Grüne Akkus aus Pflanzenfasern
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Was bedeutet „GreenCarbon“?
Kruse: „GreenCarbon“ ist der Name eines Marie Curie-Projekts, einem Ausbildungsprojekt, in dem es um die Verkohlung von Biomasse geht. Hier werden junge Leute ausgebildet, insgesamt 14 Doktoranden von acht Universitäten, indem sie sich mit Methoden und Anwendung der Karbonisierung (Verkohlung) beschäftigen. Zwei der Doktoranden haben in Hohenheim gearbeitet, die übrigen waren über weitere Länder und Organisationen verteilt.
Verkohlen klingt nach verbrennen. Wie funktioniert dieses Verfahren und weshalb weckt es das Interesse von Forschenden?
Kruse: Es gibt zwei Haupttypen der Karbonisierung. Der erste Typ ist die Pyrolyse, ein trockenes Verfahren, durch das man den Kohlenstoffanteil im Ausgangsmaterial erhöht. Das andere Verfahren ist die hydrothermale Karbonisierung, ein nasses Verfahren. Dementsprechend ergeben sich auch die einsetzbaren Biomassen: Trockenes Material wie Holz und Stroh ist geeignet für die Pyrolyse. Nasse Materialien wie Gärreste, Kaffeesatz, Kartoffelkraut, Apfeltrester oder Biertreber gehen in die hydrothermale Karbonisierung. Insbesondere Nebenprodukte aus der Landwirtschaft eignen sich für diese Methode.
Die hydrothermalen Verfahren wandeln Ausgangsstoffe zu Kohle um, auch wenn sie 80 Prozent Wasser enthalten. Das geschieht in einer Autoklave, die man sich wie einen Schnellkochtopf mit 200 Grad Celsius und sehr hohem Druck vorstellen kann. So lässt sich aus Biomasse Kohle herstellen. Bei den trockenen Pyrolysen kommen dagegen Temperaturen bis 500 Grad Celsius zum Einsatz. Im GreenCarbon-Projekt geht es darum, die beiden Verfahren der Karbonisierung zu verbessern und Anwendungen für diese Verfahren zu entwickeln.
Wofür lässt sich der gewonnene Kohlenstoff beispielsweise einsetzen?
Kruse: Eine der Arbeitsgruppen prüft, ob sich die gewonnenen Kohlenstoffe zur Bodenverbesserung einsetzen lassen, gleichwohl diese Anwendung nicht unumstritten ist. An der Universität London wurde die Herstellung von Katalysatoren aus den Kohlenstoffen erprobt.
Wir in Hohenheim interessieren uns dagegen vor allem für die klassische Aktivkohle und für die Anwendung von Kohlenstoffen in Energiespeichern, beispielsweise Grafit als Alternative zu Elektroden in Lithium-Energiespeichern. Ein zweites Beispiel sind Natriumbatterien. Hier sind unsere Elektrodenmaterialien sogar besser geeignet als reines Grafit. Beispielsweise Zwiebelschalen haben hier gut abgeschnitten. Natriumbatterien haben den Vorteil, dass man bei der Herstellung nicht auf das seltene Lithium angewiesen ist. Die Batterien sind zwar größer und schwerer als Lithiumbatterien, können aber gut als dezentrale Energiespeicher eingesetzt werden, beispielsweise für Fotovoltaikanlagen.
Das dritte Anwendungsbeispiel sind Superkondensatoren, die nicht viel Strom speichern, diesen dafür aber sehr rasch aufnehmen und wieder abgeben können. Man denke an E-Bikes, die ihren Speicher beim Runterfahren eines Berges aufladen und beim Hochfahren wieder leeren. Hierfür sind die Hohenheimer Kohlenstoffmaterialien besser als alles, was der Markt gerade hergibt.
Welches der Verfahren zur Karbonisierung wird in Hohenheim verwendet, um an die begehrten Kohlenstoffe zu gelangen?
Kruse: Dafür müssen wir beide Verfahren kombinieren. Die nasse Biomasse wird mit hydrothermaler Karbonisierung umgewandelt, dann erfolgt das Nachglühen mit einer Form von Pyrolyse. Ein Projekt in Hohenheim hat sich mit hydrothermaler Karbonisierung befasst, das andere mit der Kombination der beiden Verfahren, um ein besseres Verständnis für die besten Prozessbedingungen zu finden.
Bei der hydrothermalen Karbonisierung wird die Biomasse erst aufgelöst und dann die Kohle für ein neues Material aufgebaut. Bei der Pyrolyse wird die Kohle dagegen nur abgespalten, es wird nichts aufgebaut. Nützlich ist, dass beim hydrothermalen Verfahren die Biomasse etwas Stickstoff enthält, denn ein paar Proteine sind in fast jeder Biomasse enthalten. Das ist der Clou, denn reines Grafit aus anderen Verfahren enthält nur Kohlenstoff. Hier Stickstoff einzubauen ist schwierig. Wir können mit der hydrothermalen Karbonisierung aber Gerüste bauen, die von Anfang an Stickstoff enthalten. Jedoch gilt es insbesondere herauszufinden, welche Menge an Stickstoff sinnvoll ist. So können sich in Zukunft Hightech-Materialien für Energiespeicher aus Biomasse gewinnen lassen. Der Forschungsbedarf ist aber noch hoch. Bei klassischer Aktivkohle sind wir allerdings schon relativ weit, hier könnten wir eine Kleinanlage bauen.
Was hat Karbonisierung mit Landwirtschaft zu tun?
Kruse: Eine unserer Lieblingsausgangssubstanzen sind Gärreste aus Biogasanlagen, die zu rund einem Drittel mit Gülle betrieben werden. Der Gärrest wird hydrothermal karbonisiert. Aus diesem Verfahren lässt sich Struvit (Ammoniummagnesiumphosphat) als Dünger gewinnen. Es enthält den Stickstoff aus den Gärresten, kann jedoch im gleichen Verhältnis Phosphat bieten. Der Mineraldünger Struvit ist sehr rein, schwermetallfrei und zugelassen. Zudem gewinnt man mit dem Verfahren die nützlichen Kohlenstoffmaterialien. Aktivkohle hat einen Wert von einigen Euro pro Kilo, für technische Hochleistungsmaterialien werden drei bis vierstellige Beträge pro Kilogramm bezahlt.
Wie weit ist diese Anwendung fortgeschritten?
Kruse: Es liegt noch Arbeit vor uns, bis die Verfahren komplett verstanden sind. Wir suchen derzeit nach einer Finanzierung, um eine Technikumsanlage zu realisieren, eine kleine Versuchsanlage mit einem bis zehn Kilogramm Durchsatz pro Stunde. Diese Apparate sind frei skalierbar und enthalten alles, was eine Großanlage auch enthält. Am unteren Lindenhof der Universität Hohenheim nahe Reutlingen hätten wir einen Versuchsstandort, an dem man Nebenprodukte gleich zurück in Biogasanlage und Struvit auf die Felder bringen könnte.







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