Brutei, Henne & Hahn – alles aus einer Hand
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Inmitten der Mecklenburgischen Schweiz fahren wir auf kleinen Straßen an Feldern und Weiden vorbei. „Kulturlandschaft“ fügt sich hier wunderbar ein in ein Panorama aus Wäldern, Seen und Dörfern. Verliebt habe sich ihr Vater in diesen ruhigen Landstrich, erzählt Annalina Behrens. Wir besuchen die neue Brüterei und einige Farmen des ökologisch wirtschaftenden Erzeugerzusammenschlusses (EZ) Fürstenhof. 2001 verkaufte Friedrich Behrens seine Anteile an einem niedersächsischen Eierproduktionsunternehmen, um hier mit weiteren Mitstreitern einen Traum zu verwirklichen: Bioeiererzeugung ganz nach Verbraucherwunsch mit der gesamten Wertschöpfungskette in einem Unternehmen. Stück für Stück ist der Traum gewachsen. Heute erzeugt der EZ Fürstenhof mit 19 Betrieben nicht nur Bioeier und Futter im eigenen Mahl- und Mischwerk, sondern er hält auch Elterntiere und zieht Junghennen und die „Bruderhähne“ auf. Friedrich Behrens führt heute die Geschäfte mit Michaela Gwielow sowie seinen Töchtern, Annalina (31), die sich aktuell ins Kaufmännische des Unternehmens einarbeitet, sowie Leonie Behrens (28), Marketingchefin bei der EZ und verantwortlich für die Vermarktung des Bruderhahnfleisches.
Die Brüterei im alten Aldi-Markt
Noch schlüpfen die Küken in einer Brüterei in den Niederlanden. Die eigene Brüterei steht aber kurz vor dem Produktionsstart. Dafür konnte man den Standort samt Gebäude eines stillgelegten Aldi-Marktes erwerben. „Für uns war es ein Glücksgriff. Aber Experten haben die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, weil Brütereien eigentlich neu am Reißbrett geplant werden“, blickt Annalina Behrens zurück. Grundmaße und Dachstuhl seien auch eine Herausforderung gewesen, ebenso, strengste Hygienestandards in einem bestehenden Gebäude ohne Überkreuzung von Schwarz-Weiß-Wegen zu etablieren. Die Bruteier werden hier im Hatch-Tech- und Hatch-Care-Verfahren ausgebrütet. Da es Bauverzögerungen gibt, hat der neue Brutmeister, Paul Hall genügend Zeit, „seiner“ Brüterei Feinschliff zu verpassen und sich mit den neuen Aufgaben vertraut zu machen. Heil ist gelernter Landwirt und hat bis dato die Biogasanlagen des Unternehmens betreut.
Gläserne Wände und Besucherraum
Gläserne Wände prägen die Brüterei. Die großen Außenfenster sind so mit Folie beklebt, dass man hinaus-, aber nicht hineinschauen kann. Das Büro ist gläsern und selbst die Schlupfbrutschränke haben Glastüren. Die gläserne Eingangsschleuse von Aldi wurde kurzerhand in einen Besucherraum umfunktioniert. Schulklassen, Kindergartengruppen, Studierende und alle interessierten Gruppen können hier nach Anmeldung an den Schlupftagen über einen Monitor beim Schlüpfen zusehen, Impfung und Sortieren der Küken verfolgen. An der Rückwand informieren dann Schautafeln zum Thema Brut, Geflügel und Bioproduktion.
Gerade laufe noch die Zertifizierung zur Bioverbandsbrüterei. „Wichtige Auflagen dafür sind Tageslicht und ein Konzept für die Aufzucht der Bruderhähne. Beides erfüllen wir“, ist Annalina Behrens optimistisch. Bioküken in guter Qualität seien deutschlandweit gesucht. „Wir denken, dass wir diese Qualität mit der modernen Technik und unserem Brutmeister, der landwirtschaftlichen Background und technischen Verstand mitbringt, erzeugen.“
Was die Kükenqualität ausmacht
Die Brüterei ist ein weiterer Baustein hin zur Kreislaufwirtschaft des Unternehmens. „Schließlich arbeiten wir dann selbst etwa zwei Jahre lang mit den Tieren, denn unsere Legehennen werden 85 Wochen alt oder älter“, erklärt Annalina Behrens, „und so können wir gleich die Kükenqualität überwachen, die wir brauchen.“ Aus ihrer Sicht sind folgende Punkte besonders wichtig für eine hohe Kükenqualität: Gesunde Elterntierherden, das Einlegen relativ homogener Eier in die Brüterei, ein reibungsloser, hygienisch überwachter Brutprozess, uniforme Küken, ein ausgewähltes Impfprogramm mit gut platzierten Impfungen sowie kurze Transportwege für die Küken. Annalina Behrens ist sich aber auch bewusst: „Der optimale Brutprozess muss sich bei uns erst einspielen, zu Beginn werden wir deswegen nur Eier für den Eigenbedarf erzeugen.“
Auflagenwirrwarr um Bioelterntiere
Es gackert und kräht in den Ställen der Elterntiere der Rasse Novogen in Groß Markow. Hier wurde für die Elterntierhaltung 2014 ein DDR-Mastbullenstall umgerüstet. Rita Ladwig, eigentlich ausgebildete Verkäuferin aus dem Ort, führt in einen Stall: „So eine tolle Herde hatte ich noch nie“, ist die rührige Farmleiterin begeistert. Von Anfang an würden fast alle Tiere abends allein in die Voliere gehen, lobt sie.
Rund 75 Wochen legen die Hennen Bruteier, dann nimmt die Schalenqualität so ab, dass die Eier nicht mehr brutfähig sind. Der Anteil der Hähne beträgt 8 %.
Mit Elterntierhaltung startete man 2014 in Klein Methling, danach kam Groß Markow dazu. Ab 25. Woche dürfen die Bioelterntiere hier in den Auslauf, Wintergarten ist permanent anzubieten. Genau das ist ein Streitpunkt. Mehrmals erhoben die Biokontrollen die Auflage, den Tieren von Beginn an Auslauf anzubieten. Das Veterinäramt ist aber aus hygienischen Bedenken dagegen. Die Biokontrolleure lenkten schließlich ein. „Wir müssen aber die Wintergärten mit Kaninchendraht statt Lochblechen versehen, da diese nicht authentisch genug für Außenklimaställe seien. Damit regnet es jedoch teilweise rein“, moniert Annalina Behrens. Auslauf für Elterntiere ja oder nein – je nach Landkreis (LKR) gibt es da verschiedene Ansichten. „Groß Markow gehört zum LKR Rostock, hier dürfen wir Auslauf anbieten. Für Klein Methling im LKR Mecklenburgische Seenplatte verbietet der Amtsveterinär Auslauf für Elterntiere. Auf Nachfrage von Mecklenburg-Vorpommern sagte die EU, dass Bioelterntiere Grünauslauf haben müssen. Dann hätten wir aber die Bruteier nicht in die Niederlande verbringen dürfen, weil sie dann laut Veterinärbehörde nicht innergemeinschaftlich verbracht werden dürfen. Deswegen stehen nun in Klein Methling vorübergehend Legehennen“, erklärt Behrens das Wirrwarr um die Auslaufgenehmigung.
Von der letzten Herde konnten 86 % der Eier in die Brüterei geliefert werden. Davon waren ca. 95 % befruchtet, berichtet Annalina Behrens stolz, das sei sehr gut. Sie schiebt das auch auf den Auslauf und reichlich Tageslichtangebot. „Allerdings verlieren wir auch Elterntiere durch die Auslaufhaltung “, bekennt sie. Alle 14 Tage werden die Hähne und Hennen auf gängige Geflügelkrankheiten untersucht.
Kükenaufzucht auf beheizten Böden
In Walkendorf steht eine Legehennenaufzucht des EZ. Die Küken werden hier auf dem beheizten Boden eingestallt. Sie können jederzeit selbstständig in die offene Voliere. Reuter werden zusätzlich angeboten. Dank der Fußbodenheizung behält die Einstreu ihre trockene Konsistenz, der Schadgasgehalt bleibt niedrig und die Wärme ist direkt beim Tier. Der Stall ist zweigeteilt, mit etwa vier Wochen werden die Türen zur anderen Stallhälfte geöffnet, sodass für die Jungtiere dann die ganze Stallfläche verfügbar ist. Eine Woche später werden die Wintergärten aufgemacht. Der Stall wächst also mit den Tieren mit. Futterkette und Tränkenippel sind höhenverstellbar und liegen zu Beginn auf dem Boden auf.
Mehrere tägliche Stallrundgänge sorgen in der Aufzucht dafür, dass sich die Tiere rasch an Menschen gewöhnen. Die Farmmitarbeiter streuen Pickgranulat und Getreide in die Einstreu und hängen Körnerbehälter auf, die Jungtiere lieben das. In den Auslauf kommen sie im Sommer mit der neunten Woche und im Winter in der zehnten Woche.
Die Bruderhähne werden normalerweise bei den Junghennen mit aufgezogen. Die Brüder der Junghennen von Walkendorf stehen aber an einem anderen Standort. Auch die Biohähne müssen 4 m2 Grünauslauf haben. Es sei nicht einfach, für die Hähne passende Aufzuchtbetriebe zu finden. „Zumal sie auch lärmen. Wir hatten da schon Probleme mit Anwohnern“, erzählt Annalina Behrens.
Sanfter Übergang zur Legephase
In einem Aufzuchtstall befinden sich 19?000 Tiere. Versucht wird, diese auch abteilweise umzustallen. Wie bereitet man die Junghennen optimal auf die Legeperiode vor? Behrens nennt als wichtige Stellschraube die genaue Abstimmung des Lichtprogramms: Wann geht das Licht an, wann aus, wie lange dauert die Dimmphase? Das sollte in der Junghennen- und Legefarm übereinstimmen. Überdies wird das Junghennenfutter mindestens eine Woche lang weiter im Legestall angeboten. Die Novogen-Henne brauche mehr Anreize, wie z. B. Licht, als andere Genetiken, um mit dem Legen zu beginnen. Bei Hennen, die nach dem Umstallen noch nicht das Sollgewicht erreicht oder sich noch nicht akklimatisiert haben, macht man sich dies zunutze, indem man zwei Wochen lang Junghennenfutter weiterfüttert, „die Tiere legen dann nicht gleich so viele Eier und laufen nicht Gefahr, unterversorgt zu werden“, gibt Annalina Behrens Erfahrungen weiter.
Probleme mit Federpicken können bei Managementfehlern auftreten. Die relativ niedrige Besatzdichte von 14 Tieren pro m2 in der Aufzucht und überproportional viele Sitzstangen helfen aber, Stress zu minimieren. In der Legehennenhaltung werden auch nur 5,1 Tiere pro m2 eingestallt. Weniger Tiere gleich weniger Stress, ist die Erfahrung. Die Junghennen danken es mit besseren Gewichtszunahmen, sie sind stabiler, stressresistenter und die Legeleistung bleibt länger hoch. Es lohne sich, die Novogen-Henne etwas später über Licht und Futter zu stimulieren.
Die Leiter der Legehennenfarmen werden dazu angehalten, sich die Tiere in der Aufzucht nach 14 Tagen anzuschauen, um ein Gefühl zu bekommen, wie sich die Herde verhält. „Herdenhomogenität ist eine Baustelle“, bekennt die Unternehmerin. „Hier hoffe ich auf Besserung durch den Schlupf in der eigenen Brüterei, da die Küken dann bereits dort Futter und Wasser erhalten und die Transportwege mit maximal 80 km kürzer sind.“
In Walkendorf steht auch eine Biogasanlage mit Fahrsilos und Getreidetrocknung. Die drei Biogasanlagen der EZ Fürstenhof versorgen die Aufzuchten, die Büros, die Getreidetrocknung und eine Aquakultur eines anderen Unternehmens mit Wärme. Gefüttert werden die Anlagen zu 30 % mit Hühnermist.
Legehennenhaltung: Ausläufe mehrfach geteilt
Auch im Legehennenauslauf mischt sich sanftes Gackern der Hennen mit aufgeregtem Krähen der 1 bis 2 % Hähne, die hier als Leittiere mitlaufen. Der Auslauf ist mit mehreren Zäunen durchzogen. Denn pro Stall Auslauf wird jeder Auslauf der Länge nach halbiert. Am Ende des mittleren Zauns wird dann jeweils noch ein Querzaun gezogen, sodass die Hühner nur noch durch eine Hälfte in die gesamte Auslauflänge gelangen. Im abgesperrten Bereich wird nachgesät, sechs bis sieben Wochen lang wächst hier eine neue Grasdecke heran. Dann wird die andere Hälfte abgesperrt.
Die Hennen nutzen den Auslauf gut – weil sie ihn bereits aus der Aufzucht kennen, meint Annalina Behrens. Heckenstreifen bilden zudem Leitwege und bieten so Deckung.
Zusammenschluss mit Vorteilen
Die Größe des Bioerzeugerzusammenschlusses hat selbst schon sogenannte Tierrechtler auf den Plan gerufen (siehe „Online-Hinweise“). Dabei stellt Annalina Behrens fest: „Unsere Betriebe sind nicht groß für hiesige Verhältnisse, aber wir haben uns zusammengeschlossen. Das erleichtert die Urlaubsvertretung, und wir können besser mit dem Handel verhandeln“, nennt sie nur einige Vorteile. „Man muss natürlich auch kompromissbereit sein und bereit sein zu teilen. Aber damit verteilst du auch Verantwortung.“










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