Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Bilanz zur Erdbeersaison in Süddeutschland

Freilandernte fällt ins Wasser

Die diesjährige Erdbeerernte in den süddeutschen Anbaugebieten war ein Balanceakt zwischen extremen Witterungs- und Marktbedingungen. Die Ernte im Freiland litt darunter erheblich. Starkregen und Hagel haben der Hauptsaison im Süden ein Ende mit Preissturz bereitet. Teilweise beklagen Produzenten witterungsbedingte Ausfälle von 70 bis 100 Prozent auf manchen Feldern.
Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Die diesjährige Erdbeersaison im Freiland stand unter keinem guten Stern. Vielfach litt die Ware unter den extremen Witterungsbedingungen. Zudem musste gegen Saisonende ein Preisverfall hingenommen werden. 
Die diesjährige Erdbeersaison im Freiland stand unter keinem guten Stern. Vielfach litt die Ware unter den extremen Witterungsbedingungen. Zudem musste gegen Saisonende ein Preisverfall hingenommen werden. VSSE/Christoph Goeckel
Artikel teilen:

Nach den heißen Sommertemperaturen, die hohe Erträge nach sich zogen, verdarben Unwetter die Quantität und Qualität der Erdbeeren und führten zu starken Einbußen, Reklamationen und einem Preisverfall selbst für gute Qualitäten. Anbauer waren gezwungen, Felder frühzeitig aus der Ernte zu nehmen.

„Der Erdbeeranbau im Freiland war in dieser Saison eine große Herausforderung. Auf den verzögerten Saisonbeginn durch das kalte, nasse und sonnenarme Frühjahr mit einigen Frostnächten folgte der drittwärmste Juni seit Aufzeichnungen mit sehr hohen Temperaturen, Starkregen und Hagel. Aktuell sind die Qualitäten instabil und die Preise eingebrochen, so dass Erdbeeren in den letzten zwei bis drei Wochen nicht mehr rentabel und teilweise unter den Produktionskosten vermarktet werden mussten. Der Einsatz von Hochtunneln hat Erdbeererzeugern in diesem Jahr die Ernte gerettet“, resümiert Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE).

 

Ertragseinbußen von 25 Prozent im Schnitt

Ohne den geschützten Anbau hatten Betriebe laut der Ergebnisse der Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände zur Saison 2021 durchschnittlich 25 Prozent Ertragseinbußen, und das zusätzlich zu den 13 Prozent geringeren Ertrag durch das kalte Frühjahr.
Während in Süddeutschland die Erdbeerhaupternte bereits beendet ist, ist sie in Norddeutschland noch im Gange. So trifft die aktuell extreme Witterungslage die Erdbeerernte im Norden härter: „Wir sind in einer schwierigen Phase. Wir hatten eine gute Frühsaison, aber die Hauptsaison ist nicht rentabel, da es mit der Hitze zu hohen Mengen und dem nachfolgenden Einsetzen des Regens zu Qualitätsproblemen kam, und es aktuell auch für qualitativ gute Ware keine stabilen und ausreichenden Preise gibt. Gute Qualitäten sind bei einer solchen Witterung nur im geschützten Anbau zu erreichen. Wir hoffen auf eine Stabilisierung des Marktes für die Spätsaison, wenn die Erdbeermengen zurückgehen“, erklärt Tilman Keller, Erdbeeranbauberater für Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Auch Ludger Linnemannstöns, Erdbeeranbauberater aus Nordrhein-Westfalen, äußert sich besorgt: „Um die Erdbeerbestände im Freiland steht es schlecht. Witterungsbedingt gibt es viele weiche Früchte und viel Fäulnis. Es mussten Felder aus der Ernte herausgenommen werden. Mit Erdbeeren guter Qualität aus dem geschützten Anbau auf Stellage kann der Handel bedient werden, aber hier sind die Preise im Moment nicht zufriedenstellend.“

 

Saisonstart mit geringen Mengen – Ende mit instabiler Qualität

Erdbeersaison beginnt mit geringen Erntemengen und hohen Preisen und endet mit instabilen Fruchtqualitäten und starkem Preisverfall. Dabei hat der Lebensmitteleinzelhandel wie aus Informationen der AMI hervorgeht, die Verbraucherpreise lange hochgehalten, obwohl die Preise gerade in den Kalenderwochen 23 und 24 aufgrund der höheren Erntemengen bei den Genossenschaften (Erzeugermärkten) und auf den Großmärkten eingebrochen sind. Durch die hohen Preise hat der Lebensmitteleinzelhandel den reibungslosen Abverkauf der Erdbeeren gehemmt.

In Deutschland produzierten laut dem Statistischen Bundesamt im vergangenen Jahr 1952 Betriebe auf 11.189 Hektar Anbaufläche Erdbeeren. Dabei konkurrieren deutsche Erdbeererzeuger unter anderem mit spanischen Produzenten. Während der Mindestlohn seit 1. Juli 2021 in Deutschland bei 9,60 Euro brutto/Std. liegt, beläuft er sich in Spanien auf 5,76 Euro brutto/Std, das heißt in Deutschland liegen die Lohnkosten damit um 67 Prozent höher als in Spanien, was sich auf den Erdbeerpreis maßgeblich auswirkt, da die Erdbeerernte von Hand erfolgt.
Laut der Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände zur Saison 2021 unter rund 1000 Beeren- und Spargelerzeugern, an der 303 teilnahmen, setzen 77 Prozent der Betriebe Wasser sparende Bewässerungssysteme und 62 Prozent länger einsetzbare Folien ein. 71 Prozent der Betriebe lassen ihre Folie recyceln und 70 Prozent verwenden recyclebare Verpackungen. Für den Insektenschutz säen 83 Prozent der Erzeuger Blühflächen aus.


Situation der Saisonarbeitskräfte

92 Prozent der Betriebe schließen laut der Umfrageergebnisse für ihre Saisonarbeitskräfte eine Erntehelferversicherung ab. Diese deckt – entgegen der fälschlichen Angabe in einigen Tagesmedien – auch die Behandlungskosten im Falle einer Corona-Erkrankung ab. In 82 Prozent der Betriebe gab es keine Infizierten, was auf funktionierende Hygiene- und Infektionsschutzkonzepte zurückzuführen ist. Bei den übrigen 18 Prozent gab es insgesamt 183 Infizierte, die entsprechend der Quarantäne-Vorgaben insoliert und versorgt wurden.
 

Geschützte Produktion und faire Preise nötig

„Diese Saison hat wie keine andere gezeigt, wie wichtig der geschützte Erdbeeranbau in Deutschland ist. Steigende Produktionskosten durch höhere Mindestlöhne, Pandemie bedingte Zusatzkosten und höhere Umweltauflagen erfordern zum einen garantierte Erträge durch die geschützte Produktion im Hochtunnel und zum anderen faire Preise, die die qualitativ hohen Standards und den Arbeitseinsatz der Betriebe honorieren. Wer regionale Erdbeeren in Deutschland möchte, kommt nicht umhin, sie auch preislich wertzuschätzen – auch nicht der Lebensmitteleinzelhandel, der sich in dieser Saison durch mangelnde Angebotsimpulse in der Hauptsaison und hohe Margen bei Erzeugerpreisen unter Produktionskostenniveau nicht absatzfördernd verhalten hat“, betont VSSE-Vorstandssprecher Simon Schumacher.

Kritik am Folieneinsatz

In dieser Saison sah der VSSE die Erdbeerbranche verstärkt der Folienkritik ausgesetzt, da die Folientunnel bei einem Teil der Bevölkerung wegen des Anfalls von Folienabfällen, des Wegfalls von Lebensraum für Tiere und Insekten sowie wegen der Veränderung des Landschaftsbildes nicht gewollt sind. Wobei der Kunststoffabfall der gesamten Landwirtschaft laut einer Studie zum „Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019“ jährlich bei 5,5 Prozent liegt. (Informationen siehe:  https://download.vsse.de/Presse/Kurzfassung_Stoffstrombild_Kunststoffe_2019.pdf), In Deutschland fallen laut dieser Studie 6,28 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle jährlich an, davon
25.000 Tonnen für Sonderkulturen, sprich 0,39 Prozent, und davon wiederum entfällt ein Bruchteil auf die Hochtunnel.
„Auch in südeuropäischen Anbaugebieten sind Schutzsysteme im Einsatz, um transportfeste Qualitäten der Erdbeeren zu erreichen. Mit Zunahme von Extremwettersituationen sind Schutzsysteme in Deutschland unabdingbar. Auch sind sie eine wichtige Arbeitserleichterung für die Erntehelfer – und das spielt eine wichtige Rolle in einem stark umkämpften Markt, wenn es darum geht, die Arbeitskräfte dem Betrieb zu erhalten“, betont Erdbeeranbauberater Tilman Keller.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.