Walnüsse aus Deutschland
An Pioniergeist mangelt es Vivian Böllersen nicht. An Walnüssen allerdings schon: Warum gibt es in Deutschland keinen erwerbsmäßigen Walnussanbau, fragte sich die gebürtige Berlinerin während ihres Agrarstudiums. Sie forschte und fand keinen guten Grund. Also wagte sie den Sprung aufs Land und pflanzte eine der ersten Walnussplantagen in Ostdeutschland.
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Früher stand auf fast jedem Hof ein Walnussbaum. Heute kommen die über 50 Tonnen Walnüsse, die wir in Deutschland jährlich verspeisen, überwiegend aus dem 9.000 Kilometer entfernten Kalifornien. Warum? Die Nüsse wachsen schließlich auch in Deutschland. Was spricht hierzulande gegen einen erwerbsmäßigen Anbau? Das fragte sich Vivian Böllersen in ihrer Masterarbeit im Öko-Agrarmanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Die gebürtige Berlinerin trug über 100 anbaufähige Walnusssorten zusammen – manche Nüsse handtellergroß, andere dunkelrot. Sie besuchte ausländische Betriebe, unter anderem in Ungarn und Frankreich, wo der Walnussanbau noch eine Rolle spielt. Und stets kam sie zu diesem Schluss: Walnüsse in Deutschland anzubauen, kann lukrativ sein.
Einfach loslegen
2015 nahm sie ihren Mut und ihr Erspartes zusammen, um im Nordwesten Brandenburgs eine der ersten Walnussplantagen Ostdeutschlands zu pflanzen. Stolz präsentiert sie heute 200 Walnussbäume in über 30 Sorten – nicht nur eine Plantage, sondern auch ein Versuchsfeld. „Ich will schauen, welche Sorten sich für Brandenburg eignen. Da gibt es null Forschung und Erfahrungswerte. Ich musste ins Blaue rein pflanzen“, erklärt die Gründerin der Walnussmeisterei.
Genau dieses Unbekannte fasziniert die Junglandwirtin an der Walnuss. Noch immer arbeitet sie eng mit der Hochschule in Eberswalde und immer wieder mit Student:innen zusammen, um ungeklärte Fragen zu beantworten. Was für andere ein Hindernis ist, macht das Geschäft für Vivian Böllersen erst interessant: Sie darf Vorreiter sein für den Anbau einer Kultur, die noch nicht grundlegend erforscht ist.
Hürden für Quereinsteiger
Das passende, 4,5 Hektar große Grundstück fand Vivian nach längerer Suche über ihre Anzeige in der lokalen Presse. „Ich wollte eine gut erreichbare Fläche, wo man nicht kilometerlang über Feldstraßen juckeln muss. Mit Infrastruktur, also einem Baumarkt oder einer Tankstelle um die Ecke“, erinnert sie sich. Das heutige Grundstück überzeugte nicht nur mit guter Anbindung, sondern auch mit einem hohen Grundwasserstand, der eine langfristige Bewässerung erspart. Klassisch brandenburgisch ist der Boden allerdings sehr sandig – er kommt nicht einmal auf 30 Bodenpunkte.
Die Genossenschaft der Ökonauten, die sich für Einsteiger:innen in der Landwirtschaft engagiert, half Vivian bei der Finanzierung der Fläche: Sie kauften das Grundstück, das die Walnuss-Pionierin nun langfristig pachtet. „Ich dachte immer, wenn ich Walnüsse pflanze, muss ich auch Eigentümerin des Landes sein“, erzählt sie. Schließlich sollte der Pachtvertrag nicht gerade dann auslaufen, wenn die Bäume nach zehn Jahren endlich in den Ertrag gehen. Der Vertrag mit den Ökonauten sichert Vivian nun aber nicht nur ein lebenslanges Pachtrecht. Auch ihre Kinder können die Fläche später übernehmen.
Die harte Nuss der Zulassung
Bei Trockenheit wässert die Landwirtin hin und wieder mit einem 1.000-Liter-Fass die jungen Bäume. Die Baumscheiben mit den Gießringen hält sie frei von Unterwuchs. Heute ist Vivian mit einem Rasenmäher gekommen, um die Wiese rundherum zu stutzen. Die wächst recht üppig. Walnüsse strömen zwar Juglon aus – einen Stoff, der dafür sorgt, dass nicht mehr alles unter ihnen keimt. Aber einige Arten kommen damit zurecht. Die Plantage ist als silvopastorales System beim deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft registriert: Seit 2021 hält ein Betrieb aus der Nähe Schafe unter den Nussbäumen.
Die Walnuss-Expertin pflanzte ihre Bäume außerdem im Abstand von 13 mal 15 Metern versetzt im Dreiecksverbund, sodass auch die ausgewachsenen Kronen von etwa zehn Metern Durchmesser noch genügend Licht für das Gras unter ihnen durchlassen werden. Versprechen kann die Landwirtin das jedoch nicht, denn selbst die Kronendurchmesser der meisten Sorten sind wissenschaftlich bislang nicht erfasst.
Für die aufwendige Genehmigung der Pflanzung war es wichtig, dass das Grünland erhalten bleibt. Um die Behörden zu überzeugen, musste Vivian Fotos von anderen Betrieben sammeln, die bewiesen, dass eine Doppelnutzung von Wiese oder Weide und Walnuss möglich ist, auch wenn die Bäume groß sind. An vielen Stellen leistete sie Grundlagenarbeit: „Wenn ich das Gleiche, was ich hier gemacht habe, mit Apfelbäumen gemacht hätte, wäre das für jede Naturschutzbehörde ganz klar ein Mehrwert gewesen. Mit Apfelbäumen kennt man sich halt aus und Streuobstwiesen sind der heilige Gral des Naturschutzes“, ist Vivian überzeugt.
Walnüsse sind einfach zu selten ein Thema auf den Ämtern. Also überzeugte die Junglandwirtin skeptische Berater:innen davon, dass die Nüsse zur heimischen Flora gehören und nicht invasiv sind. „Bei Leuten vom BUND oder dem Landesamt für Umwelt in Brandenburg habe ich mich da immer nochmal rückversichert, damit ich mich sicherer fühle“, erzählt sie.
Sorten für jeden Standort
Kurz verschwindet die Walnuss-Expertin in einer der jungen Kronen. Sie bindet geübt ein paar der grünen Äste mit einem Fahrradschlauch hoch. Von dem Material hat sie genug – ihr Mann führte früher ein Fahrradgeschäft in Berlin. Wenn der Ertrag der Bäume nach 50 bis 60 Jahren nachlässt, will Vivian das Stammholz vermarkten. Aus diesem Grund erzieht sie die Bäumchen zurzeit auf 2,20 Meter Stammhöhe – ein Maß, das die Furnierwerke vorgeben. Der Prozess ist aufwendiger und langwieriger als für kleine Stämmchen, aber die Junglandwirtin ist sicher, dass es sich lohnen wird. Immerhin gilt die Walnuss als eines der edelsten heimischen Hölzer. Die Krone der Walnuss ist locker und licht. So macht sie wenigstens, wenn sie einmal erzogen ist, weniger Arbeit als ein Apfelbaum.
Wieder unten präsentiert Vivian ihre aktuelle Lieblingssorte ‚Mars‘: „Die sieht einfach schön aus und hier und da war schon mal eine Frucht dran!“ ‚Mars‘ hat internationale Gesellschaft. Neben ihr wachsen die französische ‚Meylanaise‘ und die ungarische ‚Milotai‘. Welche Sorte am Ende die beste für Brandenburg ist, lässt sich noch nicht sagen. „Auf jeden Fall hängt es stark vom Standort ab“, ist Vivian sicher. „Selbst auf dieser kleinen Fläche gibt es große Unterschiede.“
Passende Sorten finden sich für fast jeden Standort. Während Hochertragssorten stickstoffreiche, tiefgründige Böden schätzen, vertragen andere hohe Stickstoffmengen gar nicht. Es gibt sogar Sorten, die für spätfrostgefährdete Regionen interessant sind. Sie treiben entweder erst im Juni aus oder bilden auch am Nachtrieb Früchte, falls der erste erfroren ist. Im Grunde gibt es nur drei Bedingungen, die ein walnusstauglicher Standort erfüllen sollte.
3 Bedingungen, die ein walnusstauglicher Standort erfüllen sollte
- genügend Wasser ohne Staunässe,
- wenig Wind (das Holz bricht schnell),
- viel Licht und Wärme mit möglichst wenig (Spät-)Frost.
Walnüsse ökologisch anbauen
Ein großer Vorteil der Walnuss ist ihre Robustheit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Auf ihrer Plantage musste Vivian bislang nicht eingreifen. „Die Walnuss ist von Natur aus eine richtige Ökokultur“, ist sie begeistert. Sorgen bereitet ihr nur die aus Kalifornien stammende Walnussfruchtfliege, die in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Es gibt Öko-Pestizide dagegen, aber die Mittel sind in Deutschland bislang nicht zugelassen.
Ökologisch zu wirtschaften, stand für Vivian außer Frage. Sie hat ihre Plantage bereits EU-Bio-zertifizieren lassen, obwohl sie noch lange nicht in den Ertrag geht. So kann sie schon vorab Erfahrungen mit der Öko-Kontrolle sammeln. Als ehemalige Berlinerin weiß Vivian außerdem, dass der Großstadtmarkt ökologische Produkte wertschätzt – ein lukrativer Absatzmarkt direkt um die Ecke.
Den Markt knacken
Schon heute handelt Vivian mit Nüssen. Sie erntet sie selbst – nur nicht von ihrer Plantage, sondern von über 400 Privatbäumen in der Umgebung, die sie über einen Aufruf ausfindig gemacht hat. So wird jede Ernte zur Wundertüte, denn welche Sorten sie erntet, weiß die Landwirtin selten. Die Nüsse trocknet sie bei milden 22?°C und verkauft sie anschließend meist im Ganzen in ihrem Hofladen und mit viel Freude im Winter auf Märkten. Ein Kilogramm ganze Nüsse kostet dann doppelt so viel wie üblich.
Die Walnuss-Knackmaschine
Der ganze Stolz des Unternehmens ist eine Walnuss-Knackmaschine. Damit produzieren Vivian und ihr kleines Team Nusskerne, aus denen auch gebrannte Walnüsse entstehen. In der Nähe lässt die Geschäftsfrau zudem Walnussöl pressen. „Dass ich jetzt schon den Prozess der Ernte und Aufbereitung üben kann, ist cool!“, findet sie und kann es kaum erwarten, bis ihre eigenen Bäume alt genug sind.
Auch der Biogroßhandel in Berlin und anderen Teilen Deutschlands scharrt mit den Hufen. Anfragen aus allen Himmelsrichtungen haben das junge Walnussbusiness schon erreicht. „Die merken, dass der Bedarf an regionalen Walnüssen da ist. Und im Supermarkt gibt es wirklich null Prozent deutsche Nüsse!“, erklärt Vivian.
Das Interesse des Handels an heimischen Walnüssen wächst
Angenehm überrascht ist die Landwirtin vom wachsenden Interesse am Walnussanbau. So ergab sich ein weiteres Standbein, mit dem sie die Jahre bis zum Ertragsstart überbrücken kann: Als Beraterin begutachtet sie Flächen, gibt Tipps und hält Vorträge. Obendrein handelt Vivian inzwischen mit Pflanzware. Denn es ist schwierig, in Deutschland an die verschiedenen Sorten zu kommen. Jedes Jahr im November startet das Walnuss-Team zu einer Europa-Tour, von der es Pflanzware mitbringt. Dabei zahlen sich Vivians Kontakte zu Veredlern und Baumschulen im Ausland aus.
Es geht nicht nur um die Nuss
Kaum ein Teil des Walnussbaums lässt sich nicht nutzen. Das Holz wird zu Möbeln, die Blätter dienten früher als Färbemittel und werden heute zu Tee. Die geknackten Schalen geben einen guten, wenn auch noch nicht zugelassenen Brennstoff ab (Vorsicht vor fetthaltigen Nuss-Rückständen in der Schale!). Ganz fein vermahlen sind sie auch ein gutes Sandstrahlmittel. In Frankreich entstehen aus den noch grünen Schalen und Blättern Wein und Naturheilmittel. Und dann sind da natürlich die Nüsse.
In zwei bis drei Jahren will Vivian die ersten Kisten voll mit Nüssen von ihrer Plantage tragen. „An jeder Ecke denke ich, dass man daraus noch etwas machen könnte. Jedes Organ der Walnuss hat noch eine Wertigkeit, einen Nutzen!“, begeistert sie sich.















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