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Mehr Daten, mehr Tierwohl

Tierwohl steigern mit Daten

Biomilchviehhalter Jasper Metzger-Petersen konnte Leistung und Tierwohl seiner Herde deutlich verbessern. Sein Erfolgsrezept: So viele Daten sammeln wie möglich.
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Jasper Metzger-Petersen schwört auf umfassende Datenüberwachung seiner Herde, und das mit Erfolg.
Jasper Metzger-Petersen schwört auf umfassende Datenüberwachung seiner Herde, und das mit Erfolg.Beckhoff
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Jasper Metzger-Petersen leistet sich Luxus auf seinem Biobetrieb, dem Backensholzer Hof im schleswig-holsteinischen Oster-Ohrstedt. Er hat eine fest angestellte Mitarbeiterin mit Hochschulabschluss, die sich ausschließlich um die Auswertung der Daten aus dem Herdenmanagementsystem kümmert.

Dabei ist der Betrieb auch in anderen Bereichen sehr gut aufgestellt. Die täglich gemolkenen knapp 13.000 Kilogramm Milch werden komplett in der betriebseigenen Biokäserei verwertet, die sein Bruder Thilo betreut. Für die Bereiche Futterwirtschaft, Weidemanagement und Kälberaufzucht gibt es jeweils einen zuständigen Mitarbeitenden. Drei Mal pro Woche kümmert sich eine Klauenpflegerin um die Tiere, 460 Kühe plus Nachzucht.

2019 baute Metzger-Petersen einen Kälberstall nach den neuesten Tierwohlstandards. Die 120 Kälber werden hier in drei Abteilen mit je zwei Gruppen gehalten. Ausgediente Getränkenippel befriedigen den Spieltrieb der Tiere. Über einen Windfang gelangen die Kälber auf die Weide. Bereits mit 21 Tagen erhalten sie einen Transponder. Eine Vorderfußwaage ermittelt bei jedem Besuch der Tränke das Gewicht. Pro Tag kann jedes Kalb zehn Rationen Vollmilch abrufen. Lässt ein Kalb nur eine Ration aus, schlägt das System Alarm und das Tier wird kontrolliert. Auch eine zu geringe oder rückläufige Trinkgeschwindigkeit bei einzelnen Kälbern meldet das System umgehend.

Mit dem neuen, besonders tiergerechten Stall verbesserten sich die Zunahmen der Kälber deutlich. Im Schnitt liegen die Tageszunahmen in den ersten 120 Tagen zwischen 950 und 1050 Gramm/Tag. Diese hohen Zunahmen sind für den Biobetrieb ein wichtiger Hebel für ein bessere Wirtschaftlichkeit. Denn jeder Futtertag kostet den Betrieb etwa vier Euro pro Tier. Bei 120 Kälbern entspricht ein Futtertag weniger also einer Ersparnis von knapp 500 Euro. „So macht sich die Investition in den neuen Kälberstall von alleine bezahlt“, sagt Metzger-Petersen.

Für das technologiegestützte Betriebskonzept erhielt der Backensholzer Hof 2021 eine Auszeichnung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner als einer von drei Siegern beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau.

Daten sammeln seit ef Jahren

Schon vor elf Jahren hat Metzger-Petersens Vater die digitale Herdenüberwachung auf dem Hof eingeführt. Sohn Jasper entwickelte die Technik konsequent weiter und führte sie in alle Bereiche der Milchviehhaltung ein. Jede Kuh hat einen Transponder im Halsband, der vier Mal pro Stunde meldet, ob die Kuh steht oder liegt und wie sie den Kopf hält. Ein sogenannter Beschleunigungssensor zeichnet schnelle Bewegungen auf, die auf Unruhe hinweisen und ein integriertes Mikrofon überwacht die Kaufrequenz. Gibt es in einem dieser Bereiche größere Abweichungen, meldet sich das System Cow-Watch automatisch.

Alle Infos aus den Transpondersensoren werden mit Daten aus der Klauenpflege, dem Melkstand, der Fütterung und der Futterernte verknüpft. Dazu kommen mindestens fünf Wiegungen in den ersten zwölf Lebensmonaten der Nachzucht. Bei der Digital-Herdenmanagerin Mary-Katherine Jones laufen über das Herdenmanagementprogramm Dairy-Comp all diese Informationen zusammen.

Jones verbindet laut Metzger-Petersen ein großes Tierverständnis mit sehr viel Erfahrung bei der Interpretation der verfügbaren Daten. Die tägliche Beobachtung der Tiere im Stall und auf der Weide ist für sie genauso selbstverständlich wie die Analyse der Daten. Da sie beides im Blick hat, kann sie zum Beispiel feststellen, ob sich ein Silowechsel negativ auf die Klauengesundheit ausgewirkt hat. „So hat sie oft schon Lösungen, bevor ein Pro-blem zu einem größeren Problem wird“, sagt Metzger-Petersen.

Vollzeitstelle für Datenmanagement

Für Metzger-Petersen ist die Einrichtung einer Vollzeitstelle für das Datenmanagement eine logische Investition, die seinen Ansatz einer konsequenten digitalen Herdenüberwachung erst rund macht. „Je mehr Informationen wir über ein Tier haben, desto besser können wir uns da-rum kümmern“, sagt der Biolandwirt. „Aber dafür braucht man jemanden, der alle Daten zusammenführt, interpretiert und daraus ableitet, was zu tun ist.“ Ein sehr gutes Gespür für die Tiere und eine tägliche Herdenbeobachtung bleiben für ihn aber trotz der umfassenden Datenanalyse unverzichtbar für diese Arbeit.

Erst durch große Datenmengen und eine sinnvolle Zusammenführung ergeben sich laut Metzger-Petersen die erwünschten Vorteile des digitalen Herdenmanagements. Ob zum Beispiel eine Kuh für die weitere Züchtung geeignet ist, entscheidet die Herdenmanagerin auf Basis vieler unterschiedlicher Daten wie Leistung und Fundament. „Das sind ja schon grundlegende Entscheidungen. Und die sollte man nicht nach Gefühl, sondern auf Basis verlässlicher Fakten treffen“, sagt Metzger-Petersen.

Neben einer verbesserten Züchtung ist für ihn das frühzeitige Erkennen von Erkrankungen einzelner Kühe der entscheidende Vorteil der digitalen Kontrolle. Eine sich anbahnende Mastitis, Druckstellen an den Klauen oder Auffälligkeiten im Stoffwechsel – alle potenziellen Erkrankungen einer Kuh erkennt die Herdenmanagerin anhand der vielfältigen Daten mindestens 24 Stunden bis 48 Stunden früher. Bei Verdacht auf eine Mastitis werden die Daten auch mit den Eindrücken des Melkteams abgeglichen.

Geringere Milchverluste

Zwar hat sich die Zahl der behandelten Mastitisfälle nach Einführung der digitalen Datenerhebung nicht verändert. Aber durch die bessere Früherkennung hat sich nach Einschätzung des Betriebsleiters die Zeit für die Abheilung nachweislich verkürzt, sodass die Milchverluste geringer ausfallen. „Ohne die umfangreichen Daten würden wir erst viel später an der abfallenden Milchleistung sehen, dass eine Kuh krank ist“, sagt Metzger-Petersen. So können wir viel schneller notwendige Maßnahmen ergreifen wie einen Drench oder eine kurzzeitige Trennung von der Herde. Dadurch lassen sich die Ausfallzeiten betroffener Kühe wesentlich verkürzen. Teilweise sind die Tiere schon nach ein, zwei Tagen wieder fit.“

Neue Besamungsstrategie

Im Zuge der Einführung des digitalen Herdenmanagements stellte Metzger-Petersen auch die Besamungsstrategie neu auf. Bei der Erkennung der Brunst und des Besamungszeitpunktes verlässt sich der Betrieb seit vielen Jahren komplett auf das Herdenmanagementprogramm, das anhand der Aktivität und Kopfneigung der Kühe den optimalen Termin ermittelt. Die Erstbesamung der Rinder führen die Mitarbeiter nicht mehr nach Alter, sondern streng ab einem Gewicht von 400 Kilogramm und einer definierten Körperkondition durch. Erwünscht sind reife Tiere mit gutem Rippenansatz und ausreichender Kapazität.

Beeindruckende Zahlen

Das konsequente Sammeln und Auswerten der Daten in der Aufzucht und Milchkuhhaltung beschert dem Biobetrieb beeindruckende Zahlen. So verbesserte sich die durchschnittliche Herdenleistung innerhalb von zehn Jahren von 8.000 auf 10.000 Kilogramm Milch pro Tier und Jahr, bei gleichzeitiger Aufstockung des Bestands um 150 Tiere. Die Zellzahl stieg dabei leicht von 150.000 auf um 170.000 Zellen/ml. Die Tierarztkosten sanken auf etwa einen Cent pro Liter Milch.

Die deutliche Leistungssteigerung hat die Tiere zwar laut Metzger-Petersen anfälliger gemacht. Doch mit der fast lückenlosen Datenerhebung ließen sich aufkommende Probleme immer rechtzeitig entschärfen. Und nicht nur das. „Ich würde sogar sagen, das Tierwohl ist bei uns deutlich besser geworden“, sagt der Betriebsleiter.

Das unterstreichen auch andere Zahlen. So sank das durchschnittliche Erstkalbealter im Vergleich zum Beginn der Datenauswertung im Jahr 2012 um sechs Monate. Heute kalben die Tiere im Schnitt nach 24 Monaten. Auch die Trächtigkeitsrate verbesserten sich auf 40 Prozent, einschließlich der Erstbesamungen. Die Verluste in der Kälberhaltung gingen ebenfalls deutlich zurück und lagen im ersten Quartal des Jahres 2021 sogar erstmals bei null (ohne Geburtsverluste).

Investition in Fortbildung für Mitarbeitende

„Besonders die positive Entwicklung der Besamungszahlen beruht eindeutig auf der Einführung der Halsbandsensoren“, ist Metzger-Petersen überzeugt. „Das war tatsächlich von einem Monat auf den nächsten zu beobachten, ohne dass wir andere Dinge geändert haben.“

Bei der besseren Tiergesundheit und Leistung spielen aus seiner Sicht auch andere Faktoren eine Rolle wie eine konsequente Fortbildung der Mitarbeitenden, kürzere Kommunikationswege über WhatsApp-Meldungen und die neu gebauten Kuh- und Kälberställe. Dennoch ist für ihn die Einführung des digitalen Datenmanagements ein zentraler Faktor für den Erfolg.

Demgegenüber stehen relativ hohe Investitionen in die anspruchsvolle Technik. Etwa 100 Euro pro Kuh kosten ihn allein die neuen Halsbandsensoren (Nedap Cow Control), mit denen er die komplette Herde in diesem Jahr ausgerüstet hat. Die frühere Technik von 2012 basierte noch auf einem Pedometer am Fuß. Das Halsbandsystem wurde nachgerüstet, dazu kam neues Personal und neue Software. „Das ist natürlich erstmal viel Geld“, meint Metzger-Petersen. „Aber ich bezahle lieber Leute, die aufpassen, dass die Tiere nicht krank werden, statt hinterher den Tierarzt.“

Außerdem sieht er auch Vorteile bei der Personalführung und den Abstimmungsprozessen durch das System. Alle leitenden Mitarbeitenden haben Zugriffsrechte auf die jeweiligen Daten ihres Arbeitsbereichs. So kann zum Beispiel die Verantwortliche für den Bereich Kälberaufzucht selber kontrollieren, ob die Zuwachsraten der Kälber im Soll liegen. „Diese Dinge gebe ich komplett ab. Das sorgt für mehr Motivation bei den Mitarbeitenden und verschafft mir Freiräume bei der Arbeit“, erklärt Metzger-Petersen.

Auf Zielvorgaben für die Mitarbeitenden, etwa bei der Leistung oder Fruchtbarkeit der Herde, verzichtet der Biolandwirt. „Unser Hauptziel ist es, gute und vor allem hygienisch absolut einwandfreie Milch für die hofeigene Biokäserei zu liefern. Das ist elementar, weil wir hier ausschließlich Rohmilch verarbeiten.“

Runder Tisch bei Problemen

Zugriff auf die kompletten Daten haben neben ihm und der Herdenmanagerin auch der Fütterungsberater und der Tierarzt. Häufen sich Probleme, wie etwa Mastitiden oder Labmagenverlagerungen, wird ein runder Tisch mit allen Beteiligten einberufen und gemeinsam nach möglichen Ursachen gesucht. „Der große Vorteil dabei ist, dass wir unsere Daten ganz konsequent erfassen und auswerten. So diskutieren wir auf Basis von Fakten und nicht nach Gefühl“, sagt Metzger-Petersen.

Überhaupt ist Metzger-Petersen überzeugt, dass eine umfassende Datenerfassung und -analyse ein entscheidender Beitrag für mehr Tierwohl in der Milchviehhaltung ist, auch im Ökolandbau. „Ich bin sogar der Meinung, dass alle Betriebe im Sinne des Tierwohls dazu verpflichtet werden sollten, möglichst viele Daten über ihre Herde zu erfassen.“ Aus seiner Sicht ist die benötigte Sensorik heute Standardtechnik, die unabhängig von der Betriebsgröße anwendbar ist und selbst gute Betriebe noch besser macht.

Sensortechnik macht besser

Für den Backensholzer Hof ist die Investition in die Technik relativ leicht zu stemmen aufgrund der hohen Wertschöpfung durch die eigene Biokäserei. Dennoch hält er den Einstieg in die Digitaltechnik auch bei kleineren Betrieben für sinnvoll und finanzierbar. „Die verfügbare Sensortechnik ist ja mittlerweile Standard. Und nach meiner Erfahrung macht diese Technik auch sehr gute Betriebe noch besser“, sagt Metzger-Petersen.

Besonders wichtig ist für ihn aber auch, dass sich mithilfe einer digitalen Kontrolle eine deutliche Effizienzsteigerung erzielen lässt. „Bei nahezu gleichem Input haben wir dank der Technik 25 Prozent mehr Leistung, mehr Tierwohl und mehr Klimaschutz. Das ist doch letztlich genau das, was wir in der Landwirtschaft wollen.“

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