Jungrinder: Raus aus dem Schattendasein
Funktioniert die Liegebox? Ist sie groß genug und die Matte genügend weich? Fragen, auf die es am Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) in Aulendorf künftig Antworten geben soll. Am Donnerstag vergangener Woche ging der neue Teststall für junge Rinder in den Praxisbetrieb. Nicht ohne Grund: Die abgesetzten Jungtiere führen bislang häufig ein Schattendasein, ohne viel Komfort und Augenmerk.
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Franz Schweizer, der Leiter des LAZBW, und Uwe Eilers, Referatsleiter und zuständig für Rinderhaltungssysteme und Stallbau, strahlen an diesem frühwinterlich kalten Oktobernachmittag um die Wette. Kein Wunder, ihrem Ziel, jungen Rindern, gerade abgesetzten Kälbern bis hin zu zum ersten Mal trächtigen Jungrindern eine komfortable Unterkunft zu bieten, sind die beiden, sind das Aulendorfer Team mit dem Bau des neuen Teststalles gehörig weiter gekommen.
Auch wenn es heute ziemlich kalt ist und Eilers den gut 100 Besuchern, von denen einige gehörig frösteln, versichert, dass man in den kommenden Wintermonaten an die offene Südostseite des knapp 45 Meter langen Kammstalles noch Windschutznetze anbringen werde. Ansonsten erfülle der Versuchsstall mit seinen fünf Abschnitten für vier Altersgruppen (siebter bis über 18. Lebensmonat) die Anforderungen, die man inzwischen an eine tiergerechte Aufstallung für den kommenden Kuhnachwuchs stellt: Licht, Luft, geräumige, gepolsterte Liegeboxen, breite (drei Meter) mit Gummimatten ausgelegte Lauf- und Fressgänge, nicht zuletzt ein außen und innen liegender Futtertisch, von dem letzterer mit seinen unterschiedlich beschichteten Oberflächen für eine besonders hygienische Darreichung der täglichen Rationen sorgen soll.
Platz bietet der Liegeboxenlaufstall, der an ein Altgebäude andockt, für 130 Rinder. Um den Ansprüchen an den nötigen Komfort für den Kuhnachwuchs sicher zu stellen, entstand eine offene Sheddach-Konstruktion mit 132 Hochboxen und 133 Fressplätzen mit Fangfressgittern. Zusätzlich wurden in den Demon-strationsstall eine Deck-, Bullen-, Behandlungs- und Lehrgangsbucht installiert, in dem die Klauenpflege der Rinder gezeigt werden kann. Die im alten Teil des neuen Stalles untergebrachten Sonderbereiche docken an eine Viehwaage und Verladezone an. An offenen Südostseite des Gebäudes entstand ein integrierter Laufhof.
„Die Haltung von Jungrindern“, erläutert Franz Schweizer in seiner Begrüßung, „ist bisher nur verhalten in den Fokus des öffentlichen Interesses gelangt“. Ganz anders als bei Kühen und Kälbern. Wie viel Wert inzwischen auf den nötigen Komfort bei Kühen gelegt werde, „sehen Sie, wenn Sie einen Blick in den Liefervertrag Ihrer Molkerei werfen“, machte Schweizer vor den zahlreichen Landwirten deutlich, die an diesem Tag zur Eröffnung des neuen Lehr- und Versuchsstalles gekommen waren.
Bei den Kälbern, so der LAZBW-Leiter, hätten die hohen Verlustraten dazu geführt, dass die Aufzucht der Jungtiere in der Öffentlichkeit zusehends kritisch beäugt werde. Und nun also die Jungrinder, jene Tiere, die laut Schweizer und Eilers bisher ein Schattendasein führen. Und bei denen von ihren Besitzern oftmals in Kauf genommen wird, dass Leistungsfähigkeit und Gesundheit darunter litten, wenn die Jungrinder in zu engen Boxen bei schlechter Luft und mangelnder Hygiene untergebracht werden.
Umso mehr setze man mit dem neuen Jungviehstall darauf, Buchtenmaße, Matratzen, Boxenab-trennungen und Fangfressgitter in punkto Tiergerechtheit und Praxistauglichkeit unter die Lupe zu nehmen. „Sie sollen selbst sehen: Wie funktioniert diese Aufstallung, dieser Mattenbelag und dieses Fressgitter?“, hob Schweizer hervor. Welche Körpergröße, welches Alter passt tatsächlich auf welches Funktionsmaß? Fragen, auf die sich Eilers und seine Kollegen am LAZBW künftig verlässliche Antworten erhoffen. Denn nur mit solch neuen Erkenntnissen, ließen sich Investitionen in ein neues Stallgebäude besser planen. Annahmen helfen im Zweifelsfall wenig, sind sich die Experten am LAZBW einig, die in dem neuen Demonstrationsstall auch ihrem staatlichen Auftrag, entsprechendes Fachwissen an Rinderhalter zu vermitteln, nachkommen wollen.
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