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Agri-Photovoltaik

Doppelte Ernte: Photovoltaik über dem Acker

Strom und gleichzeitig Lebensmittel erzeugen? Die Agri-Photovoltaik macht das möglich und kann in Zeiten von knapper Ackerfläche und wachsendem Energiebedarf zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Doch geht die Rechnung auf?
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Die unter der Anlage gewachsenen Kartoffelknollen waren in zwei Versuchsjahren weniger groß.
Die unter der Anlage gewachsenen Kartoffelknollen waren in zwei Versuchsjahren weniger groß.Hofgemeinschaft Heggelbach
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Photovoltaikanlagen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende. Vor allem die Kosten für Anlagen auf Freiflächen sinken. Gute Nachrichten also für jeden, der in Zukunft auf einen grünen Energiemix setzen möchte. Zugleich stellen Freiflächenanlagen die Landwirtinnen und Landwirte aber vor ein anderes Problem: Die Energiegewinnung mit Photovoltaik buhlt mit der Produktion von Lebensmitteln um Fläche. Das könnte die Preise für Pacht und Grundstücke in die Höhe treiben. Nötig könnte die Stromgewinnung auf landwirtschaftlichen Flächen werden, weil nach Aussage von Fachleuten die hiesige Dach- und überbaubare Stadtfläche voraussichtlich nicht zur nachhaltigen Stromgewinnung ausreichen wird.

Duale Flächennutzung als mögliche Lösung

Agri-Photovoltaik (APV) könnte diese Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Stromerzeugung entspannen. Hierbei wird eine Photovoltaikanlage auf Feldern so aufgestellt, dass weiterhin eine Lebensmittelproduktion möglich ist. Erste Praxisanlagen, wie die APV-Anlage auf einer Fläche der Hofgemeinschaft Heggelbach im Landkreis Sigmaringen, Baden-Württemberg, testen das Verfahren.

„Wir bauen rund 25 ha Gemüse und 14 ha Kartoffeln an“, erklärt Landwirt Florian Reyer, der in der Hofgemeinschaft für den Gemüsebau verantwortlich ist. Rund 330.000 kWh Strom braucht der ökologisch wirtschaftende Gemischtbetrieb mit pflanzlicher Produktion, Tierhaltung, Hofkäserei und Ferienwohnungen im Jahr. Zudem wird eine Photovoltaikanlage auf Dachflächen, ein Holzvergaser und ein Energiespeicher in Erprobung betrieben. 2009 gewann der Betrieb den Deutschen Solarpreis. „Das Thema Eigenstromverbrauch ist für uns weiterhin spannend“, sagt Reyer. Beispielsweise mit der APV-Versuchsanlage, die mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2015/2016 auf einer Fläche von 2500 m² mit rund 194 kWp Leistung auf dem Betrieb von der BayWa installiert worden ist. Insgesamt umfasst die Versuchsfläche 2,5 ha, wobei die übrige Fläche als Referenzfläche zum wissenschaftlichen Vergleich von überbauter und freier Fläche dient. Die Module sind etwa sechs Meter über dem Acker auf Stelzen gebaut und überdachen die Ackerfläche mit einer Durchfahrtshöhe von fünf Metern. Die Abstände der Modulreihen sind laut Reyer so gewählt, dass mehr als 60 Prozent der Sonnenstrahlung zu den Pflanzen durchgelassen werden. Die Anlage ist damit für die landwirtschaftliche Nutzung optimiert. Angebaut wurden Weizen, Kleegras, Kartoffeln und Sellerie.

Strom erzeugen und weiterhin ernten

„Für mich stehen die Belange der Landwirtschaft an erster Stelle“, sagt Reyer. Da die Stromgewinnung aktuell rentabler als der Landbau sei, verschärfe sich die Konkurrenz um Flächen. Wenn es rein um den monetären Flächenertrag gehe, müsse man alles mit Modulen zupflastern. Der Clou ist aber, Lebensmittel zu erzeugen und nebenher Strom zu gewinnen. Deshalb steht „Agri“ im Wort „Agri-Photovoltaik“ an erster Stelle. Das Ziel ist eine möglichst hohe Doppelnutzung mit geringer Flächenkonkurrenz, ähnlich wie beim Gemengeanbau. „Für mich ist diese Anwendung ein Versuch. Ich bin nicht darauf festgelegt, dass APV die Lösung für die Energieprobleme der Gesellschaft ist“, kommentiert Reyer. Er sieht das größte Potenzial in Spezialkulturen, wie in Holland bei einer APV-Anlage über einer Beerenplantage. Da die Anlage kostspielig war und noch Forschungsbedarf besteht, sollte aus Reyers Sicht der Fokus darauf liegen, erst bereits versiegelte Flächen mit Photovoltaikmodulen zu überbauen. Der Landwirt begrüßt aber die problemorientierte Forschung in der Landwirtschaft: „Wenn Praktiker eine Frage haben und dafür mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Lösung suchen, entstehen sinnvolle Innovationen“, sagt er.

Für die Landwirtschaft praxistauglich?

Mit der Versuchsfruchtfolge aus Kleegras, Gemüse und Getreide funktioniert die Anlage laut Reyer prinzipiell – aber es gibt Einschränkungen. Zu den Stärken der Anlage gehört nach Ansicht des Praktikers:

  • Doppelnutzung durch das Einfahren einer Ernte vom Acker und den Energieertrag. Der Druck auf die Fläche durch den Bau von Freiflächenanlagen kann durch APV abgemildert werden.
  • Eigenstromnutzung auf dem Betrieb stärken. „Viele kleine Anlagen helfen mehr als eine große“, äußerte sich Reyer. Für möglich hält er circa ein bis zwei Hektar APV pro Betrieb zum Etablieren einer dezentralen und lokalen Stromversorgung als Zusatznutzen für den Bewirtschafter der überbauten Fläche.
  • Kein Beton auf der Fläche dank eines Spinnankersystems aus Österreich, das einer Baumwurzel nachempfunden ist und die Pfosten im Boden verankert. Die Anlage ist komplett rückbaubar, da keine harten Fundamente angelegt werden.
  • Mit 18 m Pfostenabstand zwischen den Reihen ist die Anlage gut auf die Arbeitsbreite der betriebseigenen Maschinen abgestimmt.

Zu den Schwächen der Anlage gehört Reyers Ansicht nach:

  • Die Wasserverteilung unter der Anlage sorgt für Bodenerosion, insbesondere bei starken Niederschlägen beim Anbau von Reihenkulturen. Das von den Modulen abfließende Wasser spült Erde ab. Ein Vorgang, der sich nach Reyers Erfahrung mit allen ackerbaulichen Tricks bislang nicht verhindern ließ.
  • Die Anlage muss genau auf die Fläche abgestimmt sein: Aktuell hört die Versuchsanlage mitten auf dem Acker auf. Pfosten unterteilen die Fläche, das macht die Bearbeitung anspruchsvoller.
  • Hoher Aufwand für die Konstruktion: Das könnte sich in Ansätzen mit Förderung lenken lassen. Die Langfristigkeit ist laut Reyer aber weitgehend gegeben: „Ich glaube, dass die Module weit länger als 20 oder 30 Jahre nutzbar sein werden.“

Es ist kostspielig, die Durchfahrtshöhe von fünf Metern für Feldmaschinen zu realisieren. „Da man bei Sonderkulturen zum Teil ohnehin Hagelschutznetze oder Wasserführungssysteme aufbauen muss, würde ich diese Bewirtschaftungsart für die Kombination mit einer APV favorisieren“, erklärt Reyer. Entsprechende Betriebe mit energieaufwändigen Lagerhallen könnten den gewonnenen Strom auch unmittelbar verwerten. Eine Probeanlage über Sonderkulturen befindet sich derzeit in Deutschland im Bau. Sofern man die Energie brauche und Fläche zur Verfügung stehe, könne die Anlage aber auch auf Ackerbaustandorten ein erheblicher Gewinn sein.

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