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Insektenmehl als Futtermittel

Das sagt ein Insektenzüchter

Die Brüder Heinrich und Dr. Peter Katz züchten Insekten für die biologische Schädlingsbekämpfung. Seit 2006 entwickeln sie auch Futtermittel aus Schwarzen Soldatenfliegen. An Nutztiere dürfen diese bislang nicht verfüttert werden. Ist da eine Revolution der Futtermittelindustrie in Sicht? #Ö hat nachgefragt.
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 Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege: Sieht doch lecker aus! 
Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege: Sieht doch lecker aus!  Hermetia Baruth GmbH
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#Ö: Herr Heinrich Katz, aktuell läuft auf EU-Ebene die Zulassung für Insektenprotein in der Schweine- und Geflügelfütterung. Wann wird Insektenmehl als Futtermittel für Geflügel und Schweine zugelassen?

Katz: "Wegen der BSE/TSE Verordnung (EG) 999/2001 dürfen wir das Mehl noch nicht an Nutztiere verfüttern. Es ist verboten, verarbeitetes tierisches Protein an Nutztiere zu verfüttern. Lebende Larven sind also ausgenommen. Ursprünglich sollte die BSE-Verordnung 999/2001 nur für Wiederkäuer gelten, aber das wurde dann ausgeweitet auf alle. Schweine wurden dadurch zu Vegetariern gemacht. Das ist Quatsch. Dabei sind die Allesfresser. Es gibt nicht den geringsten Anlass, zu denken, dass Insekten BSE verursachen.

An Heimtiere dürfen wir das Mehl schon verfüttern. Die Bioverbände unterstützen uns, aber aus der übergeordneten Gesetzeslage kommen die auch nicht raus und sind deshalb auf Stand-by im Moment. Wir rechnen aber im ersten Quartal 2021 mit der EU-Zulassung.

Auf EU-Ebene ist der Verband IPIFF (International Platform of Insects for Food and Feed) aktiv. Ich bin Gründungsmitglied. Die Mitgliederzahlen wachsen – von Startups über größere Industriebetriebe bis hin zu universitären Forschungseinrichtungen. Unser erster Lobbyerfolg ist die Zulassung von Insektenmehl für Fische in Aquakultur seit 2017. Gemeinsam haben wir den Antrag auf Zulassung des Insektenproteins als Futtermittel für Geflügel und Schweine gestellt. 

Es wäre möglich, dass wir auf EU-Ebene eine Genehmigung erhalten, aber nicht auf die DLG Positivliste kommen. Dann können alle, die ISO 9000 brauchen, das Futter nicht einsetzen, also der ganze konventionelle Bereich. Ich versuche seit 2010 auf diese Positivliste zu kommen, mein Antrag wird bei der Tagung der Normenkontrollkommission aber regelmäßig von der Agenda genommen. 

Diese Liste spielt in der biologischen Aufzucht keine Rolle. Dort stellt sich die Frage, ob das Verfahren zur Aufzucht der Larven „bio“ ist. Es geht zum einen darum, welche Futtersubstrate verwendet werden dürfen. Zum anderen darum, ob das Aufzuchtverfahren den Ansprüchen einer Biozertifizierung genügt." 

#Ö: Wie sind Sie darauf gekommen, Futtermittel aus Insekten herzustellen?

Katz: "Mein Bruder und ich leben von Insekten. Wir züchten sie schon seit 1992 für die biologische Schädlingsbekämpfung. Dann kam 2006 Naturland auf uns zu, weil die erfahren haben, dass man Fischmehl mit Insektenmehl ersetzen kann. Wir haben uns dann in Heimtierfuttershops Ausgangsmaterial besorgt und waren 2006 die ersten, die eine signifikante [Soldatenfliegen-] Zucht hatten. Alle heutigen Larven in Europa stammen von unserem Stamm ab. Man sieht das an den genetischen Untersuchungen, die das FiBL gemacht hat.

Die Behörden in Brandenburg waren erst sehr positiv gestimmt, bis wir einen Fütterungsversuch in Sachsen-Anhalt machen wollten. Da hieß es dann „Stopp, BSE!“

Franz Untersteller, der Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg, will uns eventuell eine Innovationszone zur Verfügung stellen, wo wir Dinge ausprobieren können, die noch nicht zugelassen sind. Die Fütterung der Larven mit fleischbasierten Futtermitteln zum Beispiel. Das würde unsere blöde Henne-Ei-Problematik lösen. Wir müssen nachweisen, dass keine Gefahr für Leben und Umwelt besteht. Aber wie soll das gehen, wenn wir keine Zulassung für Versuche bekommen? Fachlich spricht nichts gegen eine Zulassung des Futters." 

#Ö: Weshalb könnten Landwirte das Insektenmehl anderen Futtermitteln vorziehen?

Katz: "Für die Landwirte ist der Einsatz von Insektenprotein von Vorteil. Wir haben verschiedene Fütterungsversuche durchgeführt und die ernährungsphysiologische Eignung nachgewiesen. Mit lebenden Larven haben wir schon Herden von Puten und Legehennen in einer Zusammenarbeit mit einem Tierarzt „beruhigt“. Leider sind die Behörden dann eingeschritten und haben uns die Fütterung aus formalen Gründen verboten!

Schweine und Geflügel sind Allesfresser. Sie brauchen tierische Proteine. Im Moment werden in der biologischen Putenzucht in Deutschland immer noch fünf Prozent konventionelle Futtermittel zugefüttert. Vor allem wegen der Aminosäuren. Mit den Aminosäuren im Insektenmehl von unseren Schwarzen Soldatenfliegen könnte man darauf verzichten. Das Aminosäurespektrum ist dem von Soja deutlich überlegen. Nur mit dem Methioninanteil in Fischmehl können wir noch nicht mithalten. Das müsste man ergänzend zuführen. Aber wir sind dran, über Zucht den Anteil in unseren Larven zu erhöhen. 

Das Mehl ist eine natürliche Nahrung, die sich positiv auf die Tiergesundheit auswirkt. Im sensorischen Test hat das Fleisch der Tiere, die wir damit gefüttert haben, auch sehr gut abgeschnitten. Insektenmehl ist also nicht das Alleinseligmachende, aber die Tendenz ist deutlich positiv." 

#Ö: Wo liegen denn die Preise für Futermittel aus Insektenmehl?

Katz: "Preislich kommt unser Mehl gerade nicht unter 2,50 €/kg. Soja kostet gerade etwa 40 Cent das Kilogramm. Wobei Soja wohl 4€/kg kosten müsste, wenn man alle indirekten Kosten dazu rechnen würde. Entscheidend für günstigere Preise wären billigere Futtersubstrate."

#Ö: Welche Futtersubstrate meinen Sie damit?

Katz: "Unser großes Problem ist das Upstream. Das heißt: Was dürfen wir unseren Insekten füttern? Wir züchten die Soldatenfliegen zu einem Zweck und dürfen deshalb nur zugelassene Futtermittel verwenden. Die sind teuer. Das gilt auch, wenn ich aus meinen Tierchen keine Lebensmittel herstelle, sondern Diesel oder Proteinfasern. 

Eigentlich wäre der große Vorteil unseres Verfahrens die Abfallbeseitigung. Für die Wirtschaftlichkeit und die Sinnhaftigkeit dieses neuen Verfahrens ist das sehr wichtig. Wo sitzen denn die vielen Fliegen? Auf dem Misthaufen. Die Natur würde ohne Insekten nicht funktionieren, weil sie die verrottenden Stoffe umsetzen und das Protein dann für höhere Tiere zur Verfügung stellen. 

Als die Engländer in Australien ankamen und dort mit der Viehzucht begannen, stellten sie irgendwann fest, dass ganz Australien zugeschissen wird (mehr Infos). Denn da gab es keine Insekten, die den Kuhdung umsetzen konnten. Es mussten erst Mistkäfer aus Südafrika eingeführt werden. Das ist nicht ganz unkritisch. So ein Eingriff in bestehende Ökosysteme ist sehr komplex und schwierig. Ich würde da dreimal überlegen, bevor ich nicht heimische Arten einführe und es dann Probleme gibt."

#Ö: Zurück zum Insektenfutter - Welche Bedingungen hätten Sie gern?

Katz: "Wenn ich Speisereste verwenden dürfte, würde ich dafür sogar Geld bekommen. Mein Venture in China macht das schon und mein Partner dort bekommt 50 US-Dollar pro Tonne Speisereste aus Restaurants. Wir in Deutschland müssen zugelassene Futtermittel wie Roggenschrot nehmen, was etwa 200 Euro die Tonne kostet.

Überlagerte Lebensmittel auf vegetarischer Basis sind hierzulande zwar schon zugelassen. Pizza Margherita dürfen wir also verfüttern. Aber Pizza Salami nicht. Da gilt null Toleranz. Es ist aber viel zu aufwendig, aus Lebensmittelrückläufern wie 20 Tonnen Brot das eine Speckbrötchen rauszufischen. Diese Rückläufer gehen heute in die Schweinefütterung. Das ist eigentlich auch verboten. Aber weil das ein etablierter Prozess ist, wird das gemacht. Bei uns als neue Industrie sagen die Behörden dagegen „Null-Toleranz“! Wir wollen unsere Insekten auch mit überlagerten Lebensmitteln mit Fisch- und Fleischbestandteilen füttern können. Das ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit."

Könnte man die Insekten also theoretisch sogar mit Fäkalien füttern?

Katz: "Ja! Der nächste große Schritt wären Speisereste, also das, was nach dem Teller kommt. In Deutschland sind das etwa 15 Millionen Tonnen jedes Jahr. Und dann gibt es noch faulende Stoffe und mit Afla- und Mycotoxin belastete Substrate bis hin zu Fäkalien. Unsere Tiere kommen mit allem sehr gut zurecht! Wir haben sogar nachgewiesen, dass die Larven Schimmelpilztoxine metabolisieren. 

Bei den Fäkalien wäre natürlich die Frage, wie man das kommuniziert. [Fäkalien als Futter für Insekten] gibt es heute schon: Freilaufende Hühnchen kacken aufs Feld. Dann kommt eine Fliege, legt eine Larve. Die ernährt sich von der Kacke. Und dann kommt das Hühnchen und frisst die Larve auf. Und danach landet das Hühnchen bei uns auf dem Teller. Wenn man das unter definierten Bedingungen machen würde, wäre das bei Höchststrafe verboten. Aber das will ich auch gar nicht.

Ich könnte aus meinen Soldatenfliegenlarven, [die sich von Fäkalien ernähren], andere Produkte herstellen, die nicht in die Lebensmittelkette gehen: Diesel, Waschmittel, Proteinfasern oder Spinnfäden zum Beispiel. Es gibt da eine Idee vom Flughafen München. Der hat 40.000 Mitarbeiter und Millionen Passagiere, die Unmengen an Speiseresten und Fäkalien hinterlassen. Die werden heute in eine Biogasanlage gebracht. Wenn man das über die Insekten laufen lassen würde und aus denen gleich den Diesel für die Feuerwehrfahrzeuge herstellen würde, wäre das eine tolle Kreislaufwirtschaft. Aber ich züchte auch dann die Tiere zu einem Zweck. Also darf ich sie bisher nicht mit den Speiseresten und Fäkalien füttern."

#Ö: Für die lebenden Larven gelten andere Auflagen. Weshalb wollen Sie Insektenmehl verfüttern und nicht die lebenden Larven?

Katz: "Die Lebendverfütterung der Larven ist auf EU-Ebene zugelassen, steht aber nicht in der DLG Positivliste. Es ist also wie immer kompliziert. Gerade von den lokal organisierten Veterinärämtern wird das sehr unterschiedlich interpretiert. In Niedersachsen macht ein Bauernhof ganz toll Lebendverfütterung. Und da ruft mich ganz aufgeregt jemand aus Mecklenburg-Vorpommern an und fragt, warum Landwirte das dort nicht dürfen. Ja, weil das Landesamt für Verbraucherschutz das in Mecklenburg-Vorpommern schlichtweg verbietet.

Außerdem bekommt man ziemliche Probleme, wenn man die Lebendverfütterung in größeren Mengen machen will: Die Landwirte brauchen definierte Futtermengen. Bei der Lebendverfütterung ist die Variation einfach zu groß. Aber im Dezentralen könnte es durchaus ein Ansatz sein, dass die Landwirte die Larven mit dem, was auf dem Bauernhof vorhanden ist, selbst hochziehen und dann verfüttern. Lebende Larven stehen außerhalb der BSE-Regulierung, sind allerdings noch nicht in der DLG Positivliste aufgenommen, obwohl der Antrag schon lange gestellt wurde.

Die Zeit, die man hat, um die Larven zu verfüttern, ist ziemlich kurz. Man kann die auch mit Energieaufwand runterkühlen, aber dann verpuppen sie sich. Und [die daraus schlüpfenden] Fliegen fliegen eben davon. 

Zum anderen muss man das Naturschutzgesetz beachten. Es ist verboten, gezüchtete Arten freizusetzen. Aber die eine oder andere Larve findet die Pute nicht. Und wenn daraus eine Fliege schlüpft, habe ich ein fremdes Lebewesen in die Umwelt eingeführt. Und das ist verboten. Auch wenn die Schwarze Soldatenfliege nicht invasiv ist. Aber sie ist eben nicht heimisch, sondern kommt aus Mittelamerika."

#Ö: Wie sieht es denn bei Ihnen in der Produktion aus?

Katz: "Für die Futtermittel züchten wir nur die Schwarze Soldatenfliege. Wir denken, dass die überlegen ist. Was das Aminosäurespektrum und die Futtereigenschaften angeht, bringt nur der Mehlkäfer bessere Ergebnisse. Aber seine Larve braucht 70 Tage, bis sie fertig ist. Bei der Soldatenfliege sind es nur 15 Tage. Die Produktivität ist also höher. 

Die Fliegen selbst nehmen keine Nahrung auf. Die paaren sich nur und legen Eier, die wir dann absammeln. Wir bringen die Larven zum Schlüpfen. Und wenn sie kräftig genug sind, kommen sie in unsere Bioreaktoren. Das sind 7,5 m² große Schubladen, in denen 5 cm hoch ein Nahrungsbrei steht. Die Pizza Margherita erkennt man also nicht mehr."
 

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