritifizierung ist die Mitgliedschaft in einem Bioverband und die Bescheinigung einer Kontrollstelle, dass keine Stoffe tierischer Herkunft in der Produktion eingesetzt werden.

Außerdem gibt es das Zertifikat der Alfred-Hoops-GmbH, deren Gründer Dr. Johannes Eisenbach, Adolf Hoops und Axel Anders sind. Diese gehört zum „Förderkreis Biozyklisch Veganer Anbau e.V.“ mit Sitz in Berlin. Für ihr Zertifikat fällt eine Gebühr an.

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