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Tipps vom Tierarzt

Das hilft einer festliegenden Kuh

Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Kuh festliegen kann: Mineralstoffmangel, insbesondere rund um die Abkalbung, oder auch ein Trauma. Hat die Kuh sich bei einem Sturz verletzt, ist eine genaue Diagnose oft schwierig. Auf Facebook entbrannte eine hitzige Diskussion, was man jetzt tun kann, damit das Tier wieder aufsteht. Ein Tierarzt ordnet die Kommentare ein.
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"Hallo zusammen, ich bräuchte mal eure Erfahrungen. Unsere Kühe haben letzten Samstag gerindert. Beim aufeinander rumspringen muss eine irgendwie blöd gefallen sein und steht seither nicht mehr auf. Tierarzt war zweimal da und hat Infusionen gegeben und Schmerzmittel und Cortison gespritzt. Beine und Hüfte scheinen in Ordnung. Aufrichten mit dem Radlader bringt nichts. Ansonsten waren die Tierärzte tiefenenspannt und sagen, man muss halt abwarten. Jetzt liegt sie seitdem und es ist keine Besserung in Sicht. Drehen tut sie sich selber, frisst auch aber steht einfach nicht auf. Hatte das schonmal jemand? Gibt es Hoffnung, dass sich das wieder gibt? Bin sehr hilflos gerade und fühle mich vom Tierarzt hängen gelassen." schrieb Maren Knödler hilfesuchend in die Facebookgruppe "Landwirtschaft". Das Blut sei untersucht worden und in Ordnung.

#Ö sprach mit Tierarzt Philipp Baumann, der gemeinsam mit seinem Bruder Alexander Baumann die Tierarztpraxis Baumann in Bodnegg, Baden-Württemberg betreibt. Erfahren Sie hier, was man tun kann, um eine festliegendes Rind zu behandeln.

Baumanns Tipps im Überblick

Das kann man tun, um einem Trauma vorzubeugen und den Umgang mit einer festliegenden Kuh zu erleichtern:

  • Stark rindernde Kühe nicht mit der Gruppe rauslassen
  • Vorsorglich Abkalbebuchten im Stall einrichten. Dort kann man festliegende Kühe gut behandeln und sie zum Beispiel auch vor Ort anheben.
  • Festliegende Kühe regelmäßig drehen und gut mit Futter und frischem Wasser versorgen – auch wenn der Eimer mal umgestoßen wird
  • Für wenig Stress sorgen: Wenn um die Trauma-Kuh herum noch zwei Kühe stehen, traut sie sich oft nicht, aufzustehen. 
  • Für genügend Platz und einen griffigen Boden sorgen – dann rutscht die Kuh beim Aufstehen nicht weg und haut sich nichts an. Passiert das, hat sie danach oft zu viel Angst und Schmerz, um es noch einmal zu versuchen.
  • Die Diagnose ist oft schwierig. Gleich am Anfang ein Blutbild zu machen und die Kuh abzutasten, kann helfen - auch um die Erfolgsaussichten einer Therapie abzuschätzen.
  • Die Tierärzte verabreichen meist Schmerzmittel und Entzündungshemmer. Infusionen mit Glucose und Kochsalzlösung stabilisieren den Kreislauf.
  • Nur mit homöopathischen Mitteln lässt sich eine festliegende Kuh nicht mehr aufrichten.

 

Eine Übersicht aktueller Hebetechniken und deren Vor- und Nachteile finden Sie HIER.

 

©  Kommentar auf Facebook.com

#Ö: Wie lange besteht Hoffnung, dass eine festliegende Kuh wieder aufsteht?

Baumann: Das kommt darauf an, wie es geschehen ist. Zu 90% liegen Kühe wegen Mineralstoffmangel fest. Wenn die Kuh dagegen ein Trauma hatte, kommt es häufig vor, dass sie länger liegt und nicht gleich aufsteht. Als grober Richtwert gilt: Wenn sie spätestens nach einer Woche immer noch nicht steht, sind die Chancen schlecht. Je länger eine Kuh liegt, desto schlechter für den Kreislauf. Der schlafen dann die Füße ein und das Blut aus den Beinen kann nicht mehr richtig abtransportiert werden. Deshalb entstehen Schäden in den Füßen. Ich hatte aber auch schon Kühe, die nach sieben bis zehn Tagen wieder hoch gekommen sind.

 

©  Kommentar auf Facebook.com

#Ö: Wie kann ich feststellen, wo das Problem liegt?

Baumann: Wenn die Kuh traumabedingt und nicht durchs Kalben oder Mineralstoffmangel festliegt, sollte man schauen, ob sie Schwellungen am Fuß oder der Wirbelsäule hat. Das deutet dann auf ein größeres Problem hin. In diesem Fall ist die Prognose bei längerer Behandlung als eine Woche deutlich schlechter, denn Aufstehversuche sind für die Kuh dann oft unmöglich. Zur Abklärung müsste man da deutlich mehr machen: Röntgenbilder zum Beispiel. Das ist aber schwierig, wenn die Kuh festliegt. Deshalb ist die genaue Ursache eines Traumas schwer zu diagnostizieren. Die Kuh gibt einem nicht unbedingt einen Hinweis darauf, wo das Problem liegt. 

 

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#Ö: Bringt es was, die Gelenke manuell durchzubewegen, um herauszufinden, wo das Problem liegt? 

Baumann: Ja.

 

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©  Kommentar auf Facebook.com

#Ö: Thema Blutuntersuchung: Was sollte beim Trauma gemessen werden?

Baumann: Bei jeder festliegenden Kuh machen wir ein Blutprofil. Nicht bei jedem Blutbild kann man eine Entzündung, eine Verrenkung oder ein Trauma konkret feststellen. Betrachten muss man den Cyatin-Kinase (ck)-Wert: Hohe Werte sind ein Hinweis auf starke Muskelschäden. Das ist vor Beginn der Therapie relevant, um zu wissen, wie die Chancen stehen und ob man damit nicht eher Tierleid auslöst. Der ck-Wert steigt auch während des Festliegens an, weil durch die schlechte Durchblutung Muskelgewebe kaputt geht. Deshalb ist es wichtig, das Blutbild möglichst schon bei einer frisch traumatischen Kuh zu machen.

Auch Mineralstoffe sollte man überprüfen: Calcium und Phosphor zum Beispiel. Eine festliegende Kuh kann auch durch die Aufstehversuche in den Calcium-Mangel rutschen. Da ist es gut, wenn man das vorher abschätzen kann. Wenn man den Verdacht hat, dass es auch am Stoffwechsel liegen könnte, kann man noch die Leberwerte untersuchen. Knochenbrüche und Bänderrisse kann man im Blutbild leider nicht nachweisen. Da kann man nur abtasten. 

 

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#Ö: Wie behandelt man dann eine festliegende Trauma-Kuh ohne genaue Diagnose?

Baumann: Man behandelt symptomatisch mit Schmerzmitteln und Infusionen. Wichtig ist auch das Festlieger-Management. Also: Wo ist die Kuh? Liegt sie im Anbindestall, auf engem Raum oder ist sie draußen auf der Weide? Ist es Sommer oder Winter? Der Untergrund bestimmt auch, wie gut sie Aufstehversuche machen kann. Da ist eine Abkalbebucht mit einer sicheren Matratze gut. Auf einer Gummimatte steht eine fest liegende Kuh einfach schlechter auf. Wenn die einmal eine Angst-Situation beim Aufstehen hatte, also dass sie wegrutscht und keinen Halt findet, sind die Chancen deutlich schlechter. 

 

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#Ö: Könnte ein Nerv gequetscht worden sein? Wie lange dauert die Heilung? 

Baumann: Wenn man einen Nervenschaden vermutet, muss man sich darauf einstellen, dass die Kuh nicht stehfähig ist und erstmal keine Besserung eintritt. Nervenschäden brauchen eine längere Therapie. Wenn die Kuh aber zeitnah wieder stehen kann und nur beispielsweise mit dem Fuß einknickt, kann das mit der Zeit gut ausheilen. Da kommt es darauf an, ob der Landwirt so viel Zeit reinstecken kann und wie die Kuh sonst aufgestellt ist. 

 

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#Ö: Könnte eine Wärmebildkamera die Diagnose unterstützen?

Baumann: Das kann die Diagnose unterstützen, aber nicht bei jeder festliegenden Kuh. Das kommt darauf an, wie man das Ergebnis deutet. Es gibt ja Organe, die natürlicherweise stärker durchblutet werden und dann auf der Wärmebildkamera hervortreten. Entscheidender ist es, nach Schwellungen zu schauen und die Kuh abzutasten. 
Jede Nachuntersuchung und Behandlung muss man gut abwägen. Es kann ja auch sein, dass neue Beschwerden hinzukommen, während die Kuh festliegt. Also wenn die Kuh dann zum Beispiel zusätzlich eine Euterentzündung bekommt. Man muss sich für die Untersuchung einfach viel Zeit einräumen. 

 

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#Ö: Wo liegt die Kuh besser: Auf der Weide oder im Stall?

Baumann: Von Frühjahr bis Herbst ist die Weide für eine Trauma-Kuh ideal. Mehr Gripp als auf einem einsinkenden Boden kann sich eine Kuh nicht wünschen. Im Winter geht das draußen natürlich nicht. Unter 5 °C wird es zu kalt für eine Kuh, die am Boden liegt. Dann sollte sie in den Stall gebracht werden. Dort ist ein separater, stressfreier Bereich mit viel Platz wichtig. Zum Beispiel eine Abkalbebucht. Dazu braucht die Kuh einen guten Boden mit einer Matratze aus Stroh und Mist oder Kalk. Wenn die Kuh wegen eines Mineralstoffmangels festliegt, hat sie Kreislaufprobleme. Da ist es kritischer, wenn es kalt ist und sie draußen liegt.

 

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#Ö: Muss ich die Kuh wirklich täglich anheben und wenden, damit die Beine nicht einschlafen? 

Baumann: Eine festliegende Kuh alle paar Stunden zu wenden, ist zeitraubend, aber einer der wichtigsten Punkte. Durchblutungsstörungen richten einfach sehr massive Schäden an, wenn ich eine Kuh nicht regelmäßig wende und sie länger als ein bis zwei Tage liegt. Nerven- und Druckschäden an den Beinen zum Beispiel. 
Dazu sollte man verschiedenes Futter anbieten und darauf achten, dass immer Wasser da ist. Eine Kuh schmeißt einen Wassereimer auch mal um. Dann muss man ihn eben wieder aufstellen. Das ist lästig, aber wichtig.

 

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#Ö: Wie richte ich die Kuh am besten auf? Und wie oft?

Baumann: Wenn eine Kuh wegen einem Traumaschaden festliegt, würde ich zweimal am Tag versuchen, die aufzustellen. Jenachdem wie sie reagiert, entscheidet das auch darüber, wie man weiter behandelt. Wenn die Kuh sich irgendwann nur noch hängen lässt und keine Reaktion zeigt, ist die Prognose schon eher schlecht. Jeder Versuch ist aber auch eine Tortur für die Kuh. Wenn sie noch nicht aufstehen kann, ist das ein abartiger Energieverbrauch und kann auch Schaden am Bewegungsapparat verursachen. Die Kuh einfach aufzustellen, ist eben nicht besonders schonend. Die Kuh hängt sich oft rein und belastet nicht gleichmäßig alle Gliedmaßen – kann sie ja oft auch nicht.

Wenn die Kuh wegen eines Calciummangels nicht aufstehen kann, sollte ich sie erst aufrichten, wenn sie sich potentiell auch halten kann. Sonst richte ich damit Schäden an.

 

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#Ö: Kann ich eine Beckenzange nutzen, um die Kuh aufzurichten? Kann ich damit Schaden anrichten? 

Baumann: Die Beckenklammer darf man nicht verteufeln. Sie kann zwar potentiell Schäden im Beckenbereich anrichten, ist aber bei korrekter Anwendung auch eine gute Hilfe. Wichtig ist, dass man die Kuh nicht einfach nur damit anhebt, sondern gleichzeitig auch den Brustbereich stützt – zum Beispiel mit einem Gurt. Das sorgt dafür, dass das Gewicht nicht komplett auf der Hinterachse liegt.

Neben Beckenklammern gibt es auch Hebenetze. Die sind optimal zum Anheben, können aber dort, wo die Kuh festliegt oft nicht angebracht werden. Dafür braucht es eine spezielle Vorrichtung, die in einem flachen Stall nicht funktioniert. Deshalb ist es wichtig, wo die Kuh festliegt. In einer Abkalbebucht oder draußen kann man sie einfach besser behandeln und anheben.

 

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#Ö: Tun es vielleicht auch ungewöhnliche Eigenkonstruktionen?

Baumann: Diese Vorrichtung kann ich jetzt nicht im Detail bewerten, aber alles, was für Gewichtsverteilung sorgt, ist gut.

 

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#Ö: Was sagen Sie zu diesen Empfehlungen?

Baumann: Fußfesseln sind immer eine wichtige Vorkehrung. Darüber wird zwar immer wieder gestritten. Aber wenn eine Kuh hinten ausgrätscht, ist dieser Muskelriss eben irreversibel.

Man kann festliegende Kühe grundsätzlich auch auf Strohballen ablegen. Da kommt es darauf an, wie stark die Lunge komprimiert wird. Der Ballen hat ja eine gewisse Größe. Wenn ich eine Kuh da so pauschal drauf abstelle, kann sie auch wieder runterrutschen – gerade wenn sie festliegt. Und sie hängt in der Luft und kann die Füße nicht voll belasten.

Ich habe auch schon Wasserbäder verwendet, also quasi einen Pool. Da kann man Strohballen verwenden und eine Plane reinlegen, die man mit Wasser füllt, damit die Kuh aufschwimmt. Das geht in Richtung Reha und ist sicher eine gute Variante, lässt sich aber im Feld nicht unbedingt umsetzen. 

 

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#Ö: Kann es helfen, ergänzend Selen zu geben?

Baumann: Nein. Das sollte man unabhängig vom Festliegen ganzjährig über die Fütterung in den Griff bekommen. 

 

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#Ö: Wie sinnvoll ist eine Glucose-Therapie?

Baumann: Wir machen oft Infusionen mit Kochsalzlösung und Glucose. Bei Mineralstoffmangel auch mit Calcium. Wichtig bei den Dauertropfinfusionen ist, dass zehn bis 15 Liter systemisch ins Blut kommen. Das ist für den Kreislauf wichtig und verbessert auch die Durchblutung der Extremitäten. Wenn man oral einen Leckstein gibt, ändert das im Fall einer festliegenden Kuh sicher nichts mehr am Verlauf.
 

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#Ö Kann ich vorsichtshalber Calcium geben, auch wenn das Blutbild keinen Mangel angezeigt hat?

Baumann: Ja, zur Unterstützung ein wenig. Natürlich nicht in den Mengen wie bei einem Mineralstoffmangel. Aber eine festliegende Kuh frisst nicht so viel, wie sie sollte. Und die Aufstehversuche verbrauchen Calcium.
 

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#Ö: Mistet die Kuh bei starken Schmerzen nicht? 

Baumann: Nein, das kann man pauschal nicht sagen. Kot ist schon wichtig, aber er gibt nicht das Signal, dass die Kuh beispielsweise einen Nervenschaden hinten rechts hat. 

#Ö: Sind Cortison und Schmerzmittel eine schlechte Kombi?

Baumann: Nein. Wir setzen Trauma-Kühe immer auf Entzündungshemmer – steroidal, also Cortison, oder nicht-steroidal – und kombinieren das auch mit Schmerzmitteln.

 

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#Ö: Könnte ein Tierphysiotherapeut helfen, wenn zum Beispiel etwas verrenkt ist oder die Wirbelsäule einen Schaden hat?

Baumann: Man arbeitet in dem Bereich eher weniger mit Physiotherapeuten, weil die Schäden oft zu groß sind. Einen verrenkten Wirbel sieht man oft auch gar nicht. Bei einer festliegenden Kuh ist es meist schon schwierig, festzustellen, wo überhaupt das Problem liegt.

 

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#Ö: Inwiefern ist Homöopathie eine Handlungsoption?

Baumann: Wir machen wenig Homöopathie. In gewissen Punkten ist sie wahrscheinlich schon unterstützend – bei leichten Euterentzündungen zum Beispiel. Aber bei sehr kranken Tieren, zum Beispiel bei einer festliegenden Kuh infolge eines Traumas, ist das nicht entscheidend. Da können ja massive Schäden an Bändern, Sehnen, Gelenken, Knochen und Muskeln das Problem sein. Wir hinterfragen sogar, ob Schmerzmittel ausreichen, um dem Tier Leid zu ersparen. Eine festliegende Kuh allein mit homöopathischen Mitteln wieder aufrichten zu können, wird sicher nie der Fall sein.

Update: Was wurde aus der Kuh?

Leider musste der Tierarzt die festliegende Kuh von Maren Knödler nach zwei Wochen erlösen. Bei seinen regelmäßigen Besuchen ging es ihr zuletzt immer schlechter. 

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