Wie gelingt die 100% Ökofütterung?
Nur wer die Ernährungsphysiologie von Schweinen kennt, kann Eiweißfuttermittel gezielt in der Rationsplanung einsetzen und die Tiere darüber hinaus mit notwendigen Spurenelementen versorgen. Ein Onlineseminar der Beratung für Naturland gab Tipps für die Praxis.
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Die neue EU-Ökoverordnung ist seit Jahresanfang 2022 in Kraft und stellt große Herausforderungen an die Fütterung von Monogastrieren. Bis 2021 durfte in der Futterration von Ökoschweinen und Ökogeflügel 5 % konventionelles Eiweißfutter verwendet werden. Nun gilt diese Ausnahmeregelung nur noch für Jungtiere – in der Schweinefütterung dürfen demnach nur noch Ferkel bis zu einem Gewicht von 35 kg mit den 5 % konventionellen Eiweißfuttermitteln, häufig Kartoffeleiweiß, gefüttert werden. Für alle erwachsenen Nutztiere ist eine 100%ige Ökofütterung vorgeschrieben. Eine weitere Herausforderung ist die Knappheit an Eiweißfuttermitteln in Deutschland: 2019 lag der Selbstversorgungsgrad von rohproteinreichen Futtermitteln nur bei 59 %. Daher wird mit der neuen EU-Öko-Basisverordnung auch die Nachfrage nach ökologischen Eiweißfuttermitteln stark ansteigen.
Eiweißfuttermittel beziehungsweise deren essenzielle Aminosäuren sind wichtig für die Gesundheit und Entwicklung der Tiere. Die Aminosäuren Lysin und Methionin sind allerdings in der Ökofütterung limitierend. Um die Schweine bedarfsgerecht mit den benötigten Aminosäuren versorgen zu können, ist es wichtig, ihre Ernährungsphysiologie zu kennen.
Ferkeldurchfall vermeiden
Der Nahrungsaufschluss erfolgt durch körpereigene Enzyme hauptsächlich im Dünndarm. Im Dickdarm hingegen findet die mikrobielle Verdauung von Zellwandbestandteilen des Raufutters statt. Die Enzymausschüttung passt sich mit Verzögerung an die Nahrungszusammensetzung an. Ferkel sollten daher möglichst früh an trockenes Futter gewöhnt werden, um die Verdauungsenzyme anzuregen, rät Prof. Dr. Wilhelm Pflanz, Tierwissenschaften in der Ökologischen Landwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Das darauffolgende Absetzen der Ferkel sei eine sehr sensible Phase. Durch den Stress fressen die Ferkel erst einmal nichts, anschließend nehmen die Ferkel zu viel Futter auf. Da sich dadurch der pH-Wert der Magensäure erhöht, werden keine Erreger abgetötet. So kommt es häufig zu Ferkeldurchfall, der vermieden werden kann, indem das Ferkelfutter mit 10 bis 30 % Gerste vermischt wird.
Mastschweine nah am Rohproteinbedarf füttern
Bei der Fütterung von Mastschweinen sollte möglichst nah am Rohproteinbedarf gefüttert werden, um höhere N-Ausscheidungen und damit auch die Umweltbelastung zu vermindern. Die Bedarfskurve von Rohprotein nimmt zum Ende der Mast ab. Daher sei in der Mast eine dreiphasige Fütterung, angepasst an die Gewichtsabschnitte der Schweine, empfehlenswert. Bei einem Gewicht von 25 bis 35 kg können in der Vormast auch noch 5 % konventionelle Eiweißfuttermittel eingesetzt werden, um so die Ausnahmeregelung bestmöglich auszunutzen. Auch Kartoffeln können als schmackhaftes Eiweißfutter in der Mast eingesetzt werden. Da der Rohproteinanteil in einer Kartoffel nur bei 2 % liege, müssten in der Mast aber insgesamt 560 kg Kartoffeln pro Mastschwein eingesetzt werden, um den Aminosäurebedarf decken zu können.
Bei Sauen sei die Fütterung im letzten Drittel der Trächtigkeit für die Organentwicklung und das Wachstum der Ferkel entscheidend. Auch der Rohproteinbedarf der Sauen steige zum Ende der Trächtigkeit und während der Säugezeit an. Daher sollte laut Prof. Dr. Wilhelm Pflanz schon drei Wochen vor der Geburt auf die Fütterung mit Säugefutter umgestellt werden. Auch in der Säugezeit sei eine bedarfsgerechte Proteinversorgung der Sau für eine gute Milchqualität wichtig, da die Ferkel bis zur 5. Lebenswoche in der Lage sind, ihre Muskelzellen zu vermehren und neu zu bilden. Für eine ausreichende Proteinversorgung sei neben Kraftfutter auch Grundfutter notwendig – die Silagefütterung könne beispielsweise bis zu 20 % des Methioninbedarfs decken.
Heimische Futtermittel
Welche heimischen Eiweißfuttermittel können für die Ökoschweinefütterung verwendet werden? Diese Frage beantwortete Gerhard Bellof, Professor für Tierernährung an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, in seinem Vortrag. Für die Wahl eines Eiweißfuttermittels müssen seiner Meinung nach Proteinqualität, Marktverfügbarkeit und Preiswürdigkeit berücksichtigt werden. Derzeit seien Eiweißfuttermittel weltweit stark nachgefragt und der Preis dementsprechend hoch. Die Körnerleguminosen Ackerbohne, Erbse, Lupine und Sojabohne würden eine mittlere bis hohe Rohproteinqualität, Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen einen hohen Lysin- und einen niedrigen Methioningehalt und Sojabohnen einen mittleren Methionin- und einen hohen Lysingehalt aufweisen. Insgesamt würden die Inhaltsstoffe der Körnerleguminosen aber starken Schwankungen unterliegen, weshalb die Futtermittel vor der Rationsplanung auf ihren Rohprotein- und Aminosäurengehalt analysiert werden sollten. Auch könnten die Körnerleguminosen aufgrund von antinutritiven Inhaltsstoffen nur begrenzt in der Fütterung eingesetzt werden.
Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion
Nebenprodukte aus der Ölsaatenverarbeitung wie Soja-, Raps-, und Sonnenblumenkuchen können ebenfalls als Eiweißfuttermittel eingesetzt werden. Hier sollte laut Bellof besonders auf den Polyensäurengehalt geachtet werden, da dieser sich im Rückenspeck und im Depotfett der Mastschweine einlagern und damit Auswirkungen auf die Fettqualität haben würde.
Ölkuchen würden sich durch einen hohen Rohproteingehalt und Sojakuchen durch einen hohen Anteil an verdaulichem Lysin auszeichnen. Der Anteil von verdaulichem Methionin sei hingegen in Raps- und Sonnenblumenkuchen höher.
Aufgrund des erhöhten Glucosinolategehaltes von Rapskuchen sollte der Anteil nicht mehr als 10 % in einer Ration betragen. Sojakuchen müsse vor der Verfütterung wärmebehandelt werden, um die Trypsininbitoren zu hemmen und die Verdaulichkeit zu verbessern. Peter Weindl von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf rät, dass das bisher häufig eingesetzte Kartoffeleiweiß nicht allein durch Sojakuchen zu ersetzen sei. Es sollten für eine ausgewogene Aminosäureversorgung stattdessen zusätzlich durch Methionin betonte Eiweißfuttermittel wie Raps- und Sonnenblumenkuchen ergänzt werden.
Auch Luzerne ist eine Option
Die Luzerne ist ein weiteres Eiweißfuttermittel, dessen Trockenblätter einen höheren Rohprotein- und Aminosäurengehalt aufweisen als Luzernegrünmehl und Luzernesilage. Luzernetrockenblätter können laut Weindl bei Mastschweinen bis zu 20 % in der Ration eingesetzt werden. Die Trennung der Luzerneblätter von den Stängeln sei jedoch aktuell noch ein technisches Problem. Eine Option sei, die obersten Pflanzenteile separat zu ernten.
Spurenelemente im Blick behalten
Auch Spurenelemente wie Eisen, Zink, Selen, Mangan und Jod sind essenziell für biochemische Prozesse im Körper und beeinflussen Tiergesundheit und Leistung. Viele Erkrankungen und Probleme wie Wachstumsdepressionen, eine geschwächte Immunabwehr, Fruchtbarkeitsprobleme oder Schwanzbeißen können durch einen Mangel an Spurenelementen ausgelöst werden. Daher betont Lars Dettmar vom Tiergesundheitsdienst in Bayern: Bei auftretenden Krankheiten sollte auch ein Mangel an Spurenelementen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden.
Fazit
- Als Eiweißfuttermittel in der ökologischen Schweinhaltung eignen sich Körnerleguminosen, Ölkuchen, Luzerne und Grundfutter wie Silagen.
- Eine regelmäßige Analyse der eingesetzten Futtermittel ist sehr wichtig, da die Gehalte von Rohprotein und Aminosäuren oft stark schwanken.
- Durch den Wegfall der konventionellen Futtermittel in weiten Teilen der Schweinehaltung müssen Futtermischungen häufig vielfältiger werden, um den Bedarf der Tiere gerecht zu werden.
- Auch die aktuell schlechte Futterverfügbarkeit führt zu großen Herausforderungen in der Schweinehaltung.
- Mit rechtzeitiger Sicherung von Futtermitteln und gezielter Anpassung der Rationen kann die Fütterung mit 100 % Ökoanteil jedoch gelingen.







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