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Agroforstwirtschaft

Von Bäumen profitieren

Sie gelten als nachhaltig und resilient, sind aber noch selten anzutreffen: Agroforstsysteme. Denn während Kurzumtriebsplantagen bereits gefördert werden, sieht es bei komplexeren Systemen noch mau aus. Außerdem herrscht die Meinung vor, dass Bäume im Acker den Ertrag reduzieren. Doch das stimmt nicht unbedingt.
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Ein silvopastorales Agroforstsystem: Schafe in einer Streuobstwiese
Ein silvopastorales Agroforstsystem: Schafe in einer StreuobstwiesePetsch
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Agroforstsysteme bergen ein enormes Potential: Sie können nicht nur helfen, die Folgen des Klimawandels abzumildern, sondern bieten auch eine Möglichkeit, mit den Folgen umzugehen (Ökologische Relevanz von Agroforstsystemen). So steht es im aktuellen Report des „Weltklimarats“ IPCC zum Thema Klimawandel und Landsysteme. „Das ist eine gewaltige Perspektive“, betonte Mareike Jäger auf der Bioackerbautagung 2022 des FiBL. Die Dozentin für landwirtschaftliche Produktionssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) erforscht am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen insbesondere Produktionssysteme der Biologischen Landwirtschaft – so auch die Agroforstsysteme.

Als Agroforst gelten Landnutzungssysteme, die Gehölzpflanzungen mit Ackerbau oder Tierhaltung kombinieren, um gezielt deren positive Wechselwirkungen zu nutzen. Zwar gelten agroforstwirtschaftliche Systeme insbesondere im Verbreitungsraum tropischer Regenwälder als ökologisch vorteilhaft im Vergleich zu einer kompletten Rodung. Doch angesichts des Klimawandels werden die Systeme auch in Europa wieder populärer. Wieder, weil Agroforstsysteme an sich nichts Neues sind. Insbesondere silvopastorale Systeme, bei denen Tierhaltung mit der Forstwirtschaft kombiniert wird, waren lange üblich. Hutewälder zeugen noch heute von der Waldweidenutzung.

Hutewälder sind historische Zeugen der Waldweidenutzung. Hutewälder sind historische Zeugen der Waldweidenutzung. © PETSCH

Agroforstsysteme auf einen Blick

Zur Agroforstwirtschaft gehören Landnutzungssysteme, die Gehölzpflanzungen mit Ackerbau oder Tierhaltung kombinieren, um gezielt deren positive Wechselwirkungen zu nutzen. Diese Systeme sind besonders aus den feuchten Tropen bekannt. Aber auch in Europa haben sie Tradition und gewinnen aufgrund ihrer vielfältigen Nutzen wieder an Popularität. Es wird dabei unterschieden in

  • silvoarable Systeme – Bäume in Kombination mit Ackerkulturen (z.B. Weizenanbau zwischen Pappelreihen)
  • silvopastorale Systeme – Bäume in Kombination mit Tierhaltung (z.B. Hühnerauslauf in Kurzumtriebsplantagen)
  • agrosilvopastorale Systeme – Bäume in Kombination mit Ackerkulturen und Tierhaltung

Agroforst für Defizitflächen

Mareike Jäger war auch an einer 2019 veröffentlichten Studie im Rahmen des Agroforst-Projekts AGROFORWARD (Agroforestry that will advance rural development) beteiligt. Darin wurde deutlich, dass der Einsatz von Agroforstsystemen vor allem in Gebieten mit hoher landwirtschaftlicher Umweltbelastung sinnvoll wäre – insbesondere für den Klimaschutz.

Die Forschenden identifizierten dazu diejenigen landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Schweiz mit der größten landwirtschaftlichen Umweltbelastung. Auf etwa 13% der landwirtschaftlichen Nutzflächen kommen dem Ergebnis zufolge mehrere Risikofaktoren zusammen, beispielsweise Erosion, Nitratbelastung und ein geringer Humusgehalt. Die Modellierung ergab, dass die Agroforstsysteme allein in den Defizitgebieten 13% der Treibhausgasemissionen der direkten landwirtschaftlichen Produktion der Schweiz kompensieren könnten. 

Agroforstsysteme lohnen sich vor allem dort, wo die Landwirtschaft mit Defiziten wie starker Erosion kämpft. Agroforstsysteme lohnen sich vor allem dort, wo die Landwirtschaft mit Defiziten wie starker Erosion kämpft. © Mayer

Mit Bäumen gegen den Klimawandel

EU-weit ließe sich mit Agroforstsystemen auf etwa 9% der landwirtschaftlichen Nutzfläche sogar fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen kompensieren (Eurostat, 2017).

Wie viel Kohlenstoff (C) genau ein Agroforst speichern kann, hängt vom System, der Baumart und dem Alter der Bäume ab. So speichere eine Hecke üblicherweise weniger Kohlenstoff als beispielsweise ein Korkeichenwald in Portugal, so Jäger. Je nach System – und davon wurden in dieser Studie EU-weit insgesamt 64 verschiedene untersucht – liege das Kohlenstoffspeicherpotential eines Agroforsts daher zwischen 0,1 und 7,3 Tonnen C pro Hektar und Jahr. 

Eine Hecke speichert weniger Kohlenstoff als beispielsweise ein Korkeichenwald. Eine Hecke speichert weniger Kohlenstoff als beispielsweise ein Korkeichenwald. © Petsch

Mit den Jahren sammeln die Bäume im Agroforstsystem immer mehr Kohlenstoff. Pro Baum liege die C-Speicher-Lebensleistung Jäger zufolge je nach Art bei etwa einer Tonne. Und letztendlich lohne sich ein Agroforst aus Klimasicht auch nur dann, wenn das Holz der Bäume nach dem Fällen einem dauerhaften Nutzen zugeführt wird – zum Beispiel als Bau- oder Möbelholz. Ein Baum, der auf der Fläche liegen gelassen wird, würde sich mit der Zeit zersetzen und das C weniger lang speichern.

Bäume sind multifunktional

Nun steht vermutlich bei den wenigsten Landwirten und Landwirtinnen das Ziel an oberster Stelle, mit ihrer Bewirtschaftung den Klimawandel aufzuhalten. Wichtiger sind praktische Aspekte: Lassen sich die Agroforstsysteme gut in den Betrieb integrieren? Profitieren Tiere oder Ackerkulturen von der Wechselbeziehung mit den Bäumen? 

In modernen europäischen Agroforstsystemen wächst beispielsweise Gemüse unter Obstbäumen, ergänzen Nussbaumstreifen den Getreideacker oder scharren Hühner in Energieholzplantagen. Noch relativ unbekannt sind dagegen Futterhecken für Rinder oder Kleinwiederkäuer, zum Beispiel aus Hasel oder Weide.

Walnussplantage in Brandenburg

Grundsätzlich erweitern all diese Agroforstsysteme die Produktpalette des Betriebs und lassen sich in aller Regel gut in das vorhandene Maschinenmanagement integrieren. Baumreihen können gezielt in einem Abstand gesetzt werden, der zu Mähdrescher und Co. passt. Dazu bieten die Bäume vielfältige Ökosystemleistungen, die den Betrieb resilienter machen können. So schafft das Kronendach ein Mikroklima auf dem Acker und ist zahlreichen Vögeln und Insekten Heimat und Nahrungsquelle zugleich. Das steigert unter anderem die Vielfalt an Bestäubern.

Hartnäckig hält sich jedoch die Annahme, dass Baumreihen zwischen den Ackerkulturen den Ertrag mindern. Schließlich wächst das Getreide auch am Waldrand meist schwächer. Dabei lässt sich die Wirkung einer Baumreihe auf die Kultur weder pauschalisieren noch mit einem Wald vergleichen. Die Wechselwirkung zwischen Baum und Ackerkultur hängt von vielen Faktoren ab – vom Alter der Bäume, der Baumart, der Pflanzdichte, der Kulturpflanzenart, um nur einige zu nennen. 

In der Konkurrenzzone mit den Eichen sind die Halme deutlich weniger grün. In der Konkurrenzzone mit den Eichen sind die Halme deutlich weniger grün. © Petsch

 

Warum Bäume den Ertrag sogar steigern können

Im bayerischen Pulling und Neuhof wurde die Wirkung quer zur Hauptwindrichtung und im Verband gepflanzter Energieholzstreifen aus Pappeln auf die sie umgebenden Ackerkulturen über sieben Jahre untersucht. In unmittelbarer Nähe der Bäume verringerten sich tatsächlich die Erträge von Winterweizen, Hafer und Kleegras. In der Parzellenmitte wurde dagegen eine Ertragssteigerung verzeichnet, die diese Mindererträge wieder ausglich. 

„In feuchten Jahren mit wenig Sonneneinstrahlung sind Bäume ungünstig, weil sie zusätzlich beschatten. Aber wir steuern mit dem Klimawandel ja eher auf trockenere Jahre hin und da sind sie von Vorteil.“ - Mareike Jäger „In feuchten Jahren mit wenig Sonneneinstrahlung sind Bäume ungünstig, weil sie zusätzlich beschatten. Aber wir steuern mit dem Klimawandel ja eher auf trockenere Jahre hin und da sind sie von Vorteil.“ - Mareike Jäger © privat

Die veränderte räumliche Ertragsverteilung führten die Forschenden einerseits auf Konkurrenz um Licht zurück und andererseits auf herausstehende Äste, die eine präzise Bodenbearbeitung erschwerten. Ertragssteigernd wirkte vermutlich vor allem der Windschutz, den die Energieholzstreifen den Ackerkulturen auf der windabgewandten Seite boten. „In feuchten Jahren mit wenig Sonneneinstrahlung sind Bäume ungünstig, weil sie zusätzlich beschatten. Aber wir steuern mit dem Klimawandel ja eher auf trockenere Jahre hin und da sind sie von Vorteil“, erklärt Mareike Jäger dazu.

Baumreihen haben auch viele positive Effekte auf die Kulturpflanze. Baumreihen haben auch viele positive Effekte auf die Kulturpflanze. © PETSCH

Eine belgische Studie kam zu dem Schluss, dass das Alter der Bäume und die Kulturart ausschlaggebend für Ertrag und Qualität sind. Streifenpflanzungen aus zwei- bis siebenjährigen Pappeln hatten kaum Auswirkungen auf den Ertrag von (Futter-)Mais, Kartoffeln, Winterweizen und Wintergerste. In der Nähe von 15 bis 48 Jahre alten Laubbäumen beobachteten die Forscher:innen dagegen Ertragseinbußen – vor allem bei Mais und Kartoffeln. Auf die Qualität hatten die Bäume in dieser Studie kaum Einfluss.

In Norddeutschland wurde untersucht, wie sich Pappelreihen auf dazwischen wachsenden Winterraps und Winterweizen auswirken. Zwar waren die Erträge in der Nähe der Bäume deutlich niedriger als weiter von ihnen entfernt. Doch die durchschnittlichen langfristigen Ernteerträge wiesen keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer 48 Meter breiten Erntegasse, einer 96 Meter breiten Erntegasse sowie der baumlosen Kontrolle auf. Die Autor:innen vermuten als Ursache für dieses Phänomen die variierenden Witterungsbedingungen. So fiel im trockenen Jahr 2012 der Winterweizenertrag im Agroforstsystem höher aus als in der baumfreien Kontrolle. 

Nutzen für die Landwirtschaft

Während moderne Agroforstsysteme in der Schweiz noch hauptsächlich als Maßnahme gegen Erosion gelten, entdecken Forschende nun nach und nach deren potentiell positive Wirkung auf das gesamte Landnutzungssystem. Der Wettkampf mit der Kultur und die Bodenbearbeitung entlang der Baumreihe zwingen die Bäume, tiefer zu wurzeln. So wird der gesamte durchwurzelbare Raum besser ausgenutzt. Baum und Kultur nutzen die verfügbaren Ressourcen zudem zeitlich und örtlich unterschiedlich. So schieben Obstbäume erst spät ihre Blätter, wenn der Weizen bereits einen großen Teil der Ressourcen verbraucht hat. Unterhalb der Ackerkulturen bilden die Baumwurzeln ein Auffangnetz für Nährstoffe, das insbesondere Nitratverluste massiv reduziert. Das schont das Grundwasser und hält die Nährstoffe im System. Die Tierhaltung im Agroforst emittiert zudem weniger Ammoniak als jene im Stall. 

Übersicht über die Umweltleistungen moderner Agroforstsysteme Übersicht über die Umweltleistungen moderner Agroforstsysteme © Wolfgang Zehlius-Eckert, Penka Tsonkova, Christian Böhm, 2020: Umweltleistungen von Agroforstsystemen. Ergebnisse des Forschungsprojekts AUFWERTEN aus der Loseblattsammlung des DeFAF zur Agroforstwirtschaft (S. 42)

Über das Jahr gesehen, können die Bäume sogar die Photosyntheseleistung einer Fläche verbessern: Zur Zeit der höchsten Sonneneinstrahlung im Sommer ist der Weizen bereits ausgereift. Photosynthese findet dann nicht mehr statt. Die Bäume dagegen versorgen das Bodenleben, insbesondere die Mykorrhiza, während der Vegetationsperiode ständig mit Kohlenhydraten aus ihren Wurzelexsudaten. Dazu helfen die Baumwurzeln dabei, nachts Wasser aus feuchteren tiefen Bodenschichten in die trockeneren oberen Bodenschichten zu transportieren. „Das ist kein Voodoo, sondern rein physikalisch“, betont Jäger. Die Bäume sorgen auch für höhere Humusvorräte als in reinen Ackerkulturen, schützen die Kultur an heißen Tagen vor starker Sonneneinstrahlung und vermindern die Verdunstung.

Hindernisse auf dem Weg zum Agroforst

Allen Vorteilen zum Trotz, darf nicht vergessen werden, dass die Anlage eines Agroforsts eine arbeitsaufwendige, langfristige Investition ist, für die es auch ein gewisses Knowhow braucht. Agroforstsysteme an sich sind „überhaupt nichts Neues“, weiß Jäger. „Wir haben nur vergessen, wie das geht.“ Denn für ein erfolgreiches Agroforstsystem braucht es neben ackerbaulichen Kenntnissen auch obstbauliches und waldbauliches Wissen. Schließlich sollten beim Baumschnitt keine tiefen Wunden entstehen. Auch zu früh zu hoch aufzuasten, kann sich beim nächsten Sturm bitter rächen. Vorsicht gilt zudem bei Drainagen: Sie können durch die Baumwurzeln in Mitleidenschaft gezogen werden. 

Nicht zuletzt ist auch die Finanzierung einer Agroforstfläche eine große Herausforderung. In der neuen GAP-Direktzahlungs-Verordnung (GAPDZV) wird zwar endlich definiert, was als Agroforstsystem gilt. Diese längst überfällige rechtliche Klarstellung ändert jedoch nichts daran, dass die Regelungen - wie so oft - kompliziert sind. 

Die Hauptsache ist deshalb, vor dem Start gut zu überlegen, ob und wie man das System gestalten will und welche Flächen sich dafür eignen. Für den Anfang empfiehlt sich möglicherweise ein weniger ertragreicher Schlag. Steht der Agroforst erst einmal, heißt es abgesehen von regelmäßiger Pflege vor allem: Warten! Denn während Pappeln bereits nach wenigen Jahren geschnitten werden können, muss man sich bei anderen Arten mitunter lange gedulden, ehe man die Lorbeeren seiner Arbeit ernten kann. 

Weitere Infos

Moderne Agroforstsysteme mit Werthölzern: Leitfaden für die Praxis

Fördermaßnahmen für Agroforstsysteme

Auf der Seite des deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft gibt es Infos rund um den Agroforst

Anlage und Bewirtschaftung von Kurzumtriebsflächen in Baden-Württemberg

Die Agroforst-Akademie vom DeFAF bietet Kurse rund um Agroforstsysteme, Kontakt: akademie@defaf.de, Tel. 0355 / 752 132 43

Im Agroforst-Netzwerk finden Sie Dienstleister für eine konkrete Beratung

Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft bietet auf seiner Webseite umfangreiche Informationen, unter anderem praktische Werkzeuge, für die Planung von Agroforstflächen

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