Bodenwissen verbessern
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Die Fruchtfolge verbessern und von Chemie wegkommen, den Betrieb unabhängiger machen, die Unkräuter richtig lesen können – So unterschiedlich sind die Motive der Teilnehmer:innen des „Bodenkurs im Grünen“ für Bayern: Aus ganz Südbayern und Baden-Württemberg reisten im Juni 2021 Landwirt:innen nach Epfenhausen bei Landsberg am Lech. Ökologische und konventionelle Betriebe sind darunter und auch drei Biogaserzeuger. Wie jedes Jahr lehren Dietmar Näser und Friedrich Wenz auf Betrieben früherer Kursteilnehmer. Die beiden gelten als die Lehrmeister der regenerativen Landwirtschaft.
In Epfenhausen sehen sich die Teilnehmer:innen zum ersten Mal persönlich zum Praxisteil – dem dritten Modul des umfassenden Bodenkurses. Die ersten beiden Module mit den „Grundlagen fruchtbarer, lebender Böden“ und der Theorie zu Flächenrotte, Fermenten und Komposttee fanden online mit Videoschaltungen statt. Für den Kurs hat Peter Thoma hat seine Maschinenhalle freigeräumt. Der Biobauer und Schweinemäster war vor drei Jahren auf dem Bodenkurs und setzt seitdem die gelernten Maßnahmen um.
„Die Böden sollten im Sommer und Winter durch Zwischenfruchtanbau bewachsen gehalten werden, um das mikrobielle Bodenleben zu erhalten“, sagt Wenz, „so lassen sich Kohlenstoff- und Nährstoffverluste durch biogene Einbindung weitgehend vermeiden. Es stellt sich ein ausgewogeneres Verhältnis von Bakterien und Pilzen ein, um Huminstoffe erzeugen und alle Bodenfunktionen nutzen zu können. Junge Pflanzen bringen die meisten Wurzelausscheidungen. Diese füttern die Bodenbiologie am besten.“
Sofern nicht mit Untersaaten gearbeitet werde, keine Unterbodenlockerung nötig und die entsprechende Technik vorhanden sei, plädieren Näser und Wenz für die Direktsaat in die Stoppel. „Sind bis zur Schälung im Herbst weniger als sechs Wochen Wachstumszeit nutzbar, kann eine artenreiche Untersaat als Quasi-Zwischenfrucht stehen bleiben“, erläutert Wenz. Für die Zwischenfruchtgemenge empfiehlt er eine möglichst große Vielfalt, mindestens aus den drei Pflanzenfamilien Gräser, Leguminosen und Kreuzblütler. Wintergrüne Gemenge könnten auch nach später Ernte im September und Oktober noch angebaut werden: „Im Winter bewachsene Felder halten die Nährstoffe, speichern Wasser und sind zur Düngung im Frühjahr besser befahrbar.“
Flächenrotte mit Fermenten
„Zur Einleitung der Flächenrotte müssen wir technisch flach arbeiten, etwa drei bis fünf Zentimeter tief abschälen“, erklärt Wenz, „wir brauchen lebendes, grünes Pflanzenmaterial. Das liefert die Energie für den Rotteprozess.“ Das Ziel sei eine feinkrümelige Erde. Je größer die Kationen-Austauschkapazität (KAK), desto mehr Pflanzenmaterial könne eingearbeitet werden. Leichte Böden hätten eine niedrige KAK, also weniger Puffer. Hier sei eine größere Arbeitstiefe zu empfehlen. Das Pflanzenmaterial müsse reduziert oder nötigenfalls abgefahren werden. „Sonst verschluckt sich der Boden; das heißt, er kann die Nährstoffe nicht alle einbinden.“
Näser und Wenz empfehlen, möglichst gleich beim Abschälen und beim Tiefenlockern ein Ferment auszubringen, um durch eine Milieusteuerung die Bodenbiologie zu fördern, Zeit zu sparen und damit Sicherheit zu gewinnen. „Der Boden braucht Zeit, um das Grünmaterial zu verstoffwechseln. Wird der Aufwuchs abgefahren, gibt es nicht viel Material zu verdauen. Dann kann bereits am nächsten Tag gesät werden. Wird viel Grünmaterial eingearbeitet und damit der Boden gefüttert, braucht es etwa sieben bis zehn Tage, bis das Material abgebaut ist und keine Gefahr von Keimhemmungen oder Wachstumsdepressionen mehr besteht“, sagt Wenz. Das Ferment solle organische Masse, bevor sie unkontrolliert abgebaut werde und durch Ausgasungen und Mineralisierung Inhaltsstoffe verloren gehen, auf der Fläche fermentieren – also die Flächenrotte so gestalten, dass sie zum Humusaufbau beiträgt und den Kohlenstoff fixiert. Zur Flächenrotte sollten 100 l Ferment pro ha verwendet werden. „Fermente haben starke reduktive Eigenschaften. Der pH-Wert muss unter 3,8 liegen. Krankheitserreger können sich in dem Milieu nicht halten und Fäulnis wird unterdrückt oder sogar umgekehrt“, erklärt der Südbadener.
Die Fermente enthalten effektive Mikroorganismen. Das seien Wenz zufolge im Wesentlichen Milchsäurebakterien, Hefepilze und Fotosynthesebakterien. Die Anwender:in könne die Fermente entweder fertig anwendbar kaufen oder Starterpakete beziehen und die circa drei Wochen dauernde Fermentation selbst durchführen. Die Fermente könnten bis zu einem Jahr lang lagern.
Kali-Anreicherung durch Gärrest
Ein Biogaserzeuger fragt, wie und wann er seinen Gärrest aufbereiten soll. Näser und Wenz sehen sowohl Gülle als auch Gärrest problematisch fürs Bodenleben aufgrund der Fäulnisbildung durch hohe Eiweißgehalte und den Luftabschluss. „Das gilt besonders, wenn Fäulnisgülle direkt in den Boden injiziert wird“, erläutert Wenz, „die Gülle kann dann nicht durch Sonneneinstrahlung und Sauerstoffeinfluss entschärft werden. Unsere Empfehlung ist hier: lieber kleine und mehrere Gaben.“ Bei Biogasbetrieben käme eine schleichende Anreicherung von Kalium hinzu, weil Kali im Gärrest gut verfügbar sei und wirke. Das führe zu einer Verschlechterung der Bodenstruktur. Der Boden werde erosionsanfälliger. „Deshalb ist hier die Albrecht/Kinsey-Methode so wichtig: Man sieht das und kann gegensteuern.“
Gülle und Gärrest sollten mit Ferment, Pflanzenkohle und Gesteinsmehl aufbereitet werden. Die Güllebelebung brauche mindestens drei Wochen. „Es sollte also nicht erst angefangen werden, wenn die Grube schon fast voll ist“, erklärt Näser. „Die Belebung bewirkt eine komplette Milieuänderung: Aufbereitete Gülle ätzt nicht. Sie kann in den wachsenden Pflanzenbestand ausgebracht werden, verringert durch Ammoniakausgasung und Auswaschung verursachte Stickstoffverluste und sie fördert ein stabiles positives Mikrobenmilieu im Boden.“ Als nicht so hochwertige „Just-in-time“-Lösung könne In-Wa-Quarz eingerührt werden, ergänzt Wenz.
Tee statt Gift
„Wir haben es beim biologisch aktiven Boden mit einem selbstregulierenden System zu tun“, erläutert Näser, „ich muss die Selbstregulierung anreizen.“ Das gelinge durch vitalisierende Blattspritzungen mit Komposttee, was der Pflanze einen Impuls gebe, um die Photosynthese-Leistung anzukurbeln. Dies könne bereits einige Stunden nach der Behandlung mittels Zuckermessung im Blattsaft nachgewiesen werden. Die Pflanze werde vitaler und das Immunsystem gestärkt, was der Abwehr von Schadpilzen und Schädlingen zugutekomme. Die höhere Assimilationsleistung führe zu mehr Wurzelausscheidungen, wovon die Bodenbiologie profitiere. „Mit dem Komposttee haben die Bauern ein Betriebsmittel an der Hand, das sie selbst herstellen und auf das sie für wenige Cent pro Hektar zurückgreifen können“, sagt Wenz. Die Komposttee-Mischung braucht fünf Zutaten:
- Zuckerrohr-Melasse,
- Malzkeimdünger mit Mykorrhiza-Pilzen,
- Gesteinsmehl,
- eine „Bioaktiv“-Mischung mit Pflanzenspurenelementen zur Wirkungsverstärkung
- und natürlich den Kompost.
Während ein Heizstab die Temperatur auf 25 °C hält, sorgt eine Umwälzpumpe für die Belüftung des Behälters. Im Gegensatz zur anaeroben Fermentation läuft die Komposttee-Herstellung also aerob ab. Die Maschine sollte mindestens 24 Stunden laufen. Nach der Herstellung muss der Komposttee zügig ausgebracht werden, innerhalb von höchstens vier Stunden.
Maßnahmenkontrolle
Gemeinsam inspizieren die Teilnehmer Felder von Peter Thoma. Auf dem ersten Feld schildert der Biobauer sein Problem mit „Distelnestern“. Die Distel mag keine Bodengare: Deshalb sind Flächenrotte, Untersaat und Vitalisierung die richtigen Maßnahmen.“ Mit dem Salzsäure-Test weist er nach, dass es dem Boden an Kalk mangelt. Der Sachse rät, die Boden- und Bestandsansprache immer schriftlich zu dokumentieren und zu fotografieren.
Auf einem anderen Schlag steht Wintertriticale mit einer Untersaat-Mischung. Auch hier herrscht hoher Disteldruck. Im Frühjahr folgten eine 15 m³ Güllegabe und eine Vitalisierungsspritzung mit Komposttee, Kalk, Bor und Zeolith. Jetzt schaut der Bestand ganz gut aus. „Ein hoher Siliziumgehalt macht die Pflanze widerstandsfähig gegenüber Krankheitserregern. Silizium sollte deshalb bei der Vitalisierung dabei sein – mit einer Zeolith-Gabe“, so Näser.
Später bekommt Thoma noch Lob für seine auf die regenerative Landwirtschaft ausgerichtete Betriebsausstattung: Sowohl der Unterboden-Lockerer als auch der große Flachgrubber wurden mit einem Leitungssystem zum Ausbringen der Fermente direkt hinter die Schare versehen.
Brix-, pH- und COND-Wert
Näser verteilte mit einer Sprühflasche Komposttee auf eine 20 m² große Fläche im Ackerbohnenfeld. Dann geht es an die Überprüfung der Wirksamkeit dieser Komposttee-Flaschenspritzung: Hierzu geht Näser nochmal aufs Feld und holt besprühte und nicht behandelte Blätter aus dem Ackerbohnen-Feld. Dann packt er seinen Bodenkoffer auf dem Tisch aus. Darin sind das Refraktometer zur Messung des Blattsaft-(Brix-)wertes, Schere, Presse, Mörser und Messgeräte für den pH-Wert und die elektrische Leitfähigkeit (COND-Wert). Einige Kursteilnehmer übernehmen die Vorbereitung: Sie zerschneiden die Blätter von Bohnen und Disteln und zerstampfen sie im Mörser. Mit der Presse wird Blattsaft in das Refraktometer und die Messgeräte geträufelt. Zum Vergleich werden Limonade und Heutee gemessen.
„In Gegenden ohne Agrarförderung, zum Beispiel Australien, ist das Refraktometer ein alltägliches Werkzeug“, sagt Näser. Hier müsse der Kulturerfolg ständig überwacht werden, weil sich die Landwirt:in keinen Totalausfall leisten könne. Auch Imker:innen würden das Refraktometer zur Bestimmung des Wasseranteils im Honig einsetzen. Grundsätzlich sei der pflanzliche Stoffwechsel bei einem Blattzuckergehalt zwischen zehn und 20 Prozent und undeutlicher Brechgrenze gut. „Die Bohnen reagieren wenig, weil zurzeit optimale Bedingungen herrschen und wenig Stress besteht“, interpretiert der Agrarchemiker das Zusammenspiel von Brix-, pH- und COND-Wert, „die Disteln reagieren jedoch bei gleich günstigen Bedingungen deutlich. Man sieht ihre Stoffwechselstärke an der über doppelt so hohen Leitfähigkeit. Eine Vitalisierungsbehandlung ist hier wegen des Distelwachstums sinnvoll. Bei der Limonade sieht man den hohen, auch deklarierten, Zuckergehalt. Heutee enthält keinen Zucker. Der ist beim Trocknen veratmet. Die Leitfähigkeit zeigt, dass gelöste, salzförmige Nährstoffe enthalten sind.“
Dann werden gemeinsam Boden-Schwenkproben aus mitgebrachter Erde und im Bodenkurs zugegebenem Wasser beurteilt. „Je trüber, desto mehr nicht in die Bodenaggregate eingebundene Tonmineralien enthält die Probe. Das bedeutet, der Boden ist auswaschungsgefährdet. Je farbiger, desto mehr organische Säuren. Je mehr Schaum, desto mehr mikrobielle Aktivität“, erklärt Wenz. „Das Bodenleben ist Mikrobiologie. Damit muss ich mich auseinandersetzen. Wir lernen in der Ausbildung oft nur Symptombehandlung“, lautet Näsers Abschlussstatement. Wenz beteuert: „Wir haben alle die gleichen Interessen: Wir wollen die Bodenfruchtbarkeit verbessern, um unseren Kindern und Enkeln einen Betrieb zu hinterlassen, von dem sie gut leben können.“

















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