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Spot Farming

Pflanzenbausysteme der Zukunft

Autonome Roboter, die 24/7 emisg über den Acker rollen, die Pflanzen begutachten und ihnen - wie kleine Pflanzendoktoren - gezielt Dünger und Pflanzenschutzmittel verabreichen? Laut Dieter von Hörsten, Wissenschaftler am Julius Kühn-Institut, ist das die Zukunft des Pflanzenbaus.

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 Von der Forschung an Feldrobotern wie der Roboterplattform „Phoenix" der Universität Hohenheim, hier auf den DLG-Feldtagen 2018, sollen in Zukunft auch Betriebe in Süddeutschland profitieren.
Von der Forschung an Feldrobotern wie der Roboterplattform „Phoenix" der Universität Hohenheim, hier auf den DLG-Feldtagen 2018, sollen in Zukunft auch Betriebe in Süddeutschland profitieren. Foto: J. Klein
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Landwirtschaftliche Flächen sind selten homogen. Sie unterscheiden sich zum Beispiel in Bodenart, Erträgen, Wasserversorgung, Höhenprofil, Erosionspotenzial und geografischer Ausrichtung. Beim „Spot Farming“ werden diese Unterschiede genutzt, um Agrarflächen in unterschiedliche Spots einzuteilen. Für die Einteilung orientiert man sich an modernen Kartierungstechniken, verschiedene Karten werden dabei übereinandergelegt, um teilflächenspezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten auszumachen. Die verschiedenen Spots werden dann vollständig mit autonomen Robotiksystemen bewirtschaftet, welche jede Einzelpflanzen nach ihren Bedürfnissen versorgen. Durch höhere Präzision bei Aussaat, Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen sollen Ressourcen gespart und Erträge gesteigert werden.

Der Begriff „Spot Farming“ ging aus einem Projekt hervor, das vor einigen Jahren im Julius Kühn-Institut (JKI) zusammen mit dem Thünen Institut und der Technischen Universität Braunschweig durchgeführt wurde. Das Projekt hatte den Titel „mit autonomen Landmaschinen zu neuen Pflanzenbausystemen“. Ziel war es, Szenarien zukünftiger Pflanzenproduktion abzuleiten und zu bewerten, sowie künftige Handlungsfelder aufzuzeigen. Bei den KTBL-Tagen, die am 16. und 17. März 2021 unter dem Motto „Boden gut machen - neue Ackerbausysteme" stattfanden, präsentierte Dr. Dieter von Hörsten die Projektergebnisse.

Was müssen die Ackerbausysteme der Zukunft erfüllen?

Moderne Ackerbausysteme erfordern einen Wechsel des Blickwinkels, ist Dr. Dieter von Hörsten überzeugt. Der Agrartechniker ist Wissenschaftlicher am Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz beim JKI in Braunschweig und war an besagtem Projekt beteiligt. Um den großen Herausforderungen der Landwirtschaft zu begegnen, sei eine nachhaltige Intensivierung notwendig. Also mehr Output mit weniger Ressourceneinsatz. Aber wie lässt sich das erreichen? Der Fokus muss auf der Kulturpflanze liegen, so von Hörsten. Nicht die Technik dürfe den Rahmen der Pflanzenbausysteme bestimmen, sondern die Ansprüche der Kulturpflanze müssen möglichst gut erfüllt sein.

Dabei gilt es, drei Ebenen zu betrachten: die Einzelpflanze, den Schlag sowie die Landschaftsebene. Um die Erträge zu erhöhen, sollten also die Grundansprüche der Einzelpflanzen in den Mittelpunkt gestellt werden, der Kulturpflanzenbestand zum Standort passen und funktionale Elemente die Kulturpflanzen schützen.

Konkret heißt das auf Einzelpflanzenebene:

  • Ausreichende Bodengüte, -beschaffenheit und -fauna
  • Licht
  • Termingerechte optimale Wasser- und Nährstoffversorgung
  • Standraum: ober- und unterirdisch genug Platz und wenig Konkurrenz
  • Im Bedarfsfall Pflanzenschutz

Auf Schlagebene bedeutet dies:

  • Reduzierung des Einsatzes von Agrarchemikalien
  • Vermeidung der Verbreitung von Agrarchemikalien auf Nicht-Zielflächen
  • Verstärkter Bodenschutz durch Vermeidung von (Mehrfach-)Überfahrten, insbesondere bei hohen Radlasten
  • Stärkere Berücksichtigung von Witterungseinflüssen (Wind, Regen, Sonneneinstrahlung) und zeitlich abhängigen Ereignissen

Auf Landschaftsebene heißt dies:

  • Strukturen, die auf die natürlichen geografischen und klimatischen Bedingungen abgestimmt sind und somit Wind- und Bodenerosion sowie Stoffverlagerung reduzieren
  • Schaffung von Refugien und Pufferzonen für die Vernetzung von Biotopen sowie die Stärkung der Biodiversität und der Ökosystemdienstleistungen in der Agrarlandschaft
  • Positive Beeinflussung des Landschaftsbildes (durch kleinere Strukturen)

Ein optimales Pflanzenbausystem sollte die Anforderungen auf allen drei Ebenen in Einklang bringen.

Was bedeutet das für Pflanzenbausysteme?

Für die Einzelpflanze sind maximaler Standraum und Licht von sehr großer Bedeutung. Dies kann durch Gleichstandsaat erzielt werden, denn die Pflanzen haben im Dreieckverband optimale Wachstumsbedingungen. Durch die Gleichstandsaat ist die Pflanzenposition bekannt, so können die Roboter Unkräuter mit einfacheren Sensoren von Nutzpflanzen unterscheiden. Roboter, Drohnen und Satelliten erfassen regelmäßig den Zustand jeder einzelnen Pflanze.

Bei der Pflanzenzüchtung wirft diese Betrachtung die Frage auf, ob womöglich neue Zuchtziele benötigt werden, so von Hörsten. Wird zum Beispiel Getreide in Gleichstandsaat angebaut, bedarf es Getreidepflanzen, die anders beschaffen sind als unsere heutigen Sorten, erklärt der Wissenschaftler.

Auch auf die Düngung von Pflanzen hat dies Auswirkungen. Sie sollte bedarfsgerecht über den gesamten Vegetationsverlauf und je nach Kulturart und deren spezifischen Ansprüchen erfolgen. Dafür ist es notwendig, dass Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall frühzeitig erkannt werden, was zum Bespiel mit Monitoring durch Zeigerpflanzen erfolgen könnte. Auch eine gezielte Platzierung, so dass der Dünger möglichst vollständig von den Pflanzen aufgenommen werden kann, ist wichtig. Denn so werden Grundwasser- und Oberflächenabfluss vermieden. „In der letzten Ausbaustufe würde das zu einer Einzelpflanzenbehandlung führen. Das ist noch ein langer Weg, aber eine klare Vision“, sagt von Hörsten.

Grundsätzlich sei für den Ansatz des Spot Farmings hochaufgelöste Informationen sowie Technik zur präzisen Ablage von Düngern auf und in den Boden und zur kleinräumigen Applikation von Pflanzenschutzmitteln nötig.

Machbar oder noch Zukunftsmusik?

Mit heutiger Verfahrenstechnik sind diese Ansätze so nicht zu bewirtschaften, sagt von Hörsten. Aber kleine, autonome Maschinen, die in Schwärmen arbeiten, unterschiedliche Prozesse verrichten und sich eigenständig koordinieren, könnten solche Pflanzenbausysteme künftig möglich machen. Die einzelnen Maschinen haben zwar eine geringere Schlagkraft, aber durch nahezu permanente Einsatzbereitschaft und größere Bearbeitungszeitfenster würden dies größtenteils wieder kompensiert werden.

Die größten Herausforderungen sieht der Wissenschaftler darin, ein optimales Maschinenkonzept abzuleiten. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, wie groß die autonomen Maschinen sein müssen und wie es mit der Modularität aussieht. Der Praxiseinsatz muss erprobt werden, dabei müssen die Arbeitsprozesse entsprechend sicher gestaltet werden. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen rund um das autonome Arbeiten müssen geregelt und die Energie- und Datenversorgung für die autonomen Kleinmaschinen muss sichergestellt sein. 

Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit?

Auch diese Frage wurde im Rahmen des Projekt gestellt und für einen Modellbetrieb betrachtet. „Hier zeigte sich, dass solche Szenarien durchaus konkurrenzfähig sein können und vergleichbare Kosten mit sich bringen“, erklärt von Hörsten. Aber er betont auch, dass es sich hierbei um eine grobe Schätzung handelt. Es gelte, die Machbarkeit in der Praxis zu überprüfen. Auch das einhergehende Risiko und die Opportunitätskosten bei Maschinenausfall müssen in die Überlegungen miteinfließen. Kommt es mit Großtechnik zu einem Maschinenausfall, steht die ganze Kette. „Habe ich aber zwanzig Kleinmaschinen und eine fällt aus, kann ich immer noch mit 95 Prozent der Leistung weiterfahren“, erklärt der Agrartechniker.  

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