Schleiereule und Co. kehren auf den Spargelhof zurück
Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. (VSSE) hat 2017 mit dem baden-württembergischen Landesverband des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) ein Projekt zu Naturschutzfördernden Maßnahmen im Spargel- und Erdbeeranbau gestartet. Der Spargelhof von Joachim Arnegger bei Ravensburg ist einer der drei Pilotbetriebe, auf denen das Projekt umgesetzt wird. Hier lesen Sie, welche Maßnahmen umgesetzt werden und wie das Projekt weiterläuft.
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Vor allem der Anbau von Kulturen unter Folie stoße bei Verbrauchern auf Kritik. „Wir gehen deshalb in den Dialog“, erklärt Simon Schumacher, Geschäftsführer des VSSE. Die Verfrühungsfolien erwecken bei Spaziergängern und Anwohnern den Eindruck von einer Versiegelung der Fläche, zugleich wollen Verbraucher laut Schumacher aber möglichst früh Obst und Gemüse aus regionaler Erzeugung einkaufen – ein Widerspruch.
Doch intensive Produktion und ökologische Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt von Insekten und Wildtieren widersprechen sich nach Schumachers Aussage nicht. Um zu zeigen, wie man das Zusammenspiel von Spargel- und Erdbeeranbau und Naturschutz gestalten kann, haben der VSSE, NABU und Landwirte gemeinsam einen Aktionsplan erarbeitet.
Pro Kultur haben sich die Beteiligten auf je sieben Maßnahmen geeinigt, von denen pro Pilotbetrieb mindestens drei umgesetzt werden müssen. Die Betriebsleiter werden unter Vermittlung durch den Verband von Mitgliedern des NABU beraten und dürfen im Gegenzug bei der Kundenkommunikation das Logo des NABU verwenden.
Wie können solche Maßnahmen aussehen?
Joachim Arnegger bewirtschaftet einen Betrieb mit circa 40 Hektar Nutzfläche. Auf dem Großteil der Flächen stehen Spargel und Erdbeeren, auch Baumkulturen sind im Anbau. Der Verkauf erfolgt ausschließlich an Endkunden. „Ich habe mir schon länger Gedanken über Biodiversität gemacht“, kommentiert Arnegger seine Teilnahme an dem Projekt, „und darüber, dass man für Insekten, Vögel und Reptilien eine Rückzugsmöglichkeit schaffen muss.“
Als 2018 Betriebe gesucht wurden, die in diesem Bereich mehr tun möchten, habe er sich sofort bereiterklärt. Zusammen mit dem NABU hat er – auch unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit – für den Betrieb unter anderem diese Maßnahmen ausgewählt:
- Blühstreifen von mehr als zwei Metern Breite hat er am Rand von Erdbeerfeldern angelegt. Die Streifen wurden im Herbst 2018 gesät, zuvor wurde der Boden einige Male mit dem Grubber bearbeitet. „Die Fläche haben wir mit einer Fertigmischung für ÖVF-Flächen eingesät“, kommentiert Arnegger. In der Mischung befinden sich unter anderem Malven, Rettich, Wicken und Ehrenpreis. Die Mischung blühe lang, damit Vögel bis in den Herbst eine Nahrungsquelle vorfinden. Von den Blühstreifen erhofft sich der Landwirt zudem eine erhöhte Bestäubungsleistung durch Insekten wie Hummeln, die insbesondere dem Ertrag von Steinobst zugutekomme. Zudem locke der Blühstreifen Vögel an, die wiederum Jagd auf Schädlinge in angrenzenden Beständen machen können.
- Auch Sitzstangen für Greifvögel hat Arnegger montiert. Diese locken Ansitzjäger, die wiederum Jagd auf Mäuse machen und den Nagerbestand natürlich regulieren. „Wir brauchen natürliche Gegenspieler zu Mäusen, die sich in der Strohabdeckung der Erdbeeren wohlfühlen“, kommentiert der Landwirt.
- Ein ähnlicher Effekt sei auch von Stein- und Totholzhaufen am Feldrand zu erwarten. Diese bieten einen Rückzugsort für Tiere wie Eidechsen und Mauswiesel, die wiederum die Maus- und Insektenpopulation auf dem Feld kontrollieren.
Einfache Umsetzung?
„Es ist nicht besonders schwierig, die Maßnahmen umzusetzen – man muss es nur tun“, beantwortet Arnegger diese Frage. Man könne einfach Lebensräume und Rückzugsmöglichkeiten an Feldrändern, Hecken oder auf Stellen im Acker schaffen, die für die Bewirtschaftung zu nass sind. Seit 2018 ist der Betriebsleiter im Rahmen des Projekts für den Naturschutz aktiv geworden, Ende 2019 möchte er die Ergebnisse evaluieren.
Einen sicht- und hörbaren Erfolg gebe es aber schon, nachdem auf dem Hof ein Nistkasten für Schleiereulen befestigt wurde. Auf dem Smartphone hat der Landwirt Rufe von Schleiereulen aufgenommen. „Wir haben auch abends Spargel sortiert und konnten die Eulen beim Einschalten des Lichts wegfliegen sehen“, sagt Arnegger.
Zusammenarbeit mit Umweltschützern
„Die Umsetzung der Maßnahmen wird von NABU-Mitgliedern kontrolliert“, merkt Willi Mayer an, erster Vorsitzender der NABU-Gruppe Ravensburg. Er begrüßt die Zusammenarbeit mit den Landwirten. Der NABU freue sich über jeden Kooperationsbetrieb, da die Höfe Zugriff auf Flächen haben.
„Wir müssen möglichst viele Verbündete finden – alleine können Naturschützer den Insektenrückgang nicht in den Griff kriegen“, so Mayer. Das Ziel des Pilotprojekts sei daher auch, Anregungen für andere Landwirte zu eigenen Projekten in Sachen Natur- und Artenschutz zu geben.
Durch die Zusammenarbeit wolle man Erzeuger dafür sensibilisieren, welche Maßnahmen auf ihren Flächen möglich und wirkungsvoll sind. „Sinnvoll sind sicher Blühstreifen, Nistkästen für Vögel und Steinriegel, die vielen Kleinsäugern einen Lebensraum bieten“, kommentiert Mayer. Von den Landwirten wünscht er sich, dass nicht nur die Produktion im Vordergrund steht, sondern diese auch gewisse Bereiche ausweisen, damit auf den Feldern eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt entstehen kann. An die Verbraucher richtet er die Bitte: „Nicht nur auf den Preis schauen, sondern auch darauf, wie die Lebensmittel erzeugt werden.“
So geht es weiter
Das Projekt sei eine Gelegenheit, Landwirte, den VSSE und Naturschutzverbände wie den NABU näher zusammenzubringen. „Wir können Ansichten austauschen und voneinander lernen“, merkt Schumacher an. Ein Zusammenleben und zusammenarbeiten der Parteien wirkt sich laut Schumacher auch auf den betrieblichen Erfolg positiv aus, da Kulturen wie Erdbeeren und anderes Obst von der Bestäuberleistung durch Insekten profitieren.
Der Verband wolle das Konzept auch auf andere Betriebe in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern anwenden und Verbrauchern zeigen: „Spargel- und Beerenproduktion kann intensiv funktionieren und gleichzeitig die biologische Vielfalt fördern“, kommentiert Schumacher.
Auch Arnegger möchte das Engagement auf seinem Spargel- und Erdbeerbetrieb ausweiten: „Ich bin sicher, da Herr Mayer sehr verständnisvoll ist und gute Tipps gibt, dass wir in Zukunft noch weitere Maßnahmen umsetzen werden.“
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