EU-Öko-Verordnung: Bio leistet Lösungsbeitrag fürs Klima
Peter Röhrig leitet seit 2014 als Geschäftsführer die Geschicke des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Seit 2002 baut der Agraringenieur den Verband fachlich mit auf. Auf politischem Parkett macht er sich für Bauern und Unternehmer stark, die Umwelt und Klima schützen. Im Interview mit #Ö erklärt Röhrig, wieso es Zeit war, die EU-Öko-Verordnung zu überarbeiten und welchen Beitrag der Ökolandbau für das Klima leistet.
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Herr Röhrig, warum war es an der Zeit, die EU-Öko-Verordnung zu überarbeiten?
Röhrig: Bereits 2012 hat ein Expertengremium der EU-Kommission Vorschläge für die Weiterentwicklung der Biogeflügelhaltung vorgelegt. Diese Vorschläge sind nun miteingeflossen in die Revision der gesamten EU-Öko-Verordnung. Sie war nötig, da auch das Biorecht an den Vertrag von Lissabon angepasst werden muss und die EU-Kommission eine einheitlichere und konsequentere Umsetzung des Biorechts erreichen will.
Ab wann gelten die neuen Regelungen?
Röhrig: Das neue Biorecht gilt ab 1. Januar 2021. Die grundlegenden Regeln wurden bereits Mitte 2018 beschlossen. Anfang März 2020 wurden auch die konkreten Regeln für die Tierhaltung und damit auch für die Biogeflügelhaltung festgelegt. Sie fanden Zustimmung bei der Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Damit können sich die Betriebe nun orientieren, was auf sie zukommt. Für etliche neue Regelungen gibt es Übergangszeiten für bestehende Ställe. Auch wenn sich mit dem neuen Recht einiges ändert, bleibt Bio der höchste gesetzliche Standard für Tierhaltung und Lebensmittel.
Was wurde beschlossen?
Röhrig: Neu ist, dass es EU-Vorgaben für die ökologische Haltung von Elterntieren, von Junggeflügel und von Bruderhähnen gibt. Bislang gab es für die genannten Produktionsrichtungen keine speziellen gesetzlichen Regelungen. Allen muss ein Grünauslauf zur Verfügung stehen, ähnlich wie bei den Hühnern selbst. Während es für Junggeflügel eine Übergangsregelung gibt, ist dies bei den Elterntieren leider nicht vorgesehen. Da die Elterntierhalter die Versorgung mit ökologisch gezüchtetem Geflügel gewährleisten, wäre eine Übergangsfrist für die Anpassung sinnvoll gewesen. Wichtig ist außerdem, dass die EU klärt, wie das neue Biorecht mit den EU-Vorgaben zur Verbringung von Bruteiern zusammenpasst. Denn dies enthält die Vorgabe, dass Nagetiere keinen Zugang zum Stall haben dürfen. Das kann man nicht gewährleisten, wenn die Tiere Zugang zum Auslauf haben. Hier drängen wir auf Klärung.
Welche neuen Regelungen gibt es für Bruderhähne und Legehennen?
Röhrig: Für die Aufzucht der männlichen Küken der Legelinie, die als Bruderhähne bezeichnet werden, muss ein Auslauf von 1 m² vorgehalten werden. Speziell für die Legehennenhalter ist neu, dass es künftig nur noch zwei statt drei erhöhte Ebenen im Stall geben darf. Es gibt aber eine Übergangsfrist von acht Jahren. Sollten erhöhte Ebenen in Mehretagensystemen im Stall verbleiben, müssen sie nicht demontiert werden, sie sind dann einfach nicht mehr anrechenbar.
Für alle ist neu, dass die Verordnung eine Veranda für die Geflügelhaltung definiert. Sie ermöglicht den Tieren einen Außenklimabereich, der aber nicht anrechenbar auf die Stallfläche ist.
Was hat es mit der Veranda auf sich?
Röhrig: Der bisherige Außenklimabereich kann als Veranda definiert werden, ist dann aber nicht mehr anrechenbar auf die Stallfläche. Er muss dann auch nicht immer zugänglich sein. Auch aufgrund des Einsatzes des deutschen Biosektors hat die EU-Kommission eine Regel aufgenommen, nach der der bisherige Außenklimabereich bei Geflügelställen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Stallfläche angerechnet werden kann. Wenn diese Fläche Teil des Stallbereiches sein soll, muss sie den Tieren rund um die Uhr zur Verfügung stehen und mit einem gewissen Witterungsschutz versehen werden.
Was bedeutet die neue Regelung für den Kaltscharrraum bei Legehennen?
Röhrig: Der durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorgeschriebene Kaltscharrraum bei den Legehennen hat erst mal nichts zu tun mit der Definition der Veranda im Biorecht und ist eine rein deutsche Spezialität. Schildert man der EU-Kommission den Konflikt zwischen Öko-Verordnung und deutscher Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, dann wurde dort zunächst nur mit den Schultern gezuckt.
Wir schlagen vor, dass der außenliegende Bereich des Stalls künftig mit Jalousien bei Bedarf vor ungünstiger Witterung geschützt wird, beispielsweise in der Nacht. Wenn die Jalousien tagsüber geöffnet sind, gilt der Bereich dann im Sinne der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für Legehennen als Kaltscharrraum.
Wie ändern sich die Vorgaben speziell beim Mastgeflügel?
Röhrig: Für die Besatzdichte im Stall gelten 21 kg Lebendgewicht pro m² - und das für alle Mastgeflügelarten. Bei Masthähnchen gilt weiterhin, dass 4 m² Auslauffläche je Tier angeboten werden müssen. Hier haben sich im Wesentlichen die Anforderungen an erhöhte Ebenen und Sitzstangen geändert, die jetzt stärker gefordert werden. Die Jalousienregelung für den anrechenbaren Außenklimabereich bei Legehennen ließe sich auch auf Mastgeflügelställe übertragen. Hier kann aber auch eine feste Verkleidung des heutigen Außenbereichs erfolgen, falls die Fläche weiterhin auf die eigentliche Stallgrundfläche anrechenbar bleiben soll.
Welchen Stellenwert nimmt die neue Verordnung in der Klimadebatte ein?
Röhrig: Die Klimakrise geht uns alle an. Die weltweit größte Studie zum Systemvergleich Bio und konventionelle Landwirtschaft, die das Thünen-Institut 2019 veröffentlicht hat, hat gezeigt, dass das System Bio hier einen Lösungsbeitrag leistet. Klar ist, wir müssen unsere Landwirtschaft ändern, unsere Tierhaltung und unsere Ernährung, wenn wir die Krise lösen wollen. Ebenso müssen wir Bio weiterentwickeln, um diese Aufgabe anzugehen. Die Biogeflügelhalter haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass Veränderungen möglich sind, und packen aktuelle Herausforderungen an.







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