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Soja aus Europa

Soja ohne Waldzerstörung und Gentechnik

Die Bohne voller Eiweiß und Öl wird als Futtermittel und für die Produktion von Lebensmitteln immer wichtiger, stammt aber großteils aus Süd- und Nordamerika. Ihr Anbau in Europa dagegen schont Klima und Umwelt – und gibt Agrarbetrieben eine Perspektive, so wie dem Biohof von Valerija Balint in Serbien.
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Ökolandwirtin Valerija Balint und Bane Jeremov, Direktor Lieferketten bei der Initiative Donau Soja.
Ökolandwirtin Valerija Balint und Bane Jeremov, Direktor Lieferketten bei der Initiative Donau Soja.Joerg Boethling
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Es hat monatelang nicht geregnet in Serbien. Selbst in der Voijvodina, eine der fruchtbarsten Regionen Europas, ist der Mais im September auf den meisten Feldern fast vertrocknet. Die Sojapflanzen sehen nicht viel besser aus. „Sie sind dieses Jahr nur halb so hoch gewachsen, trotzdem müssen wir sie in den nächsten Tagen ernten.“ Valerija Balint gnibbelt eine Bohne aus der Schote und steckt sie in den Mund. „Sie sind einfach so weit.“

In hohen Gummistiefeln und einem schwarzweiß-geblümten Kleid steht die 66-jährige Landwirtin in ihrem Feld mit den langen Reihen grüner, kniehoher Pflanzen. Die feinen Härchen auf Schoten und Stängeln leuchten im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Doch die energiegeladene Landwirtin mit den roten Haaren will uns etwas anderes zeigen. Sie zieht eine der Pflanzen heraus. Zum Vorschein kommt ein tief schwarzer Boden mit hohem Humusanteil, bester Speicher für Nährstoffe und Feuchtigkeit. „Das hat uns gerettet in diesem Dürrejahr, die Felder der konventionellen Landwirte sehen viel schlimmer aus“, sagt sie.

Ökolandwirtin Valerija Balint und Bane Jeremov, Direktor Lieferketten bei der Initiative Donau Soja. © Joerg Boethling

Fruchtbare Tauschgeschäfte

Seit 17 Jahren bewirtschaftet Valerija Balint die rund einhundert Hektar des Familienbetriebes biologisch, zertifiziert nach EU- und Demeter-Richtlinien. Sie verzichtet auf Pestizide und Kunstdünger. Stattdessen setzt sie auf Biodünger, Leguminosen und den Stallmist umliegender Milchviehbetriebe. Den erhält die Landwirtin im Austausch gegen Futterluzerne, die sie auf insgesamt zwei Hektar als Schutzstreifen gegen Verunreinigung durch konventionelle Äcker in der Nachbarschaft an den Rändern ihrer Felder pflanzt.

Der Anbau von Soja passt bestens in dieses Konzept. Valerija Balint zeigt auf kleine, weißgraue Kügelchen an den Wurzeln der herausgerissenen Pflanze. Stickstoff. Aus der Luft gebunden. Dem Boden zugeführt. „Das trägt sehr zur Fruchtbarkeit meiner Böden bei, zumal ich auch noch die Pflanzenreste unterpflüge.“

So gedeihen Mais, Paprika, Mohn, Getreide oder Koriander auf ihren Äckern und Beeten bestens. Einen Teil davon kann sie getrocknet nach Deutschland exportieren, an die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Das ermöglicht ein wichtiges Einkommen. Den anderen wichtigen Anteil stellt der Anbau von Biosoja auf etwa zwanzig Hektar. Der Preis dafür liegt über ein Fünftel über dem von konventionell angebautem. Das gleicht die diesjährigen Ernteverluste etwas aus.

Abnehmer ist Global Seed aus Curug, mit zweitausend Kühen der nach eigenen Angaben größte biozertifizierte Milchviehbetrieb in Europa. Valerija Balint verkauft ihre gesamte Sojaproduktion an Global Seed. „Trotzdem fragen die immer noch nach mehr“, sagt sie und nickt zufrieden.

Nachfrage nach Soja aus Europa steigt enorm

Den Kontakt zu dem großen Biomilchviebetrieb hatte ihr Bane Jevremov vermittelt, Agrarexperte der Nichtregierungsorganisation (NRO) Donau Soja. Das Ziel der NRO mit Sitz in Wien ist die Umstellung der Proteinversorgung Europas durch eine Gentechnik freie und nachhaltige Sojaproduktion. Die von der Austrian Development Agency (ADA) unterstützte Organisation hat eine Zertifizierung entwickelt, damit der Handel nachhaltig produziertes Soja aus Europa erkennen und unterstützen kann. Landwirt:innen und Verarbeiter:innen hilft sie bei der Verbesserung ihrer Betriebe.

„Soja ist in Serbien ein Motor für Entwicklung“, sagt Jovana Djisalov von Donau Soja in Novi Sad. Das Büro der serbischen Sektion der Organisation befindet sich in einer ruhigen Nebenstraße im pittoresken Zentrum der Stadt an der Donau, die das Zentrum der Voijvodina ist. In einem Schaukasten im Konferenzraum ist die breite Palette an Produkten ausgestellt, in denen von Donau Soja zertifizierte Bohnen stecken, von Speiseöl, Fleischersatzprodukten, Crispies in Pizzas oder Schokoriegeln bis hin zu Eiern, gelegt von mit europäischem Soja gefütterten Hennen.

Junge Sojapflanzen. © Joerg Boethling

„Die Nachfrage nach Soja aus Europa steigt enorm, getrieben vor allem von den großen Handelsketten, die immer mehr vegetarische Lebensmittel im Angebot haben und auf das gewachsene Bewusstsein der Konsumenten reagieren, auch was die Herkunft von Tierfutter angeht“, freut sich Jovana Djisalov.

Echter Senkrechtstarter

Soja ist ein echter Senkrechtstarter. In den letzten 50 Jahren hat sich die jährliche Produktion mehr als verzehnfacht. Der Internationale Getreiderat in London schätzt das globale Sojaangebot für 2022/23 auf 387 Millionen Tonnen. Doch mehr als 80 Prozent davon werden in Brasilien, den USA und Argentinien angebaut.

Alle drei Länder stehen nicht unbedingt für Nachhaltigkeit. Ihre Landwirt:innen setzen überwiegend auf genetisch verändertes Saatgut, in Verbindung mit dem entsprechenden Einsatz von Pestiziden. In Südamerika findet zudem ein großer Teil des Anbaus auf gerodeten Regenwaldflächen statt. Zudem verursacht er häufig Vertreibung und Landnutzungskonflikte. Hinzu kommen die Folgen weiter Transportwege.

Klimakiller Brasilien-Bohne

Weltweiter Hauptabnehmer für Soja ist mit über 96 Millionen Tonnen China. Dann kommt mit 35 Millionen Tonnen die Europäische Union, die einen Großteil davon aus Brasilien bezieht. Deutschland hat 2021 rund 3,6 Millionen Tonnen Sojabohnen importiert. Davon kamen alleine 1,6 Millionen aus Brasilien. Eine Tonne Soja aus Brasilien, die auf entwaldeten Flächen angebaut wurde, verursacht 5,6 Tonnen Klimagas, eine Tonne aus Europa im Schnitt dagegen 0,82 Tonnen. Aufgrund der kurzen Transportwege im Land sind es nach Angaben von Donau Soja sogar nur 0,28 Tonnen, wenn die Bohnen in Serbien angebaut werden.

Diese Bilanz ermöglicht neben kurzen Wegen Methoden für den nachhaltigen Anbau, die Donau Soja nicht nur Biolandwirt:innen vermittelt. Vlada Vukicevich etwa, der auf einem Viertel seiner konventionell bewirtschafteten 200 Hektar Soja anbaut, konnte über die Organisation verschiedene Sorten testen, die von dem Institut of Field and Vegetable Crops in Novi Sad speziell für den Anbau in Serbien entwickelt wurden.

Der Weg zu dem 45-jährigen Landwirt führt vorbei an Äckern, auf denen Hochbetrieb herrscht. Traktoren und Mähdrescher  sowjetischer Bauart sind ebenso im Einsatz wie nagelneue Modelle aus dem westlichen Ausland. Pferdefuhrwerke zuckeln uns auf den schmalen Straßen entgegen, auf denen sich Säcke voller Zwiebeln und roter Paprika stapeln. Auch Vukicevich will heute ernten. Der Mähdrescher steht bereit. Die Zeit für einen schnellen Mokka nimmt er sich aber noch.

Lohnende Mitgliedschaft

„Mit den neuen Sorten konnte ich meine Erträge ordentlich steigern, bei gleichem Einsatz von Land, Wasser und Dünger“, sagt er und nippt an seinem Tässchen. Außerdem hat er auf Feldtagen von Donau Soja gelernt, wie er weniger Pestizide einsetzt. Jetzt setzt er mehr auf mechanische Unkrautbekämpfung mit dem Traktor. Auch seinen Böden tut die Pflanze gut. „Nach der Sojaernte sind sie sehr nährstoffreich“, sagt Vlada Vukicevich. Das verbessert die Erträge bei Weizen und Mais, mit denen er Soja im Wechsel anbaut. So spart er mineralischen Dünger. Bis zu 100 Kilogramm weniger muss er pro Hektar und Jahr auf die Äcker bringen.

Sojaanlieferung an die Ölmühle Bankom der Initiative Donau Soja in Obrenovac, Region Vojvodina. © Joerg Boethling

Das hilft ihm besonders jetzt, wo die Düngerpreise aufgrund des Krieges in der Ukraine explodiert sind und verringert die Klimagas-Emissionen seiner Landwirtschaft. Zudem drängt die Fruchtfolge auf seinen Feldern die Ausbreitung von Unkraut und Pflanzenkrankheiten zurück. „Und dann stimmt noch die Nachfrage“, sagt der Landwirt lächelnd. Viel Zeit sich darüber zu freuen hat er jetzt nicht. Ein  Mitarbeiter hat den Mähdrescher gestartet. „Nachhaltiger Anbau heißt auch, so wenig wie möglich Treibstoff zu verbrauchen.“ Also kippt der Landwirt den Rest seines Mokkas hinunter und klettert schnell auf die große Maschine.

Europas Sojafläche wächst

In diesem Jahr wurde in Serbien auf 300.000 Hektar Soja angebaut, in den vergangenen Jahren waren es noch um die 250.000 Hektar. Soja wird aber auch in vielen anderen europäischen Ländern produziert. Möglich ist das vor allem in den südöstlichen Staaten auf und um den Balkan, aufgrund von neuen Sorten und Klimaveränderungen aber auch in Österreich oder Deutschland, wo auch viele Biobetriebe die Pflanze für sich entdecken.

Vor zehn Jahren wurden 17 Prozent des in Europa verbrauchten Sojas hier produziert. Heute sind es bereits 22 Prozent, auf einer Gesamtfläche von knapp 5,3 Millionen Hektar, davon gut fünf Prozent im organischen Anbau. Überwiegend wird Soja in Ländern außerhalb der EU angebaut. Hauptproduzent in Europa ist die Ukraine. 2021 ernteten ukrainische Bauern 2,8 Millionen Tonnen auf einer Anbaufläche von 1,25 Millionen Hektar. In diesem Jahr konnten sie trotz Krieg sogar 3,6 Millionen Tonnen ernten. Die meisten Sojaexporte werden über Land transportiert, etwa über Polen in die EU, was nach wie vor funktioniert. Der nachhaltige Anbau von Soja bietet also Perspektiven, selbst in äußerst schwierigen Zeiten.

Multiethnisch geprägte Region in Serbien

Zurück zu Valerija Balint in der Vojivodina. Die Landwirtin hat zum Essen in ihr Haus geladen. Es gibt Obstbrände, selbst gebackenes Brot und ungarisches Gulasch. Der Vater von Valerija Balint hatte ungarische Wurzeln, die Mutter donauschwäbische. Die vor allem unter den Habsburgern erschlossene Voijvodina war immer schon multiethnisch geprägt. In den Dörfer stehen katholische und orthodoxe Kirchen.

Bereits vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien gab es Konflkte mit der Zentralregierung in Belgrad um den Autonomiestatus der Region. Während des Bürgerkriegs sind viele junge Menschen ausgewandert. Aber auch danach ist die Auswanderung nicht abgerissen. Viele müssen oder wollen ihr Geld in den großen Städten oder im Ausland verdienen. Auch die drei Söhne Valerija Balints arbeiten schon seit einigen Jahren in Deutschland.

Region Vojvodina, donauschwäbisches Dorf Telecka. © Joerg Boethling

In ihrem Dorf Telecka sind viele Fensterläden heruntergelassen. Auf den Wegen zwischen Dorfstraße und gepflegten Vorgärten sind überwiegend ältere Menschen unterwegs. Auch Valerija Balint hat lange Zeit immer wieder in Deutschland gearbeitet. Nun aber kann sie sich auf ihre Biolandwirtschaft konzentrieren. Sie ist nicht die einzige im Ort. Neben ihr liefern noch zehn weitere Landwirte Biosoja an Global Seed und erzielen damit ein wichtiges Einkommen. Biolandwirtschaft kann also einiges ausrichten – und das weit über ihre ökologischen Vorteile hinaus.

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