Kein Stoff für Körper und Umwelt
Glyphosat steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit wie kein zweites Pflanzenschutzmittel. Im Thema der Woche in BWagrar 9/2015 geht es um die Beleuchtung des Themas von verschiedenen Seiten. Hier lesen Sie das Interview mit Jurek Vengels vom Umweltinstitut in voller Länge. Außerdem finden Sie einige weiterführende Links.
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Jurek Vengels ist Referent für Verbraucherschutz am Umweltinstitut München. Das Umweltinstitut ist ein unabhängiger Verein, der sich seit dem Tschernobyljahr 1986 mit Erforschung und Verminderung der Umweltbelastung beschäftigt. BWagrar hat ihn interviewt.
BWagrar: Warum setzt sich das Umweltinstitut gegen den Einsatz von Glyphosat ein?
Vengels: Glyphosat ist mit großem Abstand das am häufigsten eingesetzte Ackergift. Es ist dazu gemacht, alles pflanzliche Leben abzutöten. In Deutschland und Europa trägt Glyphosat maßgeblich zum Artensterben bei, da es in einer mit Glyphosat ausgeräumten Landschaft kein Futter mehr für Vögel und Insekten gibt. Auch bei uns Menschen kommt Glyphosat an: Zwei Drittel der Europäer haben den Pestizidwirkstoff im Körper. Glyphosathaltige Herbizide stehen unter anderem im Verdacht, die Fruchtbarkeit und das ungeborene Leben zu schädigen. Ein solcher Stoff hat in unserem Körper und der Umwelt nichts zu suchen!
BWagrar: Welche Aspekte werden nach Ihrer Ansicht in den üblichen Zulassungsprüfungen für Glyphosat vernachlässigt?
Vengels: Das Bundesinstitut für Risikobewertung stützt sich bei seiner Bewertung von Glyphosat hauptsächlich auf unveröffentlichte Industriestudien. Dagegen wurde ein Großteil der unabhängigen Fachliteratur ausgeklammert. Zweifelhaft sind auch die erlaubten Rückstandshochgehalte. Ausgerechnet die Lebensmittel, bei deren Anbau häufig Glyphosat zum Einsatz kommt, dürfen mehr davon enthalten. Zum Beispiel sind die erlaubten Rückstände in Gerste und Hafer 200 mal höher als für Aprikosen. Da liegt der Verdacht nahe, dass hier im Interesse der Pestizidlobby gehandelt wird, nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.
BWagrar: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Glyphosat und dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen?
Vengels: Glyphosat war der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Gensoja und weiterer gentechnisch manipulierter Pflanzen, die resistent dagegen sind. Bis heute sind glyphosathaltige Herbizide die Grundlage für den großflächigen Anbau genmanipulierter Pflanzen mit Herbizidtoleranz, beispielsweise in Nord- und Südamerika. Dabei wird die ganze Ackerfläche regelmäßig mit Glyphosat gespritzt. Das Ziel: Alle Pflanzen, außer denen mit dem künstlichen Gen, das sie resistent gegen Glyphosat macht, sterben ab. Allerdings kommen in letzter Zeit immer mehr Unkräuter auf, die auf natürlichem Weg ebenfalls Resistenzen gegen Glyphosat entwickelt haben. Die Folge: Es wird noch mehr Glyphosat gespritzt oder es werden andere Herbizidwirkstoffe zugemischt, weil man diesen „Superunkräutern“ anders gar nicht mehr Herr werden kann. Auf der Website www.weedscience.org kann man sich über den aktuellen Stand informieren.
BWagrar: Sehen Sie einen Unterschied zwischen Glyphosat und Roundup?
Vengels: Neben Glyphosat als eigentlichem Wirkstoff enthalten die am Markt befindlichen Herbizide noch weitere Stoffe, die oft sogar noch giftiger als Glyphosat selbst sind. Deshalb ist auch die Toxizität von glyphosathaltigen Herbiziden oft deutlich höher als die von Glyphosat allein.
BWagrar: Welche konkreten Forschungsergebnisse liegen Ihnen vor zu negativen Wirkungen auf Vorgänge, die sich im Boden abspielen?
Vengels: Mit Glyphosat behandelte Pflanzen nehmen weniger Zink und Mangan auf. Das schwächt die Pflanzen und erhöht ihre Anfälligkeit für Pilzerkrankungen. Dieser Effekt wurde zum Beispiel bei Sojabohnen beobachtet, die bei Behandlung mit Glyphosat eine höhere Anfälligkeit für Wurzelfäule haben.
BWagrar: Welche Alternativen zu Glyphosat schlägt das Umweltinstitut vor?
Vengels: Das Umweltinstitut setzt sich für eine ökologische Landwirtschaft ein. Durch mechanische Unkrautbekämpfung und konsequente Fruchtfolgen kann man ohne Glyphosat auskommen, wie der Biolandbau beweist.
BWagrar: Wo sehen Sie die größere Gefahr: Anreicherung im Boden, Auftauchen von Glyphosat in Oberflächengewässern?
Vengels: Glyphosat hat negative Auswirkungen sowohl für den Boden, als auch für Gewässer. Im Boden schädigt Glyphosat bestimmte Bakterien und Pilze, während andere davon nicht betroffen sind. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung der Bodenorganismen. Glyphosat wirkt sich außerdem negativ auf die Stickstoffaufnahme von Leguminosen aus und behindert die Aufnahme von Zink und Mangan. Auf Grund des massenhaften Einsatzes wird Glyphosat regelmäßig in Oberflächengewässern nachgewiesen. Dort kann es schon in relativ geringen Mengen bestimmte Wasserorganismen wie Amphibien, Schnecken und Muscheln schädigen.
BWagrar: Welche konkreten Auswirkungen von Glyphosat sehen Sie auf die Gesundheit von Menschen?
Vengels: Die akute Toxizität von Glyphosat ist vergleichsweise gering, deshalb galt der Stoff lange als relativ harmlos. Neuere Studien weisen aber darauf hin, dass die chronische Aufnahme glyphosathaltiger Spritzmittel schädlicher für die menschliche Gesundheit sein könnte, als bisher angenommen. So gibt es zum Beispiel Hinweise darauf, dass Glyphosat für Missbildungen bei Embryonen verantwortlich sein könnte. Auch Darmerkrankungen wurden zuletzt mit Glyphosat in Verbindung gebracht.
BWagrar: Welche Alternativen zu Glyphosat schlägt das Umweltinstitut vor?
Vengels: Das Umweltinstitut setzt sich für eine ökologische Landwirtschaft ein. Durch mechanische Unkrautbekämpfung und konsequente Fruchtfolgen kann man ohne Glyphosat auskommen, wie der Biolandbau beweist.
BWagrar: Wie sehen Sie das Gefährdungspotenzial der Anwendung von Glyphosat im Haus- und Kleingartenbereich?
Vengels: Glyphosat kann im Garten die gleichen negativen Folgen haben, wie in der Landwirtschaft: es schädigt den Naturhaushalt, die Artenvielfalt und gefährdet die Gesundheit. Dazu kommt, dass viele Kleingärtner nicht geschult im Umgang mit Pestiziden sind und sehr viel mehr spritzen als vorgesehen.
Weitere Informationen im Netz
Für den Beitrag wurden zahlreiche Recherchen, auch im Internet durchgeführt. Über Glyphosat gibt es millionenfach Stichworte. Unter anderem wurden die folgenden Adressen genutzt: www.bvl.bund.de, www.bfr.bund.de, www.glyphosat.de, www.umweltinstitut.org



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