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Mit der Genschere verändert

Selbstdüngender Weizen

Weizen braucht viel Stickstoff – und damit viel Dünger. Forschende aus den USA und Japan zeigen nun, dass man das Getreide so verändern kann, dass es selbst hilft, Stickstoff aus der Luft zu gewinnen.

von Redaktion Quelle Pflanzenforschung.de erschienen am 25.10.2025
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Der Trick dabei, über den die Redaktion Pflanzenforschung.de berichtet hat: eine subtile Änderung im Pflanzenstoffwechsel, die den Flavonstoff Apigenin erhöht. Dieser ruft stickstofffixierende Bakterien herbei und verbessert die Erträge – selbst bei wenig Dünger. Die Arbeit demonstriert einen vielversprechenden Ansatz, ist aber noch Grundlagenforschung: Bis solche Weizensorten auf den Acker kommen, werden noch Jahre vergehen. Stickstoff ist der wichtigste Wachstumsfaktor moderner Landwirtschaft – und zugleich einer der problematischsten. Nur rund ein Drittel des ausgebrachten Düngers landet tatsächlich in den Pflanzen, der Rest wird ausgewaschen oder entweicht als klimaschädliches Lachgas. Während Leguminosen wie Bohnen und Erbsen mit stickstofffixierenden Bakterien zusammenarbeiten, fehlt den Getreiden diese Fähigkeit. Die Vision, Weizen, Mais oder Reis ähnlich „selbstversorgend" zu machen, beschäftigt Pflanzenforscher seit Jahrzehnten. Weil direkte Versuche, die bakterielle Stickstofffixierung in Pflanzenzellen zum Laufen zu bringen, bislang scheiterten, richtet sich der Blick nun auf das Zusammenspiel zwischen Wurzeln und Bodenmikroben.

Ein Duftstoff als Bakterienmagnet

Das Team um Eduardo Blumwald (University of California, Davis) hat einen Umweg gewählt, der bestechend einfach ist: Statt Weizen die Stickstofffixierung beizubringen, bringt man ihn dazu, die passenden Bodenbakterien aktiv anzulocken. Per CRISPR/Cas9 wurden gezielt mehrere Kopien des Weizengens CYP75B4 auf den Chromosomen 6 und 7 ausgeschaltet – Gene, die im Flavon-Stoffwechsel den Abbau von Apigenin zu Luteolin vorantreiben. Verwandte Gene auf Chromosomen 1 und 2 blieben dagegen unangetastet, da sie sich als essenziell für die Pflanzenentwicklung erwiesen.

Durch das gezielte Ausschalten der CYP75B4-Gene stieg der Apigenin-Gehalt in Wurzeln und Wurzelausscheidungen deutlich an. Apigenin wirkt in der Rhizosphäre wie ein chemisches Rufsignal: Es begünstigt die Ansiedlung diazotropher Bakterien wie Azospirillum brasilense und regt sie zur Biofilmbildung an. In diesen zähen bakteriellen Schichten herrscht wenig Sauerstoff – genau die Mikro-Umgebung, die der empfindliche Nitrogenase-Komplex benötigt, um atmosphärischen Stickstoff (N2) zu Ammoniak zu reduzieren. Die Forschenden arbeiteten dabei mit der Weizensorte 'Fielder', einem hexaploiden Brotweizen, dessen sechsfacher Chromosomensatz die gezielte Genbearbeitung besonders anspruchsvoll macht.

Symbiose ohne Knöllchen – aber nur bei Stickstoffmangel

Im Ergebnis unterstützen die Wurzeln der editierten Weizenpflanzen eine funktionelle Stickstofffixierung in ihrer direkten Umgebung – ganz ohne Leguminosen-Knöllchen. Entscheidend ist jedoch: Der Effekt tritt nur unter reduzierter Stickstoffversorgung auf. Bei voller Düngung (etwa 150 kg N/ha) zeigten die CRISPR-Linien keinerlei Vorteile gegenüber normalen Pflanzen. Erst wenn die Stickstoffgabe auf 50 Prozent (75 kg N) oder 30 Prozent (45 kg N) reduziert wurde, entfaltete sich das Potenzial der Veränderung. Unter diesen limitierten Bedingungen akkumulierten die CRISPR-Linien deutlich mehr Stickstoff in Blättern und Körnern, bildeten mehr Ähren aus und erzielten beeindruckende Ertragssteigerungen: Bei halbierter Düngung verdoppelten sich Ährenzahl und Kornertrag pro Pflanze nahezu im Vergleich zu den unveränderten Kontrollpflanzen, die unter denselben Mangelbedingungen deutlich litten.

Isotopenmessungen mit schwerem Stickstoff sowie klassische Acetylen-Reduktions-Assays belegten eindeutig, dass tatsächlich Luftstickstoff in das Pflanzensystem gelangte. Mikrobiom-Analysen zeigten parallel, dass sich die bakterielle Gemeinschaft an den Wurzeln messbar verschob: Besonders an der Wurzeloberfläche (Rhizoplane) und in der unmittelbaren Bodenumgebung (Rhizosphäre) nahm der Anteil stickstofffixierender Bakterien bei den CRISPR-Pflanzen signifikant zu.

Die Qualität bleibt hoch

Stickstoffmangel macht sich normalerweise nicht nur am Ertrag, sondern auch an der Qualität bemerkbar: Die Pflanzen vergilben, die Photosynthese bricht ein, der Proteingehalt im Korn sinkt. Auch hier zeigten die CRISPR-Linien klare Vorteile. Während bei normalen Pflanzen unter 30 Prozent Stickstoffdüngung der Chlorophyllgehalt stark zurückging und die Photosyntheseraten deutlich sanken, blieben diese Parameter bei den editierten Linien auf höherem Niveau. Besonders bemerkenswert: Der Stickstoffgehalt im Korn der CRISPR-Pflanzen entsprach selbst bei stark reduzierter Düngung etwa dem von voll gedüngten Kontrollpflanzen. Die Wildtyp-Pflanzen verloren dagegen unter Stickstoffmangel rund 30% ihres Kornstickstoffs – ein Verlust, der sich direkt auf Proteingehalt und damit auf Backqualität und Verkaufswert auswirkt.

Feintuning statt Gentransfer

Bemerkenswert ist, dass weder Bakterien gentechnisch verändert noch fremde Nitrogenase-Gene in den Weizen integriert werden mussten – ein Ansatz, der in früheren Versuchen wiederholt gescheitert war. Die bakterielle Nitrogenase erwies sich in pflanzlichen Zellen als instabil und wurde schnell abgebaut. Die Forschenden nutzten stattdessen einen universellen pflanzlichen Stoffwechselweg und passten ihn so an, dass die Pflanze ihre Mikrobenpartner besser „bedient". Das ist präzises Feintuning: mehr Apigenin im Exsudat, gezieltere Biofilme, geschützte Nitrogenase – und am Ende mehr pflanzenverfügbarer Stickstoff aus der Luft.

Dass der Effekt unter hoher Mineraldüngung vollständig ausbleibt, ist agronomisch sogar erwünscht und spiegelt ein grundlegendes Prinzip bakterieller Stickstofffixierung wider: Bei ausreichendem Angebot an Nitrat und Ammonium im Boden wird die energieaufwendige Nitrogenase-Synthese unterdrückt. Die Pflanze schaltet diese Kooperation also nur ein, wenn es sich lohnt, und spart sich den metabolischen Aufwand, wenn ausreichend mineralischer Stickstoff vorhanden ist. Für die Praxis bedeutet das: Der Mechanismus greift dort, wo er gebraucht wird – in Phasen oder Zonen mit Stickstoffmangel.

Mit Geduld zum nachhaltigeren Ackerbau

Die Studie skizziert eine realistische Route zu einer nachhaltigeren Stickstoffversorgung in Getreiden. Anstatt immer mehr Dünger auf die Felder zu bringen, lässt sich die Pflanze so programmieren, dass sie nützliche Mikroorganismen anzieht und ihnen die richtigen Bedingungen verschafft. In der Praxis könnten solche Linien den Mineraldüngereinsatz senken, Erträge unter Knappheit stabilisieren und Nebenwirkungen wie Nitrat-Auswaschung und Lachgasemissionen mindern. Besonders in Regionen mit eingeschränktem Düngerzugang oder bei stark steigenden Düngerpreisen könnte der Ansatz einen echten Mehrwert bieten.

Allerdings sind bis zur praktischen Anwendung noch erhebliche Schritte zu gehen. Die Versuche fanden unter kontrollierten Gewächshausbedingungen mit einer definierten Bodenmischung statt. Wie sich die CRISPR-Linien unter wechselnden Witterungsbedingungen, verschiedenen Bodentypen und in Fruchtfolgen mit unterschiedlichen Vorkulturen verhalten, muss erst in mehrjährigen Feldversuchen geklärt werden. Zudem ist der regulatorische Status solcher Pflanzen je nach Region unterschiedlich: In der EU unterliegen CRISPR-editierte Pflanzen derzeit noch der strengen Gentechnik-Gesetzgebung, während sie in den USA oder Argentinien unter bestimmten Bedingungen weniger restriktiv behandelt werden. Bis apigenin-reiche Weizensorten auf europäischen Äckern stehen, dürften also noch mehrere Jahre vergehen.

Zugleich liefert die Arbeit einen generellen Bauplan, der über Weizen hinausweist: Pflanzliche Sekundärstoffe dienen als chemische Sprache zwischen Wurzel und Mikrobiom – wer diese Sprache versteht und gezielt moduliert, kann Pflanze-Mikroben-Systeme lenken. Ähnliche Ansätze könnten künftig auch bei Mais, Reis oder anderen Kulturen funktionieren. Die Forschung bestätigt damit einen Paradigmenwechsel: Statt Pflanzen isoliert zu betrachten, rückt das Zusammenspiel mit der mikrobiellen Gemeinschaft in den Fokus – ein Ansatz, der langfristig die Landwirtschaft nachhaltiger machen könnte.

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