Patientendaten künftig in der Cloud
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"Es ist fünf vor zwölf. In einem Jahr sollen alle Daten gesetzlich Versicherter in einer Cloud gespeichert werden und dort nicht nur allen anderen Behandlern eines Patienten, sondern auch der Forschung zugänglich gemacht werden." so der Netzwerkvorsitzende Dieter Adler. Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk warnt seit Jahren vor den weitreichenden Folgen der Speicherung von Patientendaten an einem zentralen Ort. Viele Initiativen kämpfen in Deutschland für einen besseren Datenschutz der medizinischen Daten und gegen die blindwütige und unüberlegte Zwangsdigitalisierung der Medizin.
90 Prozent der Arztpraxen unsicher angeschlossen
Datenskandale der letzten Jahre, besonders in jüngster Zeit, haben bewiesen, dass die Technologie bei weitem nicht so sicher ist wie versprochen. Selbst die für die Gesundheitscloud zuständige gematik GmbH - überwiegend im Staatsbesitz- mußte unlängst zugeben, dass 90% der Arztpraxen unsicher angeschlossen sind - sprich für Hacker angreifbar. Das konnte der Datenschutzexperte Jens Ernst aus Schwertenachweisen: vor laufenden Kameras des NDR hackte er eine Arztpraxis im Handumdrehen - selbstverständlich mit Testdaten.
Dass die Patientendaten mit veralteter Technologie gespeichert werden sollen, hatte die Fachpresse schon lange kritisiert.
Dass die jetzige Version der elektronischen Patientenakte in der
Gesundheitscloud (ePA) ein Milliardengrab ist, musste vergangene Woche auch Gematik Chef Dr. Markus Leyck Dieken in einem Interview mit dem ärztlichen Nachrichtendienst eingestehen: "Damit die ePA in den meisten Arztpraxen pünktlich zum 1. Januar 2021 funktioniert, ist eine vierte Variante des Konnektors erforderlich." Der Konnektor ist ein etwa 2800 Euro teueres Verbindungselement, das den Praxisrechner über das Internet mit dem Cloudserver der Gesundheitscloud verbindet. Der muss jetzt offenbar in vielen Arztpraxen ausgetauscht werden. Auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen.
Brisante Daten in der Cloud
In einer repräsentativen Umfrage des Psychotherapeuten Netzwerks wussten 44 % der befragten Versicherten nichts von der Gesundheitscloud. 86% lehnten die zentrale Speicherung ihrer medizinischen Daten in der Cloud ab.
Vergessen werden darf dabei nicht, dass in der Cloud brisante Daten gespeichert werden, wie Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaftsabbrüche, psychotherapeutische
Behandlungen, Suchtmittel- oder Alkoholabhängigkeit. Die Daten müssen mindestens zehn Jahre gespeichert bleiben.
Auch Dritte haben jetzt Interesse an den Daten angekündigt. So forderte im Juni der Verband der Betriebsärzte, die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), die Politik auf, ebenfalls Einblick in die Gesundheitscloud zu bekommen. Der Arbeitgeber könnte alle Krankheiten des Arbeitnehmers lückenlos erfahren. Und Schwangerschaften würden auch sofort publik.
Das neugegründete Arbeitsbündnis gegen Datenmissbrauch in der Medizin will die Öffentlichkeit informieren und gleichzeitig mit Behandler- und Patientenvertretern sowie Datenschützern neue Modelle der Digitalisierung entwickeln.
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