Regenmacher aus der Hosentasche
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Bewässerung soll das natürliche Wasserangebot aus Niederschlägen und dem pflanzenverfügbaren Bodenvorrat ergänzen. Damit dies angepasst an die eingesetzte Verteiltechnik und effizient geschieht, ist die Nutzung von Entscheidungssystemen eine sinnvolle Ergänzung zu Erfahrungen im Betrieb.
Mit der Bewässerungs-App lässt sich der Wasservorrat im Boden feststellen und angepasst an den Bedarf der Kulturen gezielt bewässern. Die betrieblichen Ressourcen werden dabei berücksichtigt, beispielsweise die technisch bedingte Schlagkraft, die Arbeitskräfteausstattung oder die bestehenden Wasserrechte. Das Modell bestimmt den täglichen Wasserbedarf auf Grundlage einer berechneten Grasreferenzverdunstung. Unter anderem verrechnet das Programm Wetter- und Bodendaten, Kulturart - und für die Bewässerungstechnik spezifische Kennzahlen. Der Nutzer stellt die jeweiligen Rahmenbedingungen individuell ein.
Der Boden klammert sich ans Wasser
Mit zunehmender Austrocknung der Böden sinkt die Menge an pflanzenverfügbarem Bodenwasser. Aber nicht nur das: Ab einem gewissen Grad der Austrocknung steigen auch die Saugkräfte stark an, die das restliche Wasser im Boden festhalten. Diese Bindungskräfte müssen Freilandkulturen überwinden, um sich das Restwasser anzueignen. Das kostet Energie. Die Folge sind geringere Wasseraufnahmen und ein Rückgang der Verdunstung mit reduziertem Stoffumsatz.
Ein objektives Maß für diese Dringlichkeit ist die Bodenfeuchte in Prozent der nutzbaren Feldkapazität (nFK). Diese lässt sich mit Hilfe der Bewässerungs-App schlagspezifisch auf Tagesbasis ermitteln. Der Nutzer kann dabei den gerade noch tolerierbaren Bodenfeuchtegrenzwert, die Bewässerungsschwelle, nach individuellem Ermessen festlegen.
Zum Beispiel liegt die Schwelle bei Speisekartoffeln üblicherweise bei der Hälfte der nutzbaren Feldkapazität: 50 Prozent nFK. Bei Getreide, Mais und Zuckerrüben ist die in der Praxis gewählte Bewässerungsschwelle überwiegend niedriger, bei intensivem Feldgemüse und Frühkartoffeln häufig höher und bei Erdbeeren schwankt diese stark in Abhängigkeit des Entwicklungsstadiums. Erst wenn der pflanzenverfügbare Bodenwasserspeicher bis zum festgelegen Anteil entleert ist, empfiehlt das System, mit dem Bewässern zu starten.
Der Verbrauch lässt sich steuern
Grundsätzlich gilt: Je geringer die gewählte Bewässerungsschwelle, ab der bewässert wird ist, desto kleiner wird der Beregnungsaufwand insgesamt. Welcher Schwellenwert im Einzelfall sinnvoll ist, hängt unter anderem von der Kultur, der eingesetzten Technik, den verfügbaren Wasserressourcen und der vorhandenen Schlagkraft des Betriebs ab.
Das Modell berechnet die zu verabreichenden Einzelwassergaben zu jedem Zeitpunkt so, dass die Böden die Gaben vollständig pflanzenverfügbar im Wurzelraum aufnehmen können. Das ist keineswegs selbstverständlich, beispielsweise auf sehr leichten sandigen Böden, auf flachgründigen Standorten, bei wenig tief reichenden Wurzeln oder beim Einsatz von Tropfbewässerung. In diesen Fällen können die Böden hohe Einzelgaben nicht vollständig im Wurzelraum aufnehmen. Der Überschuss versickert nutzlos und wäscht während des Jungendwachstums aufgrund geringer Wurzeltiefen wertvolle Nährstoffe aus.
Die App gleicht Voreinstellungen der Nutzer zur Höhe der beabsichtigten Einzelwassergaben mit der bestehenden freien Wasserspeicherkapazität der Böden ab. Wenn erforderlich, reduziert die App die Voreinstellungen mithilfe konkreter Empfehlungen.
Auswerten und Prognosen ableiten
Nutzer der Bewässerungs-App können Wetterdaten vergangener Jahre auswerten. Standorte und Anbausysteme lassen sich so im Hinblick auf ihren Bewässerungsbedarf vergleichen. Wie groß wäre der Zusatzwasserbedarf im Einzeljahr oder im Mittel der vergangenen fünf, zehn, 15 oder 20 Jahre gewesen? Das lässt sich aus dem Programm heraus ermitteln. Dieser Rückblick ermöglicht Schlüsse auf den zu erwartenden Zusatzwasserbedarf für die kommenden Jahre. Die Auswertung kann Neueinsteigern und Beratern eine Hilfe sein, um die erforderlichen Bewässerungskapazitäten je nach Situation zu planen oder anzuschaffen.
Die Bewässerungs-App wird fortlaufend geprüft und weiterentwickelt. Grundsätzlich funktioniert das für Smartphones optimierte Programm in vollem Umfang ohne das Anlegen eines Benutzerkontos. Ein personalisiertes Benutzerprofil ermöglicht folgende Zusatzleistungen: schlaggenaues Speichern von Einstellungen, lokalen Niederschlagskorrekturen und Zwischenergebnissen, Zugriff auf alle gespeicherten Daten, Dokumentation in druckfähiger Version. Telefonische Beratung gibt es zusätzlich.
Die App entwickelt sich weiter
Zur Erfassung kleinräumig schwankender Niederschläge ermöglicht die Bewässerungs-App seit der Saison 2020 neben Niederschlagskorrekturen durch Nutzer ebenso die Verwendung von RADOLAN-Niederschlagsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Das RADOLAN-Verfahren kombiniert tatsächliche Niederschlagsmessungen in Bodennähe mit Radarmessungen von reflektierten Signalen des Niederschlags in höheren Schichten der Atmosphäre. Die Kombination beider Messtechniken liefert eine flächenhafte Verteilung des Niederschlags im Ein-Kilometer-Raster und bietet für Nutzer der Bewässerungs-App mehr als 350.000 virtuelle RADOLAN-Niederschlagsstationen deutschlandweit.
Hintergrund
Hinter dem Modell stehen Feldversuche, Praxiserfahrungen und für landwirtschaftliche Kulturen, Gemüsearten und die ersten Obstarten hinterlegte Pflanzeneigenschaften. Es wurde von der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB) gemeinsam mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG), der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Hochschule Geisenheim kalibriert.
Die App und weitere Infos dazu finden Sie unter www.alb-bayern.de/app











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