0,4 Prozent für eine bessere Zukunft
- Veröffentlicht am

Ein mögliches Modell für die Förderung der Humusbildung und die Bezahlung von Landwirten dafür sind Carbon Credits. Hierbei bezahlt ein Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß, beispielsweise eine Airline, Landwirte für das Binden des atmosphärischen CO2 im Boden. Pro Tonne wird ein Preis ausgehandelt, der Landwirt hat fünf Jahre Zeit und erhält für jeden Zugewinn an Humus einen Betrag aufs Bankkonto. Das Unternehmen hat den Vorteil, CO2-neutral Flüge anzubieten und operiert damit zumindest nicht mehr klimaschädlich, was Treibhausgase angeht.
Auch auf der Biofach in Nürnberg Mitte Februar wurden die Carbon Credits heiß diskutiert. Wenn das System eine Win-win-Situation für industrielle Unternehmen (in diesem Fall CO2-Erzeuger) und für Landwirte (in diesem Fall CO2-Beseitiger) darstellt, warum ist es dann nicht längst verbreitet? Vorher müssen einige Hürden genommen werden, erklärte Dr. Adrian Müller vom FiBL.
So kanns klappen
Zuerst misst ein Unternehmen seine CO2-Emissionen messen, diese Ausstoßmenge wird als Norm definiert. Im nächsten Schritt müsse genau umrissen werden, welchen Umfang ein Projekt zur Emissionsreduktion haben soll (regional, national, international, etc.). Ganz wichtig: Die Reduktion des CO2-Ausstoßes muss über alle Regionen hinweg eine Netto-Reduktion sein – manchmal wird der Ausstoß von CO2 nämlich einfach in ein anderes Land verlagert. Die Humusbildung darf beispielsweise nicht in Deutschland durch das Einbringen von Grüngut-Kompost in den Boden angeregt werden, wenn für das Grüngut in Polen ein Wald abgeholzt werden muss. Zuletzt sollte sich von selbst verstehen, dass das Projekt „Humusaufbau“ eine zusätzliche CO2-Senke darstellt.
Das bedeutet, dass hier aktiv etwas von Landwirten unternommen wird und der Humusaufbau nicht von selbst stattfindet. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel sehen würde, dass ein Erzeuger eine Fläche aufgeforstet hat und sich im Nachhinein einklinkt und den Aufforstenden unterstützt, hätte das klimatisch für die Gesellschaft keinen Mehrwert – der Wald wäre schließlich auch ohne Unterstützung einer externen Firma aufgeforstet werden. Ein Projekt, für das es Carbon Credits geben kann, muss also einen echten klimatischen Mehrwert erzeugen.
Daran wird noch gefeilt
Dass das System noch nicht in der Breite der Landwirtschaft eingesetzt wird, hat praktische Gründe, an denen aktuell geforscht wird:
- Messen und Monitoring: Wie wird auf dem Acker der Kohlenstoffgehalt im Boden zuverlässig über mehrere Jahre hinweg gemessen? Pragmatiker ziehen GPS-gestützt Bodenproben an mehreren Punkten auf dem Acker über Jahre hinweg und vergleichen die Humusgehalte. Ein Geldbetrag könnte dann auf mehrere Jahre verteilt ausgeschüttet oder einbehalten werden, falls ein Nicht-Erreichen der Ziele absehbar ist. Am Ende eines vereinbarten Zeitraums, etwa fünf Jahre, erhält das auftraggebende Unternehmen dann ein Zertifikat über die eingesparten Tonnen CO2 (= Carbon Credits).
- Wie geht man mit der CO2-Dynamik um? Ist der Boden nach einer langen Aufbauphase reich an Humus, kann dieser laut Müller durch eine Bewirtschaftung auch rasch wieder Kohlenstoff in die Atmosphäre freisetzen. Irgendwie müsste sich gewährleisten lassen, dass der Kohlenstoff dann im Boden behalten und nicht binnen kürzester Zeit wieder freigesetzt wird.
- Was macht ein Erzeuger, der schon heute viel für den Humusaufbau getan hat? Für diesen wäre ein weiterer Aufbau im Rahmen des Carbon Credit Systems schwierig. Trotzdem wäre das Halten eines sehr hohen Humusgehalts im Boden ein Verdienst für die Gesellschaft und damit honorierbar. Andernfalls würde man besonders bodenfreundlich wirtschaftende Landwirte aktuell von dieser Verdienstmöglichkeit ausschließen und Erzeuger mit humusarmen Böden durch die Möglichkeit eines Zusatzverdienstes im Rahmen der Carbon Credits ‚belohnen‘.
Es wird schon zertifiziert und Geld ausgeschüttet
Aktuell setzen bereits einige private Zertifizierer das System der Carbon Credits für Unternehmen um und vermitteln Landwirte, die Humus aufbauen wollen. Damit eine flächendeckende Honorierung möglich wird - beispielsweise auch auf Ebene der Landes- oder Bundespolitik – müsse insbesondere eine robuste Messmethode für den Kohlenstoff im Boden gefunden werden, die mehrjährig zuverlässige Ergebnisse liefert, aussagekräftig für einen Schlag ist und zugleich wenig kostet.
Bei aktuellen Messungen liege man laut Dr. Andreas Gattinger von FiBL/Universität Gießen bei etwa 900 Euro Kosten für zwei Messreihen pro Schlag über fünf Jahre hinweg, könne mit gegenwärtigen Preisen für CO2-Speicherung im Boden über denselben Zeitraum aber nur 500 Euro verdienen. Günstige Messungen versprach sich Gattinger von der Anwendung der Nahfeld-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) bei Bodenuntersuchungen, die noch kein gängiger Standard in diesem Bereich sind.






