Der Kuhstall ist ein Stressfresser
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Hilfe bekommen sie dabei von Umweltbakterien, mit denen der Mensch seit Jahrtausenden recht friedlich zusammenlebt, und die es in der Großstadt heute schwer haben, so die Forscher.
15 Lebensjahre für mehr Qualität
Der Ulmer Wissenschaftler hat gemeinsam mit Kollegen aus dem Universitätsklinikum Ulm und Forschern aus Erlangen, London und Boulder (Colorado) herausgefunden, dass Männer, die die ersten 15 Lebensjahre auf einem Bauernhof mit Nutztierhaltung aufgewachsen sind, psychosozialen Stress besser verarbeiten können als Männer, die die ersten 15 Lebensjahre in einer Großstadt mit über 100 000 Einwohnern und ohne Haustiere verbracht haben.
Für ihre Studie haben die Forscher insgesamt 40 gesunde männliche Probanden einem Stresstest unterzogen und begleitend dazu Stresshormone und immunologische Parameter erhoben. „Gestresst“ wurden die Probanden in einem standardisierten Laborexperiment mit dem sogenannten „Trier-Social-Stress-Test“ (TSST). Dabei werden die Versuchsteilnehmer einer fingierten Bewerbungssituation ausgesetzt und mehr und mehr unter Druck gesetzt. Sie müssen zwischendurch Kopfrechenaufgaben lösen und bei Fehlern erneut von vorne beginnen. Vor und nach dem Test haben die Wissenschaftler Blut- und Speichelproben entnommen, um bestimmte Immunzellen wie mononukleäre Zellen des peripheren Blutes (PBMC) zu gewinnen oder Stressparameter wie Cortisol zu erfassen.
Kontakt zu Tiere bringt Gelassenheit
Dabei kam heraus, dass die „Landbewohner“ im Test zwar einerseits höhere Stresswerte zeigten als die „Großstädter“; dabei waren sowohl die basalen Stresshormonlevel höher als auch das im Fragebogen abgefragte subjektive Stressempfinden. Andererseits ließ sich das Immunsystem der „Landbewohner“ nicht so stark zu einer Reaktion provozieren wie das der „Großstädter“, die in ihrer Kindheit keinen Kontakt zu Tieren hatten. So war bei den Probanden, die in der Großstadt ohne Tiere aufgewachsen sind, nicht nur der stressinduzierte PBMC-Anstieg größer, sondern auch die Werte für den Entzündungsmarker Interleukin 6 blieben länger erhöht als bei der Vergleichsgruppe.
Und ein weiteres klares Indiz, dass das Immunsystem der „Landbewohner“ Stress besser verkraftet, fanden die Wissenschaftler. Dafür wurden die isolierten mononukleären Zellen des peripheren Blutes auf die Ausschüttung des Entzündungshemmers Interleukin 10 untersucht. Das Ergebnis: nach dem Stresstest war bei den tierlosen Städtern die Abgabe dieser antientzündlich wirkenden Substanz deutlich verringert, nicht jedoch bei den nutztiernahen Ländlern.
Kontakt zu Bakterien wichtig
Schon länger ist bekannt, dass die Anfälligkeit für Asthma und Allergien sowie für psychische Erkrankungen bei Menschen, die in der Großstadt leben, überdurchschnittlich hoch ist. Mit dem globalen Trend zur Verstädterung – immer mehr Menschen zieht es vom Land in die Metropolen – gewinnt dieser Befund noch an Brisanz. Dass dabei der fehlende Kontakt zu bestimmten Bakterien eine Schlüsselrolle spielt, wie die sogenannte „missing microbes“-Hypothese besagt, wird in der Forschung seit ein paar Jahren vermutet. In einem früheren Experiment mit Mäusen konnte ein Forscherteam um Professor Stefan Reber von der Uni Ulm bereits zeigen, dass sich die Stressresilienz der Tiere durch die „Impfung“ mit solchen altbekannten Umweltbakterien verbessern lässt.
Schön wäre es natürlich, wenn sich die Ergebnisse von der Maus auf den Menschen übertragen ließen. Möglicherweise könnte eine solche Impfung in Zukunft auch bei menschlichen Risikogruppen funktionieren. Ob es in der Stadt vielleicht auch der frühe Kontakt mit Haustieren tut, wollen die Wissenschaftler in einer Folgestudie herausfinden.
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