
Weizen kann mehr Nährstoffe liefern
Die Ernte ist eingefahren, der Weizenertrag steht fest. Doch was ist mit den inneren Werten des Korns? Weizenbrot könnte künftig nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch wertvolle Nährstoffquelle sein. Ein Forschungsverbund an der Universität Hohenheim zeigt, wie Züchtung, Anbau und Backverfahren zusammenwirken können, um Mineralstoffe und Spurenelemente im Brot besser verfügbar zu machen.
von Universität Hohenheim erschienen am 30.09.2025Höhere Erträge bei möglichst geringem Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sowie gute Backeigenschaften: Darauf liegt bisher das gemeinsame Interesse aller Akteure in der Weizen-Wertschöpfungskette – von der Züchtung bis in die Backstube. Dass Weizen jedoch auch eine wichtige Nährstoffquelle sein könne, ginge häufig unter: „Weizen ist nicht nur ein wichtiger Kohlenhydrat- und Eiweißlieferant in der weltweiten Ernährung, sondern trägt laut FAO auch über 20 Prozent zur weltweiten Versorgung mit Ballast- und Mineralstoffen sowie Spurenelementen bei“, erklärt Prof. Friedrich Longin, Leiter der Weizenabteilung der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim und Koordinator des Projektes Betterwheat. „Wie sich die Nährstoffe in Weizenprodukten steigern lassen, ist in den globalen Wertschöpfungsketten bisher allerdings ein Randthema.“ Ein Grund dafür: „Ein hoher Mineralstoffgehalt im Weizen geht oftmals mit geringeren Erträgen einher.“
Fünf Jahre Forschungsarbeit
Um herauszufinden, welche Weizensorten unter verschiedenen Umwelt- und Anbaubedingungen eine stabile Qualität aufweisen, haben die Universität Hohenheim und die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Weizenzüchtungsfirmen Deutsche Saatveredelung AG, KWS Lochow GmbH, Limagrain GmbH und W. von Borries-Eckendorf GmbH & Co. KG in fünf Jahren Forschungsarbeit mehr als sechstausend Merkmale an zweihundertzweiundachtzig Weizensorten und vierhundert Zuchtlinien erfasst.
„Das Einmalige am Projekt war die ganzheitliche Betrachtung von Sorteneigenschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, betont Prof. Longin. „Neben wichtigen Eigenschaften für einen erfolgreichen Anbau wurden mehrere Dutzend Verarbeitungsmerkmale für Bäckereien betrachtet und zusätzlich noch wichtige Inhaltsstoffe und Proteine, die für die menschliche Ernährung von Bedeutung sein könnten.“
Und dies erfolgte an vielen bedeutenden Weizensorten aus Europa, die in zahlreichen Anbauumwelten getestet wurden. „Somit können wir abschätzen, wie groß der Einfluss der Züchtung, aber auch der der Anbauumwelt auf diese vielen Merkmale ist“, ergänzt Dr. Johannes Schacht, leitender Weizenzüchter bei Limagrain GmbH und Koordinator der Wirtschaftspartner dieses Projekts.
Das Projekt Betterwheat ist im Winter 2019/20 angelaufen und endet im September 2025. Es wird vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat über das Programm der Innovationsförderung mit insgesamt 2,33 Millionen Euro unterstützt und von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung administrativ betreut. Die beteiligten Züchtungsfirmen haben zusätzlich nochmal eine Eigenbeteiligung von knapp 700.000 Euro über aufwendige Feldversuche und Qualitätsanalysen beigesteuert. Damit zählt das Projekt Betterwheat weltweit zu den sehr großen Forschungsprojekten zur Qualität von Weizen.
Am Projekt beteiligt sind die Universität Hohenheim, die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Pflanzenzüchtungsfirmen Deutsche Saatveredelung AG, KWS Lochow GmbH, Limagrain GmbH und W. von Borries-Eckendorf GmbH & Co. KG.
Nährstoffprofile von Weizensorten erfasst
Ein Fokus des Teams lag auf den Nährstoffprofilen unterschiedlicher Weizensorten. „Wir haben rund achthundert Weizenerntemuster auf ihren Gehalt an dreizehn wertvollen Spuren- und Mineralstoffen, wie zum Beispiel Eisen und Zink, untersucht – Mikronährstoffen, die unter anderem für das Immunsystem, unsere Zellen und den Stoffwechsel von Bedeutung sind.“
Das Ergebnis: „Wir konnten feststellen, dass sich der Nährstoffgehalt in verschiedenen Weizensorten stark unterscheidet – und um bis zu fünfzig Prozent schwanken kann“, fasst Prof. Longin zusammen. „Unsere Versuche zeigen zudem, dass sich die Nährstoffe im Weizen züchterisch gut mit den geforderten Backqualitäten kombinieren lassen. Diese korrelierten nämlich stark positiv mit dem Proteingehalt und Teigeigenschaften.“
Nährstoffe im Weizen schnell messen
„Um diese Erkenntnis in der Praxis zu nutzen, stünde mit der sogenannten Röntgenfluoreszenzspektrometrie (XRF-Fluoreszenzspektrometrie) eine Methode zur Verfügung, mit der sich der Nährstoffgehalt im Weizen schnell und zuverlässig messen lässt“, führt Prof. Longin aus. Bei dem Verfahren werden mithilfe von Röntgenstrahlen die Inhaltsstoffe im Weizen erfasst und basierend auf vorherigen Kalibrationen dann schnell berechnet. Das Verfahren, bisher nur zu Forschungszwecken eingesetzt, könnte helfen, die Gehalte an Mineralstoffen und Spurenelementen entlang der Wertschöpfungskette zu erfassen und zu steigern.
„Aber dies ist nur möglich, wenn der Mehraufwand auch bezahlt wird“, betont Longin. Zudem macht die Steigerung vieler Nährstoffe beim Weizen erst Sinn, wenn deutlich mehr Vollkorn oder zumindest Mehle mit hoher Typenzahl (1050 oder besser noch höher) konsumiert würden. Die wertgebenden Nährstoffe sitzen nämlich meistens in den Kornrandschichten und dem Keimling, die beide im hellen Mehl der Type 405, 550 und 812 weggemahlen werden.
Backverfahren entscheidend für Bioverfügbarkeit
Und ein bekanntes Problem haben die Forschenden genauer untersucht: „Die gesunden Inhaltsstoffe im Weizen sind in der Phytinsäure gebunden. Diese kann aber nicht verdaut werden und wird mitsamt den positiven Nährstoffen wieder ausgeschieden.“
In einem weiteren Schritt untersuchten Prof. Longin und sein Team daher, welchen Einfluss unterschiedliche Backverfahren auf die Menge der Phytinsäure im Brot haben können. „Hierfür haben wir mit Handwerksbäckern zusammen vier sehr verbreitete Backverfahren getestet“, so der Weizen-Experte. Als besonders wirksam erwies sich die Kombination einer langen Teigführung mit einem Sauerteig. „Wir konnten feststellen, dass sich die Phytinsäure bei diesem Backverfahren fast ganz abbaut und die Inhaltsstoffe dadurch für den Körper verfügbar werden.
„Alle Partner der Weizenwertschöpfungskette können den Nährstoffgehalt von Brot beeinflussen“, fasst Longin zusammen. „Allerdings muss klar priorisiert werden: Zunächst sollten wir Verbraucher mehr Vollkorn essen. Dies sollte dann mit einer langen Sauerteigführung gebacken werden, und erst dann machen Züchtung und gezielter Getreidehandel Sinn, um das Nährstoffprofil noch weiter zu optimieren.“
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