Streuobst clever nutzen
Die Streuobsternte 2020 ist geschafft. Vor allem in Süddeutschland fiel sie gut aus. Große Mengen Äpfel und Birnen sind zur Verarbeitung verfügbar und liefern hervorragendes Grundmaterial für köstliche Säfte, Weine, Essige, Destillate, Liköre und Trockenfrüchte.
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Trockenfrüchte
Mit einem Apfelschälgerät lassen sich Äpfel und Birnen schnell und sauber in Scheiben schneiden, entkernen und bei Bedarf auch schälen. Die Apfel- oder Birnenringe werden nun sauber auf dem Gitter eines Trockengerätes oder einem Backofenrost ausgelegt und getrocknet. Bei den Geräten gibt es die unterschiedlichsten Ausführungen. Kleine Geräte arbeiten mit warmer Luft, die möglichst gleichmäßig verteilt durch das getrocknete Gut strömen soll. Hochwertigere Geräte arbeiten dagegen mit einem schonenden Kondensationsprinzip und niedrigeren Trocknungstemperaturen zwischen 32 und 49 °C, um möglichst viele Aromen und Frische zu erhalten. Die Preise für solche Geräte liegen je nach Technik, Größe und Ausführung zwischen 100 Euro und 4.000 Euro.
Saft
Eine einfache motor- oder handbetriebene Kernobstschneidmühle zerkleinert die Früchte in erbsengroße Stücke wodurch der Saftablauf bei der Pressung gewährleistet bleibt. Danach kommt eine Hydropresse zum Einsatz, die mittels einer unter Wasserdruck stehenden Membrane das zerkleinerte Material entsaftet. Der moderate und einstellbare Pressdruck sorgt für hohe Saftqualität mit gleichzeitig ordentlicher Saftausbeute von um die 65 Prozent. Da durch die schonende Pressung wenig Trub entsteht, muss der Saft nur kurze Zeit stehen oder kann auch sofort pasteurisiert werden. Normalerweise erfolgt die Abfüllung in Bag-in-Box-Systeme. Der Saft kann auf verschiedene Weise auf die Pasteurisiertemperatur von 78 °C gebracht werden. Am einfachsten und preiswertesten geht dies mit Einkoch- und Pasteurisiergeräten mit Auslaufhahn. Hier können 15 Liter problemlos mit Thermostat erhitzt und die Beutel im Beutelhalter befüllt werden. Eine größere Variante ist das Immervollfass mit Tauchsieder. Damit können bis zu 100 Liter Saft pasteurisiert und in Beutel abgefüllt werden. Danach ist das Fass auch als Lagerbehälter nutzbar. Der auf 78 °C erwärmte Saft wird mit einem Edelstahl-Schwimmdeckel an der Oberfläche abgedeckt und der Zwischenraum von Deckel und Fassinnenwand mit einem lebensmittelechten Öl abgedichtet. Den erkalteten Saft entnimmt man unten am Auslaufhahn. Der Schwimmdeckel sinkt nach unten und wird an den Seiten infektionsfrei abgedichtet, so dass über lange Zeit ein unvergorener Saft gezapft werden kann.
Most
Der Presssaft kann natürlich auch im Gär- oder Getränkefass vergoren werden. Wichtig ist dabei die Zugabe von Reinzuchthefe. 20 g pro 100 Liter garantieren eine saubere, zügige Vergärung und reintönige Obstweine. Bei einer Gärtemperatur von 16 bis 18 °C ist die Fermentation nach rund zwei Wochen abgeschlossen und die Hefen und Trubstoffe setzten sich ab. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Zur Destillatherstellung kann die vergorene Flüssigkeit jetzt gebrannt werden. Man erhält fein duftende Obstdestillate die entweder mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt oder zu Likören oder Spirituosen weiterverarbeitet werden können. Oder man verarbeitet den Most zu Obstwein weiter.
Obstweine
Für Obstweine erfolgt nach der Fermentation der erste Abstich – das heißt der Most wird von Hefe und Trub getrennt – schonend von oben abgezogen oder unten abgelassen. Die leichte dunkelgelb-hellbraune Färbung ist später im Glas nicht besonders schön anzusehen, daher macht eine Schönung Sinn. Mit Gelatine und Kieselsol ist eine optimale Basis für hochwertige Obstweine möglich. Dazu wird eine Gelatinelösung benötigt. Die kann entweder bereits fertig angemischt gekauft oder einfach aus pulverisierter Gelatine selbst hergestellt werden. Dazu lässt man das Pulver einige Minuten in Wasser quellen und verdünnt dann auf eine circa 15-prozentige Lösung, die dem bereits mit Kieselsol versetzten Wein zugegeben wird. Sofort bildet sich eine weiße Wolke aus fest gewordenem Eiweiß und es entstehen größere Partikel, welche nicht mehr in Schwebe gehalten werden und sich absetzen. Der Wein gewinnt zunehmend an Klarheit und der Schönungstrub setzt sich ab. Die dunklen Farbnuancen sind verschwunden. Obstweine sind aufgrund des geringen Alkoholgehaltes nicht besonders stabil und anfällig gegenüber Infektionen. Daher macht eine leichte Schwefelung mit 10 g Kaliumpyrosulfit und die schonende Abfüllung in Flaschen, Bag-in-Box-Systeme oder Immervollbehälter Sinn. Eine weitere Aufwertung erfahren diese Weine durch eine Karbonisierung. Die zugesetzte Kohlensäure sorgt für Stabilität und Frische des Getränks. Hierzu gibt es zu einem erschwinglichen Preis den Karbonisator, in dem jeweils zwei befüllte Flaschen zwischen 0,2 und 0,75 Liter mit Kohlensäure versetzt werden können. Mit einer Stundenleistung von 70 bis 80 Flaschen ist dieser auch für kleinere Betriebe geeignet und mit einem Preis von um die 2.300 Euro auch erschwinglich und rentabel.
Likör
Die geschönten Säfte können statt zu Obstwein auch zu Spirituosen und Likören weiterverarbeitet werden. Bei der Likörbereitung nimmt man 600 bis 650 ml geschönten Saft, 200 ml hochprozentigen Apfel- oder Birnenbrand mit 80 %vol und 150 bis 200 ml Invertzuckersirup. Der Alkoholgehalt liegt dann bei etwa 16 %vol was durch eine Probedestillation noch präzisiert werden muss. Es macht Sinn die einzelnen Komponenten bei der Zusammenstellung nicht nur volumetrisch, sondern auch gewichtsmäßig zu erfassen. So hat man die Gewähr, dass auch bei nachfolgenden Chargen ein einheitlicher Alkoholgehalt im Produkt eingestellt ist. Zur Konsistenzverbesserung kann etwa 10 Prozent des Invertzuckersirups durch Trockenglucose ersetzt werden. Bei Spirituosen mit Fruchtauszug wird der Zuckergehalt auf etwa 40 ml und der Saftanteil auf etwa 500 ml reduziert, der Alkoholanteil auf 400 bis 450 ml erhöht.
Essig
Aus dem vergorenen Obstwein lässt sich auch Essig herstellen. Hierfür darf aber auf keinen Fall Schwefel verwendet werden, da der im Obstwein die Essigbildung und Oxidation verhindert. Die Essigproduktion ist eine sensible Angelegenheit und wesentlich schwieriger als die alkoholische Gärung. Essigbakterien wandeln den bei der alkoholischen Gärung gebildeten Alkohol 1:1 in Essigsäure um. Dazu benötigen sie Sauerstoff, Wärme (circa 24 bis 28 °C) und Nahrung sprich Alkohol. Traditionell wird Essig im Oberflächenverfahren hergestellt und der vergorene, ungeschwefelte Obstwein in einem offenen Gefäß mit Essigbakterienkultur versetzt. Abgedeckt mit einem Insektenschutz erfolgt nun zuerst die Bildung einer Essigmutter (Kahmhaut) an der Oberfläche. Es entsteht Essigsäureethylester welches einen ähnlichen Geruch wie Klebstoff besitzt. Dies ist ein eindeutiges Zeichen für die beginnende Essigfermentation und erst wenn dieser Geruch nach etwa 6 bis 8 Monaten weniger wird ist die Essigbildung beendet. Schneller geht es mit kleinen Anlagen im Spanbildner- oder Submersverfahren bei denen die Essigbakterien entweder auf Holzspänen oder direkt in der Flüssigkeit auf winzigen Sauerstoffbläschen gehalten werden. Dort ist bereits nach 14 Tagen beziehungsweise wenigen Stunden die Essigbildung abgeschlossen. Die Kosten für solche Anlagen beginnen bei etwa 1.800 Euro und gehen bis in den 5-stelligen Bereich beim Submersverfahren.







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