Beschäftigte Schweine sind weniger aggressiv
Wie lässt sich das Schwanz- und Ohrenbeißen bei Ferkeln und Mastschweinen verhindern? Durch das Futter, das Stallklima, die Besatzdichte, Rasse, Geschlecht oder mehr Beschäftigungsmöglichkeiten? Feststeht, da waren sich die Referenten auf der gemeinsamen Fachtagung des Landesarbeitskreises Fütterung (LAF) und der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung (BAT) an diesem Donnerstag in Ulm-Seligweiler einig: Die Verhaltensstörung, bei der sich die Tiere zum Teil schwer verletzen, wird durch viele Faktoren ausgelöst.
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So verhindert das tierschutzrelevante Geschehen nicht allein das tägliche Futter, genauso wenig wie eine untergliederte Bucht oder aufgehängtes Spielzeug, wie Bälle und Byte Rites. Und auch der viel diskutierte Rohfasergehalt in den Rationen der Schweine sei nicht der alleinige Heilsbringer, machte Dr. Stephan Schneider von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub in seinem Vortrag deutlich. Allerdings hatten er und sein Team auf zwölf hierzu untersuchten Ferkelerzeugerbetrieben in Bayern teils starke Streuungen bei Rohnährstoff-, Aminosäuren-, Mengen und Spurenelementengehalten in den Rationen festgestellt. Die Ferkel und späteren Mastschweine waren entweder über- und unterversorgt.
Aus der abschließenden Auswertung, bei der sich Schneider und seine Kollegen zusätzlich Ställe und Gesundheit der Tiere näher ansahen, ergab sich jedoch keine klare Tendenz, dass die Fütterung der Schweine das Schwanzbeißen entweder befödert oder unterbunden hatte. Im Schnitt 53 Prozent der Schweine wurden schließlich mit langem Schwanz geschlachtet. Bei 47 Prozent der Tiere war es zuvor zu Verletzungen und Teilstückverlusten gekommen.
Schwanzbeißen beginnt schon sehr früh nach dem Absetzen, stellt Dr. Christina Jais von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub fest, seit sie und ihre Kollegen vor sechs Jahren damit begonnen haben, sich den Einfluss von Haltungssystemen auf die Verhaltensstörung näher anzusehen. Zu diesem Zweck testeten die Wissenschaftler am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum in Schwarzenau, wie oft und wie intensiv sich die Jungtiere in Standardbuchten (zwei Abteile mit je vier Buchten mit jeweils maximal 28 Tieren, zwei Breiautomaten, vier Fressplätze je Bucht, Kunststoffroste mit Bodenheizung, drei Tränkenippel, Kunststoffbälle zur Beschäftigung, 035 Quadratmeter Platz pro Tier) im Vergleich zu den Aufzuchtferkeln in strukturierten Tierwohlbuchten mit mehr Beschäftigungsangeboten (Luzernehäcksel auf dem Boden, Bite-Rite, Hanfseil, Strohraufe, Trogschale, Holz an Kette auf dem Boden) und Trogtränke in Schwanz und Ohren bissen oder es ließen.
„In der Spitze gab es in den Standardbuchten 50 bis 60 Prozent Schwanzverletzungen unter den Ferkeln“, erläuterte Jais. In den Tierwohlbuchten belief sich diese Quote von unter zehn bis maximal 30 Prozent. Fazit der Wissenschaftlerin: Investitionen in echte Qualität für die Tiere, wie Beschäftigungsmaterial und Grobfutter, sind wichtiger als absolute Tierzahlen und das Flächenangebot pro Aufzuchtferkel.
Als Vorbeuge gegen das Schwanz- und Ohrenbeißen spielt für Jais die Versorgung der Ferkel mit Grobfutter die wichtigste Rolle, um die Verhaltensstörung zu unterbinden beziehungsweise zu stoppen. Der flächendeckende Einstieg in die Haltung unkupierter Ferkel und Mastschweine wird aus ihrer Sicht deshalb nur dann gelingen, wenn die Schweine mit entsprechend viel Grobfutter versorgt werden. „Beschäftigung ist attraktiver, wenn am Ende dieser Beschäftigung etwas Fressbares steht“, machte sie deutlich.
Mindestens genauso wichtig wie der zielgerichtete Einsatz von Grobfutter, wie Luzernehäcksel, ist für Jais das Management der Tiere. Deutet es sich an, dass sich die Ferkel gegenseitig verletzen wollen, müssten sie durch neue, verzehrbare Beschäftigungsangebote wie Heu, Stroh, Maissilage oder Äste abgelenkt werden. Beißer müssen in eine Einzelbucht separiert werden.
Die Mitarbeiterin am Institut für Landtechnik und Tierhaltung räumte ein, dass die gezielte und großzügige Vorlage von Grobfutter in herkömmlichen Vollspaltenbodenställen nicht möglich ist. Das Güllesystem solcher Kammställe sei nicht kompatibel mit den anfallenden Halmen und der zähen Gemengelage aus Kot und Urin. „Wer solch einen Stall hat“, machte Jais deutlich, „muss jetzt erst einmal abwarten, wie sich die Diskussionen um das Thema entwickeln“. Ansonsten bleibe nur, bei Schwanzbeißern sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Über die weiteren Themen auf der LAF-BAT-Tagung berichten wir in einer der kommenden Ausgaben von BWagrar.
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