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Regenerative Landwirtschaft

Nicht die Pflanzen, sondern den Boden nähren

Wie lassen sich Bodengesundheit und -fruchtbarkeit verbessern? Das 6. Symposium „Aufbauende Landwirtschaft“, veranstaltet vom gleichnamigen Verein aus Kreßberg, befasste sich mit verschiedenen Möglichkeiten, um den Boden gesund zu halten. Von No-Till-Verfahren, über Bokashi zu Agroforst - Kerngedanken aus ausgewählten Vorträgen.

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Regenwürmer fressen organische Substanzen und produzieren so humusreichen Boden. Darum sollten die Flächen immer abgedeckt sein, beispielsweise mit Mulch oder Gründüngung.
Regenwürmer fressen organische Substanzen und produzieren so humusreichen Boden. Darum sollten die Flächen immer abgedeckt sein, beispielsweise mit Mulch oder Gründüngung.Bettina Karl
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Etwa zehntausend Borstenwürmer leben in zwei Gramm Erde, so klein ist der Cognettia sphagnetorum. Er ist einer von Millionen Bodenlebewesen, hat keine Augen und produziert ähnlich wie der Regenwurm fruchtbare Erde, sagt Hermann Pennwieser. Fasziniert von der Komplexität des Bodens ist für den Biobauer aus dem österreichischen Schwand klar, dass man nicht die Pflanzen, sondern den Boden nähren müsse. Humus sei ein lebendiges Gewebe, das wachsen muss. Und genau das ist ein wichtiges Ziel der regenerativen oder aufbauenden Landwirtschaft: Humusaufbau um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Dafür werden die natürlichen Systeme in ihrer Ganzheit und Komplexität berücksichtigt.

Hermann Pennwieser, der 2021 zum Bodenbotschafter der Interessengemeinschaft gesunder Boden ernannt wurde, erklärt, dass wir dafür eine hochdynamische Mikrobiologie im Boden brauchen. Wichtig sei beispielsweise ein Ganzjahresbewuchs, der immer wieder eingearbeitet wird. Auch Pilze im Boden seien wichtig, doch bisher würden diese oft unterschätzt. Und das obwohl sie  25 % der Bodenlebewesen ausmachten, so der Bodenkundler. Als Beispiel nennt er Streptomyces, die weltweit mit circa 600 benannten Arten und Unterarten in den Böden, Sedimenten und Gewässern vorkommen. Fast alle (> 99 %) davon sind nicht pathogen (krankheitserregend). Streptomyces siedeln zwischen Erdpartikeln und Pflanzenwurzeln an und sind unter anderem für den typischen Geruch frischer Erde verantwortlich.

Vielfältig und regenerativ

Die ersten sechs Jahre nach der Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft liefen gut, beschreibt Gerhard Weißhäupl. Dann seien die Erträge merklich zurückgegangen. Als Grund sieht der österreichische Landwirt aus Haibach ob der Donau den Boden und das Bodenleben, auf die er nicht genug geachtet hätte. Jetzt arbeite er nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. Mit Erfolg. Zu diesen gehört auch die pfluglose Bodenbearbeitung, wie sie Gerhard Weißhäupl auf seinen 35 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche praktiziert, der Zwischenfruchtanbau und die Mulch- sowie Direktsaat. Weißhäupl vermehrt das Saatgut dafür selbst. Er nährt den Boden nur mit selbsthergestelltem MC-Kompost (Mikrobielle Carbonisierung) und Bokashi, da bei der Praxis der aufbauenden Landwirtschaft auf den Einsatz von Mineraldünger verzichtet wird.

Bokashi wird auf dem familiengeführten Betrieb hauptsächlich aus Gras, Zwischenfrüchten und Stroh, einer Schicht Kompost und etwas Pflanzkohle und Zeolith (Vulkangestein) hergestellt und abschließend mit Wasser vermengt und verdichtet. Die Zwischenfrüchte, ebenfalls eine Boden verbessernde Aktion, baut der Landwirt selbst an. Er empfiehlt, diese nur etwa 4 bis 6 cm über dem Boden abzuschneiden und nicht unterzupflügen, damit die Wurzeln im Boden bleiben. Sie sterben ab und die Erde wird dadurch lockerer. Zudem sollten sie nicht blühen, da sie dann die Nährstoffe, die sie zuvor eingelagert haben, aus dem Boden wieder herausziehen.

Zur aufbauenden Landwirtschaft gehört auch die Agroforstwirschaft. Zwischen dem Getreide stehen die Gehölzstreifen auch bei Weißhäuples auf den Äckern, um etwa alle sechs Jahre abgeerntet zu werden. Dabei werden sie vollkommen zurückgeschnitten. Das Getreide soll gesünder und auch ertragsreicher sein, resümiert der Ökolandwirt.

Agroforstsysteme fördern Wasser

Nicolas Haack veranschaulichte in seinem Vortrag, wie beispielsweise Wurzeln von Bäumen als Dränagen wirken und so Wasser aus tieferen Schichten nach oben fördern können. Dieses stände dann Ackerkulturen wie Getreide besser zur Verfügung. Der studierte Ökolandwirt und Co-Founder des Unternehmens „Triebwerk Regenerative Land und Agrowirtschaft“ sagt, dass Gehölze Ackerkulturen, die neben oder unter ihnen wachsen, nicht nur beschatten, sondern auch Windgeschwindigkeiten bremsen, beispielsweise nächtliche Kaltluftflüsse. Agroforstsysteme fördern eine höhere Luftfeuchtigkeit sowie Taubildung und können somit den Boden kühlen – denn nasse Böden sind automatisch kühler. Damit schaffen Gehölze ein gutes Mikroklima und sind in der Lage, Extremwetterereignisse wie Dürre oder Starkregen abzupuffern.

Weitere Maßnahmen für einen nachhaltige Wassernutzung in Kombination mit Agroforstsystemen sind nach Haacks Aussagen der Anbau von Zwischenfrüchten, Direktsaaten, Schlagverkleinerungen, Flächenstilllegung, Schlaguntergliederung durch Grünstreifen oder Gewässerrandstreifen. Als ein positives Beispiel der Wasserspeicherung in Landschaften beschreibt er das Keyline-Design, das oft in Australien angewendet wird. Dabei werden Wasserretentionsteiche, Gräben und Agroforstsysteme miteinander verknüpft, um die Wasserversorgung der Flächen zu erhöhen.

Das Wurzelhof-System

Auch auf dem „Wurzelhof“ in Schinkel, Schleswig-Holstein, dreht sich alles um die Bodenverbesserung, kurz die aufbauende Landwirtschaft. „Eigentlich betreibe ich seit 1986 ein Bodenpflegesystem“, sagt  Dieter Pansegrau. Dabei sei das Einzige, was er für seinen Gemüseanbaubetrieb zukaufe, das Biostroh. Der Leitspruch des Landwirts lautet ebenfalls: „Bodenpflege statt Pflanzendüngung“. Der Erfolgsmesser dafür sei die Qualität des Gemüses, das er auf rund drei Hektar im Freiland und auf 3.500 m2 unter Folie anbaue. Dort gedeihen Rote Bete, Rhabarber, Salate, Kartoffeln, Zwiebeln, Kohl, Möhren und viele andere Gemüsearten.

Mit seinem Anbauverfahren fördert Pansegrau zugleich den Humusaufbau: Dafür setzt der Landwirt eine
achtgliedrige Fruchtfolge an, mit je zur Hälfte Futterbau und Gemüse. Das Futter bekommen die beiden Kaltblutpferde, die auf dem Hof mitarbeiten. „Aber hauptsächlich ist es das Futter für meine Bodenlebewesen“, erklärt Pansegrau. Vier Prinzipien seien für den Humusaufbau wesentlich:

  1. gar keine beziehungsweise nur minimale Bodenbearbeitung,
  2. Dauerdurchwurzelung des Bodens,
  3. eine dauerhafte Bedeckung des Bodens mit organischer Substanz und
  4. die mikrobielle Förderung im Boden.

Kurz gesagt: Alles unter Mulch mit Zwischenfruchtanbau und Untersaaten. Dass seine Kartoffeln keine Krautfäule bekämen, obwohl dass Nachbarfeld mit Krautfäule (und ohne Mulch) genau daneben lag, bestätige sein Bodenpflegesystem, das die Pflanzenvitalität und -gesundheit fördere, einmal mehr.

Mit Silofolie Gründüngung abtöten

Auch No-Till-Verfahren zählen zu den Maßnahmen, die den Humusaufbau fördern. Denn No-Till bedeutet, den Boden nur noch ganz wenig oder gar nicht mehr zu bearbeiten. Jonas Gaßmann, studierter Umweltwissenschaftler und Mitglied im Verein „Die Zukunftsbauern“ in Kreßberg, Hessen, führt dazu Eigenversuche im Gemüseanbau mit einer zehngliedrigen Fruchtfolge durch.

Dazu bringt er eine 5 bis 15 cm dicke Schicht Grünschnitt-Kompost als Mulch auf die Fläche aus, um darin Gemüse einzupflanzen. Nach seinen Berichten, wird der Unkrautbefall über die Jahre hinweg weniger, da der Boden nicht durcheinander gewühlt werde. Allerdings fliegt Samen ein, was aber ein geringes Problem darstelle. Der Aufwand wäre insgesamt kleiner. Als Nachteil sieht Gaßmann, dass Kompost eine gewisse Zeit brauche, um sich mit dem Boden zu vermischen und an der Pflanze anzukommen.

Um Gründdünung auf den Gemüseflächen abzutöten, führt Gaßmann Versuche mit Silofolien durch. Er deckt damit die Gründüngung – beispielsweise Roggen – ab und drückt sie anschließend platt. In seinen Versuchen dauerte es im Zeitraum zwischen Februar und Mai insgesamt etwa drei bis vier Wochen, bis die darunterliegende Gründdüngung abstarb, von Ende Mai bis September nur zwei bis drei Wochen, weil es in dieser Zeit wärmer ist.

Gaßmann empfiehlt, die Pflanzen vor dem Abdecken mit der Folie flach abzuschlegeln. Es funktioniere gut gegen krautige Unkräuter, nicht jedoch gegen Wurzelunkräuter wie Quecke. Um diese abzutöten, müsse man sie schon vier bis sechs Monate in der Hauptwachstumszeit mit Folie abdecken, was wiederum ein großer Eingriff in das Bodenleben wäre.

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