Schmallenberg-Virus: Wieder zurück im Land
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Bereits im Folgejahr nach der Durchseuchung begann dieser Schutz jedoch wieder zu sinken, so dass die Voraussetzungen für eine neue Infektionswelle gegeben waren. Drei Jahre nach der ersten Ankunft tritt SBV in Baden-Württemberg nun wieder in Erscheinung. Das bis dahin unbekannte Schmallenberg-Virus wurde erstmals im Herbst 2011 in Europa nachgewiesen, nachdem gehäuft unklare Krankheitsfälle bei Rindern aufgetreten waren.
SBV zeigt eine nahe Verwandtschaft zu aus Afrika und Ozeanien bekannten Viren, die sich auch in ähnlichen Übertragungswegen, im Wirtsspektrum und in den Krankheitsbildern widerspiegelt. Als Überträger spielen blutsaugende Insekten, besonders Gnitzen, eine Hauptrolle. Das Virus ist infektiös für Rinder, Schafe und Ziegen, wurde aber auch schon bei diversen Wildwiederkäuern nachgewiesen.
Immunität hielt nicht lange
Es löst im akuten Infektionsfall nur bei Rindern unspezifische Symptome wie Milchrückgang, Fieber und teilweise Durchfall aus. In erster Linie äußert sich die Infektion jedoch bei trächtigen Wiederkäuern aller Arten mit Zeitverzug von mehreren Wochen bis Monaten durch Aborte, Totgeburten oder lebensschwache Neugeborene mit zum Teil schweren Missbildungen, besonders im Bereich des Gehirns, der Wirbelsäule und der Gliedmaßen. Das Vorkommen und der Schweregrad sind dabei vorwiegend vom Trächtigkeitsstadium zum Zeitpunkt der Infektion abhängig.
SBV erreichte 2012 auch Baden-Württemberg und führte hier wie in anderen Regionen zu einer raschen Durchseuchung der Wiederkäuerpopulation, die sich im rasanten Anstieg der Antikörpernachweise zeigte. Gegen Ende 2012 konnten bei zirka 90 Prozent der untersuchten Rinder Antikörper gegen das Schmallenberg-Virus festgestellt werden. Im darauffolgenden Frühjahr 2013 traten zwar erwartungsgemäß die befürchteten Folgeerscheinungen der Infektion in Form von Aborten und Missbildungen auf, aber die Durchseuchung hatte mit den gebildeten Antikörpern auch einen flächendeckenden, zunächst belastbaren Schutz vor einer erneuten SBV-Infektion hinterlassen. In der Folge verringerten sich die Ausbrüche, bis das Virus schließlich wieder von der klinischen Bildfläche verschwand.
Leider erwies sich die erreichte Immunität als wenig beständig, da bereits ab 2013 wieder ein Rückgang der Antikörpernachweise bei Rindern in Baden-Württemberg beobachtet wurde. In Beständen mit regelmäßiger serologischer Überwachung reagierten zuvor positiv getestete Tiere zunehmend negativ im SBV-Antikörpernachweis. Im darauffolgenden Jahr waren viele der durch die erste Infektionswelle betroffenen Rinder sowie die gesamte nachrückende Population wieder seronegativ und damit erneut ungeschützt gegen das Schmallenberg-Virus. Erste Virusnachweise im Oktober 2014 in Nordrhein-Westfalen bestätigten dann die Befürchtung eines mit der abnehmenden Immunität verbundenen Wiederaufflackerns der Infektion.
Inzwischen hat sich die Sorge auch für Baden-Württemberg als begründet erwiesen. Das Schmallenberg-Virus wurde Anfang September erstmas wieder in Proben von Wiederkäuern gefunden. Bei den infizierten Tieren handelte es sich um klinisch gesunde Rinder, in deren Blut der Erreger bei Handelsunter-suchungen nachgewiesen worden war. Inzwischen ist die Zahl der Virusnachweise auf fünf gestiegen. Parallel dazu steigen aktuell, analog zum Verlauf der ersten SBV-Infektionswelle, die Antikörpernachweise rasch an. Das belegt die Auswertung der jüngsten Untersuchungsergebnisse aller Rinder, die nach dem 1. Januar 2014 geboren worden sind und somit definitiv keine „alten“ Antikörper mehr haben können.
Inzwischen liegen diese Tiere bei einer serologischen Nachweisrate von annähernd 70 Prozent, Tendenz rasant steigend. Alle beobachteten Befunde weisen aktuell auf eine erneute Durchseuchung der Bestände mit dem Schmallenberg-Virus hin. Unabhängig von der damals noch unbestätigten Hoffnung auf Ausbildung einer breiten und belastbaren Immunität wurden die Untersuchungen auf SBV nach dem Erstausbruch am STUA-Diagnostikzentrum weiter fortgeführt. Insgesamt wurden bis heute über 5400 Proben mittels PCR auf das Virus untersucht, wobei alle Proben zwischen dem letzten Nachweis im Frühjahr 2013 und dem jetzigen Nachweis (zirka 4500) negativ ausfielen. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass sich das Virus während dieser Zeit tatsächlich zurückgezogen hatte und es sich aktuell um ein neues Ausbruchsgeschehen handelt.
Aus klinischer Sicht ist zum jetzigen Zeitpunkt, das heißt im akuten Stadium der neuen Infektionswelle, weniger mit Trächtigkeits- beziehungsweise Geburtskomplikationen zu rechnen als vielmehr mit zunächst symptomlosen Verläufen beziehungsweise beim Rind auch mit einem unspezifischen Krankheitsgeschehen. Bei entsprechenden unklaren fieberhaften Krankheitsbildern sollte daher differenzialdiagnostisch auch an das Schmallenberg-Virus gedacht werden. In Analogie zum ersten Ausbruch sind zwar ebenfalls Infektionsfolgen wie Aborte, Totgeburten, lebensschwache Neugeborene sowie Missbildungen in Verbindung mit vermehrten Geburtsschwierigkeiten zu befürchten, aber diese klinischen Bilder werden voraussichtlich erst wieder mit Zeitverzug von Wochen bis Monaten nach der Infektion auftreten, das heißt vorwiegend im Frühjahr 2016.
Gegen eine Infektion mit dem Schmallenberg-Virus gibt es keine gezielte Therapie. Seit Februar 2015 ist für Rinder und Schafe in der EU ein inaktivierter Impfstoff zugelassen (Zulvac SBV, Firma Zoetis), der die Streuung der Viren im Körper vermindern soll. Ansonsten kann als weitere Maßnahme nur die Anwendung von Mitteln zum Schutz vor blutsaugenden Insekten in Betracht gezogen werden, die nach den bisherigen Erfahrungen allerdings nur begrenzt wirksam ist.
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