So funktioniert Agri-Photovoltaik
- Veröffentlicht am

Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach und Vertreter des Fraunhofer ISA erklären die APV-Versuchsanlage im Landkreis Sigmaringen, Baden-Württemberg.
Flächenkonkurrenz entschärft
Die Energiegewinnung mit Photovoltaik buhlt mit der Produktion von Lebensmitteln um Fläche. Das könnte die Preise für Pacht und Grundstücke in die Höhe treiben. Nötig könnte die Stromgewinnung auf landwirtschaftlichen Flächen werden, weil nach Aussage von Fachleuten die hiesige Dach- und überbaubare Stadtfläche voraussichtlich nicht zur nachhaltigen Stromgewinnung ausreichen wird. Laut Fraunhofer ISA müssten rund 4 % der Anbaufläche in Deutschland mit PV-Platten verbaut werden, um den zukünftigen Energiebedarf nachhaltig zu decken – das wäre ein herber Schlag für die Landwirtschaft.
Anlage auf Stelzen
APV könnte diese Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Stromerzeugung entspannen. Hierbei wird eine Photovoltaikanlage auf Feldern so aufgestellt, dass weiterhin eine Lebensmittelproduktion möglich ist. Die Module sind in ersten Praxisanlagen etwa sechs Meter über dem Acker auf Stelzen gebaut und überdachen die Ackerfläche mit einer Durchfahrtshöhe von fünf Metern. Die Abstände der Modulreihen sind so gewählt, dass mehr als 60 Prozent der Sonnenstrahlung zu den Pflanzen durchgelassen werden.
Für die Landwirtschaft praxistauglich?
In Japan sind laut Fraunhofer ISE bereits mehr als 3000 APV-Anlagen am Netz. Dort werden die Platten auf rund 2 m hohe Stelzen gestellt, unter denen der Anbau von Pflanzen und beispielsweise die Haltung von Geflügel möglich ist. Auch größere Kraftwerke, wie das SJ Solar Tsukuba Power Plant mit 35 MW installierter Leistung, werden in Japan seit April 2017 betrieben. Unter dem Kraftwerk werden unter anderem Ginseng, Koriander und andere Pflanzen angebaut.
Einsatz auf einem hiesigen Demeter-Betrieb
Mit einer Versuchsfruchtfolge aus Kleegras, Gemüse und Getreide wird APV seit 2020 unter anderem von der Hofgemeinschaft Heggelbach im Landkreis Sigmaringen getestet. Landwirt Florian Reyer, der dort für den Gemüseanbau zuständig ist, sieht die Stärken der Anlage in:
-
Doppelnutzung durch das Einfahren einer Ernte vom Acker und den Energieertrag. Der Druck auf die Fläche durch den Bau von Freiflächenanlagen kann durch APV abgemildert werden.
Eigenstromnutzung auf dem Betrieb stärken. „Viele kleine Anlagen helfen mehr als eine große“, äußerte sich Reyer. Für möglich hält er circa ein bis zwei Hektar APV pro Betrieb zum Etablieren einer dezentralen und lokalen Stromversorgung als Zusatznutzen für den Bewirtschafter der überbauten Fläche. -
Kein Beton auf der Fläche dank eines Spinnankersystems aus Österreich, das einer Baumwurzel nachempfunden ist und die Pfosten im Boden verankert. Die Anlage ist komplett rückbaubar, da keine harten Fundamente angelegt werden.
-
Mit 18 m Pfostenabstand zwischen den Reihen ist die Anlage gut auf die Arbeitsbreite der betriebseigenen Maschinen abgestimmt.
Zu den Schwächen der Anlage gehört nach Ansicht des Praktikers:
- Die Wasserverteilung unter der Anlage sorgt für Bodenerosion, insbesondere bei starken Niederschlägen beim Anbau von Reihenkulturen. Das von den Modulen abfließende Wasser spült Erde ab. Ein Vorgang, der sich nach Reyers Erfahrung mit allen ackerbaulichen Tricks bislang nicht verhindern ließ.
- Die Anlage muss genau auf die Fläche abgestimmt sein: Aktuell hört die Versuchsanlage mitten auf dem Acker auf. Pfosten unterteilen die Fläche, das macht die Bearbeitung anspruchsvoller.
- Hoher Aufwand für die Konstruktion: Das könnte sich in Ansätzen mit Förderung lenken lassen. Die Langfristigkeit ist laut Reyer aber weitgehend gegeben: „Ich glaube, dass die Module weit länger als 20 oder 30 Jahre nutzbar sein werden.“
Mehr zur 2500 m² großen Praxisanlage in Heggelbach erfahren Sie unter Doppelte Ernte: Photovoltaik über dem Acker.
Gute Erträge bei sengender Hitze
Alex Weselek hat als Doktorand der Universität Hohenheim einen Versuch auf Flächen der ökologisch wirtschaftenden Hofgemeinschaft Heggelbach begleitet. Im Zeitraum von 2017 bis 2019 wurden in Versuchen getestet, ob die Erträge sich von denen auf nicht-überdachten Flächen unterscheiden. Es wurden Kleegras, Kartoffeln, Winterweizen und Knollensellerie angebaut.
Zur Ernte 2017 zeigten nach Aussage des Forschenden alle Kulturen unter der Anlage Ertragseinbußen. 2018 war ein sehr trockenes Jahr, das jedem durch die ausgeprägte Hitze in Erinnerung geblieben ist. Hier waren die Erträge beim Kleegras ungefähr 8 % geringer als in der nicht-überdachten Kontrollgruppe, bei Winterweizen aber 3 % erhöht gegenüber der Kontrollfläche. Auch bei Kartoffeln und Sellerie waren die Erträge unter der Anlage tendenziell höher.
Eigenschaften der Lebensmittel ändern sich
Bei den Kartoffelknollengrößen zeigte sich im Versuch, dass unter der Anlage weniger große Knollen (Durchmesser mehr als 50 mm) auftraten. Bei der angebauten Sorte (Regina) kann das gut fürs Geschäft sein, da zu große Knollen vom Handel nicht anstandslos abgenommen werden.
Detaillierte Erkenntnisse aus dem APV-Versuch zu Erträgen und Produktqualität lesen Sie im Interview mit Axel Weselek. Stark in heißen Jahren.
Einige Kulturen mögen mehr Schatten
Weizen hatte in einem Anbaujahr zwar einen geringeren Ertrag, aber einen höheren Proteingehalt unter der APV-Anlage. Das hat Dr. Sabine Zikeli vom Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim zusammen mit ihrer Kollegin, M. Sc. Lisa Pataczek, herausgefunden. Kulturen wie Kleegras oder Salat, die beispielsweise über die Blattstellung den Schattenwurf kompensieren können, haben weniger Probleme. Zur Produktqualität besteht aber noch Forschungsbedarf, erklären die Wissenschaftlerinnen.
Ein Gewinn für die Biodiversität?
In der Versuchsanlage der Hofgemeinschaft Heggelbach haben einige Vögel den Rammschutz um die Pfosten der APV-Anlage als Brutstätte auserkoren. Allerdings besteht der Verdacht, dass Insekten spiegelnde Fotovoltaikmodule für Gewässer halten könnten, dort jedoch keine Flüssigkeit zur Eiablage finden. Generell sind Kräuter und Insekten auf Sonne und Wärme angewiesen, weshalb in Zukunft unbedingt die Einflüsse der APV auf die Biodiversität untersucht werden muss.
Erosion durch PV-Platten
Da der Regen von den APV-Platten wie von einem Dach aufgefangen wird und punktuell niedergeht, konnte auf der Fläche nach starkem Regen Erosion beobachtet werden. Im Gegensatz zum Dach fehlt den PV-Platten die Dachrinne, die das Wasser kontrolliert abfließen lässt. Neuartige APV-Konstruktionen wie aufrechtstehende Solarwände könnten diese Problematik in Zukunft entschärfen.
Das vollständige Interview "Tauglich in der Praxis?" mit Zikeli und Pataczek zur Wirkung des Schattens auf die Kulturen und zum Erosionspotenzial der APV finden Sie hier.
Flächennutzungseffizienz steigt
Summiert man die landwirtschaftlichen und die Stromerträge, verdoppelt sich die Flächennutzungseffizienz fast gegenüber dem Anbau von 100 Prozent Kartoffeln oder der 100-prozentigen Stromgewinnung auf einer Fläche. Das ist allerdings noch kein Garant dafür, dass die APV die lukrativste Nutzung einer Fläche darstellt. Sie kann aber ein sehr vorteilhafter Kompromiss aus zwei Nutzungen sein.
Fördern hilft, APV zu etablieren
Im August 2021 hat das Technologie- und Förderzentrum der Finanzierbarkeit von APV auf den Zahn gefühlt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist APV zum jetzigen Zeitpunkt konventionellen PV-Freiflächenanlagen häufig unterlegen. Landwirtschaftliche Deckungsbeiträge gängiger, konventioneller Marktfrüchte machen nur etwa 1 bis 4 % der Gesamterlöse der APV aus, die Stromerlöse überwiegen also bei weitem. Die Pflanzenproduktion von konventionellen Produkten – und wahrscheinlich auch ökologischen – ist also nicht so profitabel wie die Stromerzeugung.
So teuer ist APV
Agri-Photovoltaikanlagen sind derzeit, aufgrund der Verwendung von Spezialmodulen oder aufwändiger Montagesysteme, noch teurer als übliche Freiflächenanlagen. Für vertikale APV-Anlagen liegen die Investitionskosten mit durchschnittlich 690 Euro pro kWp nur leicht höher als für konventionelle PV-FFA (ca. 570 Euro pro kWp). Hoch aufgeständerte APV-Anlagen können hingegen mehr als doppelt so teuer werden (ca. 1230 Euro pro kWp). Zwar sind diese Anlagesysteme in Sonderkulturen (aufgrund der dort üblichen Aufständerung in geringerer Höhe) günstiger, mit ca. 850 Euro pro kWp sind sie aber dennoch deutlich teurer als vertikale Agri-PV-Anlagen oder konventionelle PV-FFA.
In der DIN SPEC 91434 wurde APV nun so definiert, dass höchstens 10 bis 15 % der Fläche verbaut werden und noch mindestens 66 Prozent des vorherigen Ertrags erzielt wird. Dank der Definition könnte in Zukunft eine Förderung für APV-Anlagen realisiert werden.
Im Grunde gibt es gegen den Bau von APV sehr viel weniger Hürden als beim Bau von nicht aufgeständerten Anlagen. Es wird schließlich kaum landwirtschaftliche Fläche aus der Produktion genommen. Wie man den Bau einer PV-Anlage zusammen mit der Gemeinde angeht und welche Hürden es gegenüber üblichen Freiflächenanlagen gibt, lesen Sie hier.
Mehr dazu lesen Sie in der Studie des Technologie- und Förderzentrums unter Das ist der Status Quo.
Solarpanele statt Hagelschutznetze
Aktuell läuft am Fraunhofer ISE ein Versuch bis zum März 2025, in dem erprobt wird, wie sich die APV-Anlage über Sonderkulturen wie Äpfeln schlägt. Hagel, Starkregen und Hitzewellen können Obst gefährlich werden – beides könnte APV entschärfen. Das Projekt soll insbesondere klären, ob die APV eine Schutzfunktion gegenüber Hagelschlag im Obstbau übernehmen kann. Das ist besonders spannend, da die Deckungsbeiträge bei Sonderkulturen höher als im Ackerbau sind und sich eine APV dort früher rechnen könnte. Vor allem, wenn durch die Sonnenkollektoren Hagelnetze überflüssig werden. Getestet wird auf dem Naturland-Obsthof Nachtwey in Gelsdorf im Landkreis Ahrweiler.











Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.