Klassische Züchtung und Crispr/Cas in friedlicher Koexistenz?
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Bislang vor negativen Effekten der Gentechnik bewahrt
Dr. Sabine Jülicher, Direktorin für Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln, Innovation, DG SANTE, Europäische Kommission
„Der Europäische Gerichtshof hat uns Klarheit gegeben. Neue Züchtungstechniken gelten als Gentechnik. Das ist keine Überraschung: Bei Lebens- und Futtermitteln sind viele Elemente der Zulassung unterworfen. Das geltende Recht hat uns bislang vor negativen Effekten der Gentechnik wirkungsvoll bewahrt.
Trotzdem werden zahlreiche Erwartungen an die neuen Züchtungstechniken gestellt, vor allem in der Medizin und Landwirtschaft. Nach aktueller Rechtslage können Produkte mit Zulassung auf den Markt gebracht werden. Nichtsdestotrotz diskutiert die Europäische Kommission aktuell die neuen Züchtungsmethoden mit den Mitgliedsstaaten. Im April 2021 soll das Ergebnis der Diskussionen dem Rat bereitgestellt werden. Es dient als neue Diskussionsgrundlage, insbesondere für Regulierer, die Politik und Forschende zur möglichen Anpassung des Rechtsrahmens.
Neue Züchtungstechniken werden generell sehr polarisiert diskutiert. Bedenken zu Sicherheit und potenziellem Nutzen spalten die Menschen. In Europa besteht nichtsdestoweniger ein hohes Interesse zu Forschung in diesem Bereich. Einige Mitgliedsstaaten tauschen sich mit Bürgern und Interessenverbänden aus, um das Potenzial der Techniken breit zu diskutieren. Das gilt insbesondere für Ethikfragen.“
Friedliche Koexistenz von neuen Methoden und klassischer Züchtung
Prof. Dr. Urs Niggli, Agrarwissenschaftler, seit 2020 Direktor des Institute of Sustainable Food & Farming Systems (agroecology.science)
„Mich interessiert die nachhaltige Landwirtschaft. Die Frage der Züchtungstechnologie ist der Nachhaltigkeit untergeordnet. Die Frage der Nachhaltigkeit beinhaltet schließlich auch die Folgen der Züchtungsmethoden oder Produktionsmethoden. Mit diesem Ansatz der umfassenden Nachhaltigkeit beurteile ich auch neue Technologien und deren Produkte. Integrierte und ökologische Produktion gibt der Pflanzenzüchtung eine hohe Priorität.
Heute wird vor allem mit Stickstoff- und Phosphor gedüngt, Pflanzenschutzmittel sind an der Tagesordnung. Die Züchtung spielt und spielte bei der Reduktion dieser Inputs eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Resistenz gegen Mehltau in Weizen. Der hohe Betriebsmitteleinsatz ist zudem eine wichtige Ursache des Biodiversitätsverlusts.
In Zukunft muss es zwei Züchtungsstrategien geben. Eine, die auf der traditionellen Züchtungsmethoden basiert. Hier sind noch Fortschritte möglich. Das ist der Weg der Ökozüchter. Ein zweiter, der auf der Genomeditierung basiert. Hier ist schon jetzt absehbar, dass rasch sehr große Fortschritte möglich werden. Beide Wege sollten in einer Art friedlicher Koexistenz intensiv verfolgt werden.“
Nutzen am Weizen zur Schau stellen
Dr. Jon Falk, Geschäftsführer der Saaten-Union Biotec GmbH
„Die Landwirtschaft ist im Wandel, wir müssen nachhaltiger wirtschaften, weniger Dünger und weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen. Dieser Weg ist unumkehrbar. Die Toleranz der Pflanzen gegenüber Krankheiten gewinnt daher an Bedeutung. Pflanzen sind zunehmend widrigen Wetterbedingungen ausgesetzt, wie man in den vergangenen Jahren bemerkt hat. Hier muss die Züchtung reagieren. Zugleich ist Pflanzenzüchtung aber ein sehr langwieriger Prozess. Es dauert 15 bis 20 Jahre, bis eine neue Sorte auf den Markt kommt. Es wird schnell deutlich, dass neue Züchtungsmethoden hier einen wesentlichen Beitrag leisten können. Die Pflanzenzüchter wollen deshalb Beispiele hervorheben, um den Mehrwert der neuen Züchtungsmethoden darzustellen.
Daher haben deutsche Züchtungsunternehmen das Projekt PILTON ins Leben gerufen. Infos dazu gibt es auf https://pilton.bdp-online.de. Der Name steht für Pilztoleranz von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden“. Wir wollen damit das Potenzial neuer Züchtungsmethoden darstellen. Erste Pflanzen aus dem Versuch stehen bereits im Gewächshaus. Wir wollen damit das Potenzial neuer Züchtungsmethoden darstellen. Erste Pflanzen aus dem Versuch stehen bereits im Gewächshaus.
Die Pflanzenzüchtung in Deutschland ist sehr mittelständisch geprägt mit circa 60 Unternehmen. Wir haben uns deshalb den Weizen als Beispiel ausgesucht, weil die Kultur hexaploid und daher schwierig zu bearbeiten ist. Gleichzeitig hat Weizen aber eine enorme Bedeutung für Landwirtschaft und Ernährung. Wenn man die Abwehrreaktion der Pflanze verstärkt, erhält man eine erhöhte Toleranz gegenüber Erregern. Will man das Weizengenom in dieser Hinsicht über klassische Züchtungsmethoden bearbeiten, erfordert das sehr viel Zeit.
Man muss einige Bremsen in der Weizengenetik lösen. Es besteht die große Hoffnung, dass man auf diesem Weg eine erhöhte Toleranz gegenüber vier bis fünf Krankheiten erreichen kann. Das kann über die neuen Züchtungsmethoden rasch und effizient geschehen. So haben sich Züchter verschiedenster Kulturen dem Beispielprojekt angeschlossen und finanzieren mit.
Wir sind überzeugt, dass wir die neuen Züchtungsmethoden wie Crispr/Cas brauchen, um den Herausforderungen einer effizienten Landwirtschaft zu begegnen. Wir müssen eine Diskussion mit der Gesellschaft starten über die Rahmenbedingungen der neuen Technologien: Kann jedes Unternehmen die Technologien nutzen? Aktuell als sind die Methoden als GVO klassifiziert, was eine Anwendung verhindert.“
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